„Ich bin Amerikaner“ (Ukraine und die Propaganda)

Okay, der Titel ist verwirrend und sollte nur eine Anspielung auf J. F. Kennedy sein: „Ich bin ein Berliner!“ Denn so richtig amerikanisch fühle ich mich nicht (weltoffener Hamburger). Derzeit vielleicht noch weniger als sonst, vor allem in Hinblick auf den gerade veröffentlichten CIA-Folterbericht und das Demokratieverständnis.

Der Konflikt in der Ukraine geht uns alle an, denn er findet direkt vor unserer Haustür statt. Viele von uns erinnern sich daran, als am 26. April 1986 bem Block 4 des Kernkraftwerks in Tschernobyl die Kernschmelze eintrat und wir hier auch heute noch die Nachwirkungen zu spüren bekommen (1. Beitrag hier auf unterströmt im Wöchentlichen). Ja, Tschernobyl liegt in der Ukraine, der ehemaligen UdSSR.

Nun gehöre ich zu einigen der Gruppen, die in den vergangenen Monaten immer wieder negativ angefeindet werden: durch eigentlich positiv zu bewertende Begriffe, die zu Schimpfworten umgerüstet werden. „Gutmensch“, „Vegetarier“ und aus mir weniger verständlichen Gründen „Putin-Versteher“. Klar, Gutmenschen und Vegeratier (zwei Gruppen mit Überschneidungspotenzial) kann man gern anfahren, um sein eigenes Gewissen zu beruhigen. Aber was kann am „Verstehen“ so falsch sein?

Die Erklärung ist so einfach und plump: Meinungsmache. Die gleichen Phrasen, die von der rechten Szene genutzt werden, kommen auch bei unseren Leitmedien und Politikern zum Einsatz. Eine ausgewogene und umfassende Berichterstattung ist nicht gewünscht, denn unser „großer Bruder“ Amerika gibt die Richtung vor (siehe hier). Kürzlich haben sich deshalb 60 Prominente für eine weniger hetzerische Berichterstattung zusammengefunden. Prominente, die in den Medien erscheinen, wenn Sie falsch parken oder oben ohne am Strand liegen. Aber dieser Aufruf verhallte ungehört, da dies nicht der hetzerischen Meinung unserer Leitmedien entspricht (Stefan Niggemeier berichtete in seinem Blog).

Alle Fakten, die nicht aus plumpen und inszenierten YouTube-Videos bestehen, werden konsequent ignoriert (NATO-Osterweiterung zeigt einen anderen Aggressor als Russland, US Abgeordnete Nuland über die 5 Milliarden Investitionen in der Ukraine oder Aussagen zum Demokratieverständnis der USA von ehemaligen US-Regierungsmitgliedern). Das sind alles konkrete Fakten und Aussagen, keine Meinungen. Aber auch versierte Meinungen von deutschen Professorinnen der Politikwissenschaft finden nicht den Weg in die Leitmedien, so wie beispielsweise dieser Beitrag auf Telepolis. Die Kritiken von Gabriele Krone-Schmalz lasse ich hier als „Meinung“ mal außen vor, obgleich sie mitten rein gehören.

Passend an dieser Stelle möchte ich noch einen 316 seitigen Sammelband erwähnen (danke, Karl), der sich mit eben dieser Schieflage beschäftigt: „Ukraine im Visier – Russlands Nachbar als Zielscheibe geostrategischer Interessen“ (ISBN 978-3-9816963-0-1) von Ronald Thoden & Sabine Schiffer (Hrsg.), im Selbrund Verlag erschienen.

Kurz gesagt: Ich werde zwar genauso mit falscher Propaganda zugeschüttet wie die US-Amerikaner, aber ein Bild kann man sich dank der weltweiten Vernetzung ja selbst machen. Noch …

Print Friendly, PDF & Email

Dirk

Jahrgang 1974, in erster Linie Teil dieser Welt und bewusst nicht fragmentiert und kategorisiert in Hamburger, Deutscher, Mann oder gar Mensch. Als selbstständiger IT-Dienstleister (Rechen-Leistung) immer an dem Inhalt und der Struktur von Informationen interessiert und leidenschaftlich gerne Spiegel für sich selbst und andere (als Vater von drei Kindern kommt dies auch familiär häufig zum Einsatz). Seit vielen Jahren überzeugter Vegetarier und trotzdem der Meinung: „Alles hat zwei Seiten, auch die Wurst hat zwei!“

Schreibe einen Kommentar