Man nenne es Kapitalismus und nicht Marktwirtschaft

Was viele hier Marktwirtschaft nennen, nenne ich Kapitalismus, und der Kapitalismus hat andere Regeln, braucht andere Regeln als nur die, die man über Märkte zur Geltung bringen kann, soll der Kapitalismus nicht so wüten, wie er derzeit wüten kann.

Ein Gastartikel von Heinz Peglau

Marktwirtschaft ist eine Verniedlichung, Verharmlosung und führt in die Irre! Ich mag diesen Begriff der Wissenschaft für den Kapitalismus unserer Tage deshalb nicht, lehne diesen sogar ab.

Nicht Märkte wirtschaften, sondern Menschen und ihre Institutionen wirtschaften, handeln, und zwar gemäß ihren Interessen. Und die sind halt im Kapitalismus prinzipiell aufgeteilt in die Interessen der Profitabhängigen und der Lohnabhängigen und zunehmend in die der von Transferleistungen Abhängigen. Diese nur auf Märkten zum Ausgleich bringen zu wollen, führt dann zu dieser Ungleichheit, die uns alle derzeit bedrücken sollte, welche die „Armut im Überfluss“ (Keynes) Wirklichkeit hat werden lassen. Die Tafeln sind deshalb nur nötig geworden und dienen genau deshalb heutzutage als Marktkorrektur, sind an die Stelle des Staates zur Korrektur der Marktgerechtigkeit zugunsten der sozialen Gerechtigkeit gesetzt worden, werden dadurch nun auch zur Rechtfertigung des Rückzuges des Staates aus der Verantwortung für große Teile der Bevölkerung herangezogen und werden ceteris paribus weiterhin herangezogen.

Ein Denken auf falschen Fundamenten kann nie ein gutes Ergebnis bringen, und dieses Denken in Märkten allein ist nun mal falsch, auch weil man die Märkte damit überfordert, deren Aufgabe eine ganz andere ist als der Ausgleich der Interessen in der Gesellschaft, die Sicherung der Zivilisation.

Originäre Aufgaben des Staates, der Gesellschaft haben auf Märkten deshalb nichts zu suchen, müssen anders als auf Märkten üblich gedacht und organisiert werden. Sie brauchen den Schutz vor dem Wettbewerb, sind nicht unter den Bedingungen der Privatisierung vernünftig darzustellen, wie wir längst im Bereich Gesundheit und Pflege, aber auch in anderen Bereichen, zum Beispiel Verkehr und Infrastruktur, erkennen können, wenn wir es nur wollten.

Ökonomen, die nur in Märkten denken können, sind deshalb schlechte Ratgeber. Sie müssen in Marktergebnissen denken und verlieren dadurch oft genug die notwendigen Ergebnisse für eine gute, friedliche Gesellschaft aus den Augen, so wie die meisten Ökonomen derzeit, die den Sozialstaat längst nicht mehr als Fundament auch des wirtschaftlichen Erfolges begreifen und damit auch die Frage des Ersten, welcher sich mit Wirtschaft gedanklich beschäftigt hat meines Wissens nach, die Frage Platons „Warum wirtschaftet der Mensch?“, nur noch bilanztechnisch beantworten können, aber längst nicht mehr im Sinne der Menschen, und damit der Gesellschaft und der Zivilisation, wie ich behaupte, großen Schaden zufügen. Denn sie lassen die Nachfrage derer, welche sich das Gut, die Dienstleistung nicht mehr leisten können, weil der Marktpreis zu hoch ist für ihren Geldbeutel, einfach wegfallen, ignorieren sie, halten sie für nicht deckungswürdig, und zwar auch dann, wenn es um grundsätzliche Güter des täglichen Bedarfs geht. Ist das vernünftig zu nennen? Ich meine Nein!

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Ein Gedanke zu „Man nenne es Kapitalismus und nicht Marktwirtschaft“

  1. Diesen Artikel würde ich heute so nicht mehr schreiben. Nicht, dass ich hier falsch gelegen hätte, nein, einzig einen Satz würde ich heute anders formulieren: „Marktwirtschaft ist eine Verniedlichung, Verharmlosung und führt in die Irre!“ Denn, natürlich ist die Marktwirtschaft keine Verniedlichung des Kapitalismus, sondern eine besondere Ausprägung des Liberalismus und des Naturalismus im großen Gefüge der Möglichkeiten kapitalistisch zu organisieren. Im Gegenteil, sie ist gesellschaftsprägend und gleichzeitig gesellschaftszerstörend.

    Was bewog mich dazu, hier zu fordern, von Kapitalismus zu sprechen, zu fordern, dass wir wieder über Kapitalismus sprechen sollen? Der Kapitalismus kommt auch ohne die marktwirtschaftlichen Regeln und Voraussetzungen aus. Er braucht den fiktiven Warencharakter der Arbeit, der Natur und des Geldes nicht. Die Marktwirtschaft jedoch benötigt diese fiktiven Waren, denn in der Marktwirtschaft ist nur das von Wert, was über Handel auch einen Preis erhält. Deshalb ist sie so zerstörerisch, deshalb wäre es besser – und das war mein Ziel hier – über eine Veränderung des Systems zum Kapitalismus zu reden, als es in der Falle der Marktwirtschaft hängen zu lassen. Der Kapitalismus kann durchaus Teil der Gesellschaft sein, die Marktwirtschaft muss ihre eigene Gesellschaft schaffen. Deshalb nenne man es Kapitalismus und nicht Marktwirtschaft.

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