Der Umgang mit den Provokationen der AfD

Letzte Woche war die AfD nach einer Rede von Alice Weidel in der Haushaltsdebatte des Bundestages ja mal wieder in aller Munde, da die AfD-Vorsitzende natürlich mal wieder nicht Inhaltliches oder gar Konstruktives beizutragen hatte, sondern nur mit rassistischer Hetze (ich gebe jetzt hier nicht wieder, was Weidel von sich gegeben hat) provozierte – das übliche Vorgehen der AfD, was ja Alexander Gauland vor etwa eineinhalb Jahren genau so in einem Interview mit dem ZDF Morgenmagazin auch ganz eindeutig und offen benannte. Man könnte diesen Vorfall also eigentlich unbeachtet zu den Akten legen, allerdings war genau dies nicht der Fall: Es wurde ausgiebig darüber berichtet und sich echauffiert – also genau das gemacht, was Weidels alleinige Intention bei ihrer Rede gewesen sein dürfte.

Entsprechende Reaktionen gab es dann auch auf diese Rede bzw. die Berichterstattung darüber, exemplarisch zu sehen auf der Facebook-Seite vom Bericht aus Berlin, einer Sparte der ARD tagesschau. Wenn man sich die Kommentare der AfD-Jünger dort anschaut, dann sieht man, was passiert, wenn man auf diese gezielten Provokationen von Weidel und Co. eingeht und darüber berichtet: Man liefert der Meute Futter.

Nun frage ich mich: Ist man hier beim öffentlich-rechtlichen Bericht aus Berlin wirklich so journalistisch unbeschlagen, um das nicht zu erkennen, oder macht man das extra, um das Ganze in eine Art AfD-Fanseite ausarten zu lassen? Natürlich mag es auch sein, dass in der Hektik des journalistischen Alltags, der ja auch durch eine immer stärker zunehmende Arbeitsverdichtung gekennzeichnet ist, solche Frage nicht bedacht oder gar erörtert werden, aber auch das wäre ja nicht gerade ein Ruhmesblatt für journalistische Qualität, oder?

Wie man’s also dreht und wendet: Es ist in jedem Fall ein Trauerspiel, wie hier von öffentlich-rechtlicher Seite der AfD zugearbeitet wird (und das ja übrigens nicht zum ersten Mal, wie ich hier bereits schon einmal beschrieben habe).

Und genau das ist ja auch die Strategie der AfD: Mangels konstruktiver Inhalte wird auf Provokation gesetzt. Weidel hält also ganz bewusst ein Stöckchen hin, denn sie weiß, wie die Öffentlichkeit reagieren wird, wenn sie so was in einer Bundestagsrede von sich gibt. Ihre Jünger feiern sie, alle anderen (und eben leider auch professionelle Journalisten, deren Aufgabe es eigentlich sein sollte, so was zu erkennen) springen über das hingehaltene Stöckchen und berichten empört darüber, was wiederum nicht nur Werbung für die AfD ist, sondern auch in Form von Framing deren Inhalte weiterverbreitet.

Und wenn das Ganze dann schon mal so in den Fokus der Öffentlichkeit gezerrt wurde, dann kann danach auch noch aufgrund der einkalkulierten Empörung und der Rüge durch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) schön weiter am Opfermythos der AfD gestrickt werden: Alle gegen uns, wir gegen das Establishment! Dass der Support hierfür vor allem vom medialen Establishment kommt, wird dabei dann natürlich komplett ausgeblendet.

So simpel und vorhersehbar, und dennoch machen alle wieder munter mit, auch Profijournalisten, denen derartige Mechanismen ja eigentlich klar sein sollten.

Das soll nun nicht heißen, dass man die AfD komplett ignorieren sollte, ganz im Gegenteil. Schließlich gibt es doch so viele Sachen, die man noch mit größerer Verbreitung über die AfD berichten könnte, die der Partei gar nicht so recht sind und die diese nicht prominent im öffentlichen Diskurs haben möchte, so z. B. deren überproportionaler Hang zu Kriminalität (s. hier und hier). Oder die marktradikal-unsozialen Aspekte aus deren Parteiprogramm, die ja von vielen AfD-Fans nur allzu gern ausgeblendet werden. Oder die immer offensichtlicheren Verbindungen der Partei zu Rechtsextremen und Neonazis (s. hier). Aber davon bekommen die meisten deutschen Mediennutzer dann eher weniger mit.

Und über solche Verbalausfälle wie jetzt aktuell von Alice Weidel könnte man beispielsweise folgendermaßen berichten, um sich nicht dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen, die AfD einfach zu ignorieren (denn dann könnten die wieder ihre heiß geliebte Opferrolle betonen): „In der Haushaltsdebatte im Bundestag hatte die AfD wieder einmal nichts Inhaltliches beizutragen, sondern hat sich ausschließlich in rassistischer Stimmungsmache geübt, um zu provozieren. Dafür gab es dann vom Bundestagspräsidenten auch eine Rüge, um deutlich zu machen, dass derartige Aufwiegelei in einem konstruktiven politischen Diskurs nichts zu suchen hat.“ Und fertig. Dass nämlich sonst bei Zitaten aus Weidels Rede genau die von der AfD so gern verwendeten hetzerischen Begriffe und Formulierungen immer weiter im öffentlichen Diskurs etabliert werden, wird von der Rechtspartei ja gerade auch einkalkuliert. Aber derartige Berichterstattung findet man dazu leider kaum bis gar nicht.

So bestätigt sich die (hier bereits formulierte) Vermutung, dass die neoliberalen „Eliten“ in Politik, Medien und Wirtschaft nach wie vor die AfD nutzen, um sich selbst und das immer offensichtlicher marode Wirtschaftssystem zu stützen, indem sie deren primitiver und destruktiver Strategie der ausschließlichen Provokation eine größere Öffentlichkeit verschaffen. Gerade Journalisten sollten dabei dann vielleicht mal einen genaueren Blick auf das Programm der AfD und die entsprechenden Aussagen von deren Personal werfen, was denn dort so von der Pressefreiheit gehalten wird. Dann sollte dem einen oder anderen der schreibenden Zunft vielleicht klar werden, dass zu eifriges Stöckchenspringen dann doch mal zur Abschaffung des eigenen Berufsstandes führen könnte …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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