Pegida

Die Pegida-Demonstrationen (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) sind ja zurzeit in aller Munde, und zum Glück formiert sich ja auch mittlerweile eine Gegenbewegung, die ihre Ablehnung dieses fremdenfeindlichen Gedankengutes in unterschiedlichsten Protestformen auf die Straße und in die sozialen Medien trägt. Für viele, so habe ich den Eindruck aufgrund des Äußerungen von Politik und Medien, kommen diese Pegida-Demonstrationen nun aus relativ heiterem Himmel, und man gibt sich überrascht ob dieser deutlichen und auch (zumindest in Dresden) von vielen Menschen unterstützten Bewegung. Mich selbst verwundert das Aufkommen von Pegida hingegen nicht wirklich, und nachdem ich heute das Interview mit der Medienkritikerin sowie Sprach- und Islamwissenschaftlerin Sabine Schiffer auf den Nachdenkseiten gelesen habe, bietet sich das geschlossene Bild einer kontinuierlichen und durchaus beabsichtigten Entwicklung.

Hier auf unterströmt habe ich ja schon seit einigen Monaten immer wieder auf deutliche Anzeichen eines Rechtsrucks in der deutschen Gesellschaft hingewiesen und hinterfragt, woher dieser kommt (s. hier und hier). Zusammen mit den Aussagen von Sabine Schiffer in dem Interview ergibt sich da m. E. ein recht schlüssiges Bild: Die antiislamische Stimmung wurde nicht in erster Linie über rechtsextreme Kanäle verbreitet (wie man beispielsweise aufgrund der HoGeSa-Demo in Köln den Eindruck bekommen könnte), sondern durch bürgerliche Medien, die sich eher der politischen Mitte zuordnen. Neben den von Sabine Schiffer genannten Beispielen sticht hier auch (mal wieder) in unangenehmer Weise die BILD-Zeitung hervor, wie BILDblog hier und hier berichtet. Genau diese Falschmeldungen von BILD (angebliches Verbot der Weihnachtsmärkte in Berlin und angebliche Politikerforderung, in christlichen Weihnachtsgottesdiensten muslimische Lieder zu singen) finden sich ja immer wieder in Aussagen von Pegida-Anhängern und -Sympathisanten wieder und werden als Begründung dafür herangezogen, dass Deutschland mit der Gefahr einer Islamisierung konfrontiert sei. (Absurderweise schimpfen die Pegida-Leute zwar gern auf die sogenannte „Lügenpresse“, übernehmen aber gerade, wenn es denn ins eigene Weltbild passt, nur allzu gern Falschmeldungen des wohl größten „Lügenblattes“ Deutschlands vollkommen ungefiltert.) Aber auch auf subtilere Art, nämlich in vermeintlichen Unterhaltungssendungen, finden sich immer wieder scherzhaft gemeinte Beiträge, die diese diffuse und unberechtigte Angst befördern, so zum Beispiel in diesem NDR-Beitrag, in dem eine salafistische Tagesschau aus dem Jahr 2018 persifliert wird, oder durch die Zoten von Dieter Nuhr (dazu habe ich hier ja schon mal ausführlich etwas geschrieben).

Dazu gesellt sich dann noch ganz offen geäußerter Antiislamismus durch Hetzautoren wie Akif Pirincci und Thilo Sarrazin, die dann mit ihren Werken vermeintlich gute Argumente und wissenschaftliche Unterfütterung des muslimfeindlichen Denkens liefern, oder auch von Rechtsextremen im bürgerlich-liberalen Gewand wie Henryk M. Broder, der nicht nur mit seinem Portal Die Achse des Guten Islamfeinden eine Plattform bietet, sondern selbst auch regelmäßig beispielsweise in Springers Welt gegen Moslems wettert. Als weitere Zutat kommt noch ein in den letzten Jahren gerade anhand von Fußballevents stetig stärker werdender deutscher Patriotismus (zu dessen Inszenierung und politischer Nutzung habe ich mir hier und hier schon mal ausführlich Gedanken gemacht) hinzu, in dessen Zuge es zunehmend hoffähiger wurde, sich entsprechend nationalchauvinistisch und sogar mit eindeutig rechtsextreme Gesten, wie zum Beispiel dem Hitlergruß, dem Schwenken der Reichskriegsfahne oder „Sieg heil!“-Rufen, in der Regel unsanktioniert im Partytaumel in der Öffentlichkeit zu äußern.

Götz Eisenberg schildert in seinem heute auf den Nachdenkseiten erschienenen sehr lesenswerten Beitrag Der Extremismus der Mitte, in welcher Form der Rassismus und faschistische Einstellungen in Deutschland im bürgerlichen Milieu mehr oder weniger schon länger latent vorhanden waren – und nun bekommen diese Ressentiments, die zuvor meistens nur verschämt und im engsten Bekanntenkreis geäußert wurden, stets neues Futter aus einer nicht schmuddeligen Ecke, nämlich von Mainstream-Medien und Beststeller-Autoren, sodass sich eine „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen“-Haltung Bahn bricht. Genau dieses Ausdrucksbedürfnis bedient Pegida nun, und in der Masse fühlt sich der eigene Rassismus dann gleich noch einmal deutlich richtiger an. Dass sich die meisten Pegida-Teilnehmer daher nicht als rechtsextrem oder gar als Nazis einstufen würden, liegt vor diesen geschilderten Hintergründen auf der Hand, denn offensichtliche Nazis und deren Organe sind etwas, mit dem diese Menschen zuvor keinen bewussten Umgang hatten.

Bleibt die Frage, warum die Sprachrohre des Establishments eine derartige Stimmung angeheizt und somit Pegida letztlich erst ermöglicht haben. Nun, mir fallen da einige Dinge ein, zum Beispiel, dass diese ganze Pegida-Sache gerade eine willkommene Ablenkung von den CETA- und TTIP-Verhandlungen ist, da diese Abkommen ja doch einiges an zunehmendem Protest provoziert haben in den letzten Monaten. Zudem: Wenn der „Pöbel“ sich gegenseitig an die Gurgel geht, wird verhindert, dass die Menschen mal anfangen nachzudenken, wer denn eigentlich für die wahrgenommenen Missstände verantwortlich ist – die Flüchtlinge haben nämlich zum Beispiel mitnichten die zunehmende Altersarmut in Deutschland zu verantworten, auch wenn dies von Pegida-Anhängern immer wieder gern in einen Topf geschmissen wird: „Die Ausländer kriegen alles in den Hintern geschoben, und die deutschen Rentner haben immer weniger!“ Eine gespaltene Gesellschaft ist eben mit sich selbst beschäftigt und kann so leichter beherrscht werden – insofern wird dieses Phänomen Pegida von großen Teilen der sogenannten „Eliten“ bestimmt durchaus ganz gern gesehen. Die Langzeitfolgen, dass nämlich mit einem weiteren Rechtsruck der deutschen Gesellschaft sowie der Etablierung rassistischen, fremdenfeindlichen Gedankenguts im politischen Diskurs der sogenannten „bürgerlichen Mitte“, gerechnet werden muss, werden dabei dann billigend in Kauf genommen.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

5 Gedanken zu „Pegida“

  1. Gerade noch diesen Artikel bei Meedia gesehen: Da schafft es die Welt ja anscheinend, sich mit ein paar launigen Antworten auf dumpfbackige Kommentare ein gutes Image zu verschaffen. Und dann darf Broder in der Welt demnächst wieder schön gegen den Islam wettern, mal von solchen oben geschilderten Meldungen der BILD aus dem gleichen Verlagshaus ganz abgesehen, die ja anscheinend auch nur das eine Ziel haben, nämlich Stimmung gegen Moslems und Ausländer zu machen. Wie verlogen und heuchlerisch ist das denn bitte?

    Ein pfiffiger Social-Media-Praktikant macht eben noch keinen integeren, seriösen Journalismus aus. Aber es scheint ja auszureichen, dass viele darauf abfahren. Insofern: clever gemacht – aber trotzdem widerlich, wie ich finde.

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