Onlinepetitionen

Sie haben keinen allzu guten Ruf, die Onlinepetitionen, die von verschiedenen NGOs und Petitionsportalen verbreitet werden. Die Kritik daran lautet oft, dass die meisten Unterzeichner nur ihr Gewissen beruhigen wollen und auf bequeme Weise per Mausklick politische Teilhabe suggeriert bekommen, anstatt dass man sich aktiv bemüht, etwas zu verändern. Doch sind diese Petitionen tatsächlich nur dazu da und ansonsten vollkommen funktionslos? Ich hab mal ein paar Beispiele zusammengestellt von Onlinepetitionen, die tatsächlich Auswirkungen auf das reale, nicht virtuelle Leben haben und Erfolge verzeichnen können.

So soll in Australien ein großer Kohlehafen gebaut werden, und der dabei anfallende Baggerschlamm sollte ins Great Barrier Reef, das nicht weit davon entfernt liegt, gekippt werden – was katastrophale Folgen für dieses berühmte und schützenswerte Ökosystem gehabt hätte. Campact hat eine Unterschriftenaktion hierzu gestartet, die sich an verschiedene Großbanken gewendet hat, die dieses Bauprojekt unterstützten. Wie auf der Campact-Webseite berichtet wird, hat der so aufgebaute Druck dazu geführt, dass zumindest der Baggerschlamm nun anderweitig im Landesinneren (was deutlich kostspieliger ist) entsorgt wird. Nach wie vor bleiben Campact und andere NGOs dran, um einen vollständige Einstellung des Bauvorhabens in dieser ökologisch sensiblen Gegend zu verhindern.

Das Umweltinstitut München hat eine Liste mit 660.000 Unterschriften gegen Fracking an Bundesumweltministerin Hendricks übergeben (s. dazu hier). Ob dies nun Einfluss auf die Zulassung von Fracking haben wird, sei erst mal dahingestellt, in jedem Fall meinte die Ministerin dazu (laut E-Mail-Newsletter vom Umweltinstitut), dass es hierbei im Vorfeld einen großen Lobbydruck geben würde und es deshalb gut sei, wenn auch andere Interessen vertreten würden. In jedem Fall schaffen solche Aktionen eine öffentliche Wahrnehmung solcher Themen, und sollten sich unter den angesprochenen Politikern tatsächlich mal welche befinden, die nicht ausschließlich wirtschaftshörig sind, sondern sich gemäß ihres Wahlauftrages der Bevölkerung gegenüber verpflichtet fühlen, dann kann so ein Statement mit deutlich mehr als einer halben Million Unterstützern schon ein bisschen Gewicht haben und zumindest für ein schlechtes Gewissen sorgen.

LobbyControl engagiert sich schon seit Jahren gegen den sogenannten Drehtüreffekt, also dass Politiker ohne jede Karenzzeit in hochbezahlte Jobs in der Privatwirtschaft wechseln, die oft mit ihrer politischen Tätigkeit in direktem Zusammenhang stehen. Nun konnte immerhin erreicht werden, dass es von der EU-Ombudsfrau Emily O’Reilly deutliche Kritik an dieser Praxis gab, wie auf der LobbyControl-Webseite nachzulesen ist. Auch dies ist ein kleiner Schritt in Richtung einer Regelung, die derartige Jobwechsel untersagt.

Und auch der Goldene Windbeutel, der jedes Jahr von foodwatch für besonders dreiste Werbelügen in der Lebensmittelbranche verliehen wird (s. dazu hier), zeigt, wie ein Thema nicht nur öffentlichkeitswirksam präsentiert werden kann, sondern dass auch durchaus direkte Reaktionen der Nominierten provoziert werden können, um den Missstand zu beseitigen. So kann man auf der foodwatch-Webseite lesen, dass Coop die Nominierung als Anlass genommen hat, um einen Mit dem Signet Unser Norden als regional gekennzeichneten Apfelsaft zukünftig tatsächlich nur aus norddeutschen Äpfeln herstellen zu lassen.

Darüber hinaus gibt es auch etliche Petitionen, die sich mit lokalen Themen und Einzelfällen beschäftigen, und auch hier können durchaus Erfolge vorgewiesen werden. So startete Kathleen Haase auf dem Portal change.org eine Petition, die sich an British Airways richtet, damit diese keine Reisen mehr nach SeaWorld in den USA verkaufen, da dort Orcas unter vollkommen artungerechten Bedingungen gehalten werden. am 27. September bekam Kathleen nun die Bestätigung (s. hier), dass British Airways sie zu einem Gespräch treffen will, um sich über das Thema auszutauschen. Auf dem gleichen Portal haben auch Thoralf Polet und Martin Riethmüller eine Petition gestartet, die sich dagegen richtete, dass Madiama Diop, ein Asylbewerber aus aus dem Senegal und Spieler des Football-Teams Würzburg Panthers, aufgrund der Residenzpflicht nicht zu Auswärtsspielen des Teams mitfahren darf – was natürlich einer immer wieder geforderten Integration von Migranten komplett entgegensteht. Nun scheint es so, dass dieser Fall dazu beigetragen hat, dass wohl die Residenzpflicht in ganz Bayern gekippt werden könnte, wie hier zu lesen ist. Und auch die Petition von Nadja Ziebarth, in der sie einen Stopp des Einsatzes von Schallkanonenbooten, die bei der Suche nach Erdgas eingesetzt werden, die aber auch massiv die Nordsee-Schwienswale gefährden, zeigt erste Erfolge, wie hier nachzuvollziehen ist.

Natürlich gibt es auch immer wieder Fälle, in denen trotz erheblichen Bürgerengagements Petitionen abgeschmettert werden, so wie jetzt zuletzt die EU-Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA, da einfach zu starke Finanzinteressen und zu viel Lobbypower dagegenstehen, aber auch bei diesem Thema wird weitergemacht und so Druck aufgebaut, wie man beispielsweise bei Campact, foodwatch und dem Umweltinstitut München (letztere Petition ist leider nicht mehr online) sehen kann.

Onlinepetitionen haben also zu Unrecht einen schlechten Ruf als Protest für Couchpotatoes und Ähnliches, sodass man hier auch immer genau schauen sollte, welche Medien diese Diffamierung besonders vorantreiben. Ich persönlich halte es so, dass ich mich nur dann an einer Onlinepetition beteilige, wenn ich mich auch tatsächlich mit dem Thema beschäftige, so kann ich sicherstellen, dass ich nicht irgendwelchen Mumpitz unterzeichne. Natürlich sollte man dabei nicht vergessen, auch sein eigenes Verhalten zu hinterfragen und zu ändern oder mal auf eine „richtige“ Demo zu gehen, genauso wie lokales Engagement nicht dem Argument „Aber ich hab ja schon eine Onlinepetition unterzeichnet …“ zum Opfer fallen sollte. In jedem Fall bieten solche Petitionen auch eine Einstiegsmöglichkeit für politisch eher weniger Interessierte, um sich mit Themen außerhalb des eigenen privaten Umfelds auseinanderzusetzen, wobei dann durchaus auch ein Transfer vom Speziellen zum Allgemeinen möglich ist, sodass kritische Öffentlichkeit gefördert wird. Und die brauchen wir zurzeit ja mehr als dringend!

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Ein Gedanke zu „Onlinepetitionen“

  1. Neue Erfolge, die durch Onlinepetitionen erzielt werden konnten, vermeldet heute das Portal change.org in seinem E-Mail-Newsletter:

    1.) Meilenstein: Petitionsausschuss entscheidet für Joseph und Gloria Yosores
    Gloria Yosores und ihr neunjähriger Sohn Joseph sollten eigentlich abgeschoben werden. Der Grund: Zwei Monate bevor beide eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten hätten, trennte sich der Noch-Ehemann von Gloria. Darüber informierte er gleich am nächsten Tag die Behörden. Mit dem klaren Ziel, die schnelle Abschiebung der beiden zu erwirken. Natalie Tews, eine Freundin, startete eine Petition auf Change.org. Über 95.000 Menschen erreichten eine positive Entscheidung des zuständigen Petitionsausschusses.

    2.) Erfolg: Bau einer Kartbahn im Naherholungsgebiet verhindert
    Am Fuß der Sophienhöhe, einem „Rückzugsgebiet für Mensch und Natur“ in der Nähe von Jülich, wollte die RWE AG eine große Kartbahn bauen. Michaela Schuh und viele andere Bürgerinnen und Bürger aus der Region waren dagegen. Heute schrieb sie an die Unterstützer ihrer Petition: „Der massive Protest von vielen Bürgerinnen und Bürgern zwang jedoch die lokale Politik tätig zu werden.“

    3.) Erfolg: Ausbau einer Mastanlage gestoppt
    Im nordhessischen Wabern-Zennern sollte die Erweiterung einer Mastanlage von 50.000 auf 150.000 Hühner beschlossen werden. Lisa Jehn sammelte mit ihrer Petition innerhalb von 48 Stunden über 20.000 Unterschriften gegen den Ausbau der Anlage. Die Erweiterung wurde nun gestoppt. Der öffentliche Druck sei zu groß geworden, ließ der Betreiber der Mastanlage mitteilen.

    4.) Meilenstein: Über 118.000 Unterschriften an das Bundesumweltministerium übergeben
    Schluss mit Plastik: Stefanie Albrecht hat zehntausende Unterschriften für eine Umweltabgabe auf Plastiktüten gesammelt. Am Donnerstag wurden sie im Umweltministerium übergeben. Der zuständige Staatssekretär Florian Pronold sandte zudem eine direkte Antwort an die mittlerweile über 119.000 Unterstützer. Diese halten weiterhin an ihrer Forderung fest.

    Prima Sache, die zeigt, dass sich Engagement durchaus lohnen kann und viele Stimmen einer Petition mehr Gewicht geben.

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