Musikalische Highlights des bisherigen Jahres

2014 wurden schon einige sehr gute Alben abseits des Mainstreams veröffentlicht. Einige meiner persönlichen Highlights der ersten Jahreshälfte möchte ich Euch gern vorstellen und ans Herz legen, da man eben einfach mal so via Radio, Fernsehen und Co. nicht unbedingt auf diese Bands/Künstler stößt:

Black Space Riders: D:rei

Das dritte Album der deutschen Spacerock/Stonerrock-Band überzeugt auf ganzer Linie und bietet auf über 70 Minuten viel Abwechslung zwischen Riffgebretter und Atmosphäre. Dabei schaffen es die Jungs immer wieder, die Songs mit tollen Melodien zu krönen. Freunde von Bands wie Monster Magnet, Kyuss, aber auch Motörhead sollten unbedingt mal ein Ohr riskieren. Live ist die Band auch absolut zu empfehlen, da wird mit viel Spaß ordentlich abgerockt. Reinhören kann man auf der Bandwebseite in einige Songs aller drei Alben, dort kann man für korrekte 12 Euro auch gleich bei Gefallen die CDs oder für 20 Euro die Vinyls ordern.

Blue Angel Lounge: A Sea Of Trees

Eine ganz eigentümliche Mischung präsentiert die seit 2006 bestehende Band Blue Angel Loungs, ebenfalls aus deutschen Landen kommend: Der Gesang erinnert von der Stimmlage und Klangfarbe an Mic Jogwer von Pink Turns Blue, bei der Intonation kommt dann allerdings eher die Assoziation zu Nico auf. Velvet Underground, Postpunk/früher Wave, aber durchaus auch mal dank Banjos 16 Horsepower bzw. Wovenhand und ebenjene Nico sind dann so ein wenig die musikalischen Eckpfeiler, zwischen denen man den druchweg eher melancholisch gehaltenen Klangkosmos der Band verorten kann. Reinhören kann man nicht nur auf der Bandcamp-Seite der Gruppe, sondern auch bei Youtube, z. B. in das einzige auf Deutsch gesungenen Stück des Albums Mutter oder Desolate Sands, für das sogar ein Video gedreht wurde. Wer neben den oben genannten Referenzen auf Bands wie Interpol, She Wants Revenge oder Editors steht, dürfte seine Freude an dem Album haben.

Excessive Visage: Ruckus Array

Und noch eine einheimische Band: Excessive Visage hauen mit ihrem Debüt gleich mal ordentlich einen raus, vor allem, weil das Album erstaunlich abgeklärt klingt. Musikalisch geht es etwas frickeliger zu, Assoziationen zu Mars Volta drängen sich ein wenig auf, insgesamt ein recht buntes Stilgemisch aus (Indie-)Rock, Prog und teilweise auch ein bisschen Jazz. Das Ganze wird dann allerdings kontrastiert durch die Stimme von Larissa Blau, bei der man sich auch vorstellen könnte, dass sie auch mit lasziver Barmusik gut harmonieren würde. Die Songs warten mit vielen Details und Wendungen auf, haben aber nach einigen Hördurchgängen durchaus Eingängigkeit. Es gibt also einiges zu entdecken! Reinhören kann man in das gesamte Album auf der Bandhomepage (Anspieltipp: The Power Flaw), ausschließlich dort kann man es bei Gefallen auch ordern, da die Band ihr Debüt in Eigenregie veröffentlicht hat. Eigentlich unverständlich, dass da noch kein Label zugeschnappt hat …

Sivert Höyem: Endless Love

Der Sänger von Madrugada hat ein neues Soloalbum draußen, und Fans seiner ehemaligen Band können da auch bedenkenlos zugreifen. Klar, bei Höyems markanter Stimme klingt ja auch irgendwie alles, was er macht, immer gleich ein Stück weit nach Madrugada. Das soll nun allerdings nicht heißen, dass hier musikalischer Stillstand praktiziert wird. Gleich der Titeltrack zu Beginn des Albums bietet einen der Höhepunkte: Startend mit sehr amerikanisch klingender E-Gitarre, die auch in einem Tarantino-Film gute Verwendung finden könnte, und mit einem spartanischen Drumbeat, baut sich in etwa vier Minuten eine wahre Songeruption auf. Großartig! Danach geht es weiter mit Songs, die Nick-Cave- und Louis-Tillett-Fans ebenfalls begeistern dürften, bis dann mit Görlitzer Park (hier auf YouTube zum Anhören) mein persönlicher Höhepunkt des Albums kommt: abgründig, düster, verzweifelt und mit einer ganz eigenen Klangästhetik. Den Abschluss bilden dann die beiden ruhigeren Songs At Our Evening Table und das wunderschöne Ride On Sisters (hier in einer sehr schönen akustischen Version anzuhören) und vollenden so ein absolut gelungenes Album.

RPWL: Wanted

Kein besonders glücklicher Bandname, wie ich finde, aber die Musik des Münchner Quintetts kann sich mehr als nur hören lassen. Opulente Werke, am Anfang noch sehr im Sinne von Pink Floyd in ihrer mittleren Phase, haben sie ja schon mehrere geschaffen, der neuste Output ist nun ein lupenreines Konzeptalbum (das auch eine entsprechende Umsetzung mit viel Theatralik bei der dazugehörigen Tour erfuhr). Thema: RPWL werden als terroristsche Vereinigung eingestuft und gejagt, da sie mit Verirtas forte eine Tablette entwickelt haben, die die Menschen immun gegen Lügen macht und so die Wahrheit erkennen lässt. Musikalisch zieht die Band dabei alle Register, die im Prog- und Artrock vorhanden sind: knallige Gitarrensalven, aber auch etliche ruhige Momente, lange Instrumentalpassagen, tolle Melodien, viel Atmosphäre. Hier einen einzelnen Song hervorzuheben verbietet sich schon aufgrund des Albumkonzepts. Am besten hinsetzen und von vorn bis hinten genießen. Auf der Bandwebseite kann man sich einen Eindruck verschaffen und auch Tonträger ordern (momentan leider nicht mehr aufrufbar).

Seasurfer: Dive In

Shoegaze-Sound erlebt ja gerade ein ziemliches Revival, und genau dort kann man das Debütalbum von Seasurfer, der Band vom Gitarristen Dirk von Dark Orange (die waren in den 90ern im Zuge der Heavenly-Voices-Welle mit zwei wirklich guten Alben recht erfolgreich dabei), einordnen. Gitarrenwände bauen sich auf, sind dabei aber nicht brachial, sondern eher melancholisch-verträumt, und werden in bester Dreampop-Manier garniert von einer verhallten weiblichen Stimme. Schöne schwelgerische Songs für Freunde von klassischen Shoegaze-Acts wie Slowdive, Lush und Ride, aber auch von neueren Bands wie Esben And The Witch. Anspieltipp: We Run (hier auf YouTube, die Band hat sonst nur eine Facebook-Präsenz).

Se Delan: The Fall

Justin Greaves, Mastermind hinter Crippled Black Phoenix, die ja auch gerade vor Kurzem ein neues Album rausgebracht haben, ist anscheinend mit seiner Hauptband nicht ausgelastet, und so hat er mit der Sängerin Belinda Kordic zusammen ein weiteres Projekt gegründet. Dies ist nun allerdings nicht nur einfach Crippled Black Phoenix mit Frauengesang, sonder verfolgt einen anderen Ansatz: Die Songs sind deutlich reduzierter, sowohl was die Arrangements als auch die Spielzeiten angeht, auch wenn manchmal (so wie im Track The Hunt) schon die Hauptband von Greaves durchschimmert. Dass er ein begnadeter Songschreiber ist, ist ja nun nichts Neues, und seine Songs funktionieren auch in diesem Gewand, was eher im Bereich Artpop bis Triprock anzusiedeln ist. Na ja, und eine wirklich gute Sängerin hat er sich ja auch an Bord geholt, was man auf meinem Lieblingstrack des Albums On My Way gut nachvollziehen kann.

Sleepy Sun: Maui Tears

Die US-Amerikaner haben mit ihrem vierten Album einen richtig großen Wurf gelandet. Die Songs sind zwar deutlich in den 70ern verwurzelt, klingen allerdings nicht altbacken, sondern ziemlich up to date und weisen zur Auflockerung immer wieder Folk-Einsprengsel auf. Zudem haben die Jungs ihre Liebe zu etwas ausufernden Songs wiederentdeckt, die ihnen auf dem letzte Album ein wenig abhandengekommen zu sein schien. Viel Hall auf der Stimme vermittelt dabei ein recht psychedelisches Flair, an dem nicht nur Alt-Hippies ihre Freude haben, sondern auch Indie-Freunde Gefallen finden dürften. Auf YouTube kann man sich das ganze Album anhören, meine persönlichen Favoriten sind die beiden längeren Tracks Thielbar und der Maui Tears. Herrliche Musik für den Sommer!

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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