Syrizas Wahlsieg

Am Sonntag ist die Partei Syriza als klarer Sieger aus den Wahlen in Griechenland hervorgegangen. Das ist durchaus ein revolutionäres Ergebnis, denn bisher wurden die demokratisch gewählten Regierungen nach dem Ende der Diktatur in Griechenland immer von der Nea Demokratie oder der Pasok angeführt, die das allenthalben zu Recht kritisierte System von Korruption und Ämterpatronage nicht nur etabliert, sondern auch konsequent gepflegt haben. Was ist nun von der neuen griechischen Regierung zu erwarten?

Nun, wenn man den deutschen Medien, die ja schon im Vorfeld der Wahl mit Unterstützung einiger Politiker kräftig gegen Syriza angeschrieben haben (s. hier und hier zu dem Thema), glaubt, dann dürfte sich da nicht allzu viel tun (s. Berichte auf Spiegel Online und im Stern), es würde halt mehr oder weniger der gleiche Kurs wie bisher, nur eben mit leichten Modifikationen, fortgeführt werden. Die FAZ  bemüht sogar den griechischen Soziologen Michael Kelpanides und lässt diesen im Interview verkünden, dass Syriza für die Rückkehr zur Korruption stünde – als wenn diese denn überhaupt schon wirksam bekämpft worden wäre in Griechenland! Was von diesem Interview zu halten ist, sieht man spätestens an der dort von Kelpanides getroffenen Aussage:

Die Bürger der starken, solide wirtschaftenden Staaten beginnen zu begreifen, dass sie für die Misswirtschaft und die Korruption der Länder des Südens aufzukommen haben.

Das ist natürlich ausgesprochen primitiv und lässt jede Betrachtung der Ursachen für die derzeitige Krise in der EU außen vor – selbst in den USA ist es mittlerweile ja angekommen, dass ein wesentlicher Grund für die Schieflage in der Eurozone die deutsche Lohndumping-Politik ist, und auch die Milliarden, die für die Bankenrettung ausgegeben wurden, werden von Kelpanides einfach mal beiseitegelassen, obwohl diese der Auslöser für den starken Anstieg der Staatsdefizite waren. Hier wird also ganz im Sinne der üblichen Propaganda, die die Krise der Finanzmärkte zu einer Staatsschuldenkrise umdeutete, agiert, dabei wird dann mit einen so undifferenzierten Begriff wie „Misswirtschaft“ argumentiert und auch noch so getan, als gäbe es Korruption nur in Südeuropa und nicht in Ländern wie Deutschland.

Natürlich sind von Alexis Tsipras nun nicht gleich Wunderdinge zu erwarten, aber wenn er angekündigt hat, beispielsweise die Reichen im Land stärker zu besteuern, dann ist das m. E. schon mal ein besserer Weg, die griechischen Finanzen zu konsolidieren, als immer nur bei denen weiter Einsparungen zu fordern, die sowieso schon am Existenzminimum rumkrebsen. Nachdem Griechenland nun durch die vor allem durch Merkel-Deutschland diktierte Austeritätspolitik (immer wieder gern auch in den oben verlinkten Artikeln mit den irreführenden Begriffen „Sparen“ und „Reformen“ verbrämt) vollkommen heruntergewirtschaftet und wichtige Infrastruktur, wie beispielsweise das Gesundheitswesen, zerstört wurde, sollte es doch nun vielleicht mal an der Zeit sein, einen komplett anderen Weg einzuschlagen. Wie der aussehen könnte, darüber kann man ja gern spekulieren, aber das, was die deutschen Medien da überwiegend zu bieten haben, geht nur in eine (und, wie ich finde, erschreckend menschenverachtende) Richtung: Erst kommt das Finanzielle, und was mit den Menschen wird, ist relativ egal. Sollte es nicht eigentlich umgekehrt sein, dass Geld ein Mittel ist, um den Menschen zu dienen und ihr Leben zu verbessern, da es den Tausch von waren erleichtert? Für den deutschen medialen Mainstream scheint das allerdings nicht so zu sein, denn die von Not, Elend und Verarmung geprägte Situation der Menschen in Griechenland findet keine Erwähnung, es geht in den Artikeln vor allem darum, wie Griechenland seine Schulden wird bezahlen können.

Was ist hier nun von Tsipras und Syriza zu erwarten? Natürlich muss sich die neue Regierung in einem Rahmen bewegen, der vorgegeben ist, aber vielleicht gelingt es ihr ja, Veränderungen herbeizuführen (so wie die oben schon angesprochene stärkere Besteuerung von Vermögenden), die tatsächlich positive Effekte im Land bewirken. Dabei wird dann natürlich die ganze Politik und Journaille der anderen EU-Staaten, die komplett dem Austerisierungswahn verfallen sind, Zeter und Mordio schreien und versuchen, entsprechenden Druck aufzubauen, damit es nicht zu einer solchen andere Politik, die das Wohlergehen der Menschen im Fokus hat, kommt. Wie standhaft kann da also ein „kleines“ Land wie Griechenland bleiben? Dies wird m. E. die entscheidende Frage sein, die auch darüber entscheiden wird, ob Syriza nur ein einmaliges Kapitel oder eine dauerhafte Alternative zu einer marktradikalen Politik wird.

Da mit Francois Hollande ein anderer zunächst mal mit großen Hoffnungen besetzter Politiker innerhalb kürzester Zeit komplett entzaubert und in den marktradikalen politischen Konsens eingebunden wurde, bin ich nur vorsichtig optimistisch. Andererseits: In Griechenland wurde so viel zerstört in den letzen Jahren, das Land liegt dermaßen am Boden, dass es eigentlich kaum noch schlimmer werden kann. Dies könnte zu einer größeren Standhaftigkeit der Syriza-Regierung gegen die von Merkel dominierten restlichen Eurostaaten führen. Zudem könnte es in Spanien mit der Podemos bald eine ähnlich orientierte Bewegung in Regierungsverantwortung geben, sodass Syriza nicht mehr allein dastünde. Bedenklich stimmt mich hingegen, dass die nötigen Koalitionsstimmen von der rechtspopulisitschen Partei der Unabhängigen Griechen kommen werden, wobei ich bisher eben auch nicht weiß, wofür diese eigentlich genau stehen, sondern hier nur heute die Meldungen über dieses Bündnis gelesen habe. Hier wird man abwarten müssen, wie sich der Einfluss des Koalitionspartners bemerkbar machen wird.

Zum Schluss noch der Verweis auf zwei interessante Links zum Thema:

Heiner Flassbeck stellt auf seiner Webseite flassbeck-economics die Frage: Griechenland hat gewählt, aber hat die neue Regierung eine Wahl? Hier findet sich ein wirtschaftlich fundierter Blick auf die griechische Situation.

Und auf der Webseite von Radio Korfu findet sich ein offener Brief von Alexis Tsipras an die deutschen Leser des Handelblattes vom 13. Januar 2015, also von vor der Wahl.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

5 Gedanken zu „Syrizas Wahlsieg“

  1. Ein Artikel von Gregor Kritidis und Patrick Schreiner auf annotazioni.de setzt sich ausführlich mit der neuen Regierungskoalition in Griechenland auseinander und weist nach, warum ANEL, zwar durchaus als politisch sehr unappetitlich zu bezeichnen ist, aber dennoch als einziger Partner für Syriza infrage kommt. Dabei wird auch auf spezifisch griechische Aspekte eingegangen. Sehr interessant, vor allem vor dem Hintergrund der momentanen massiven Häme der deutschen Medien und Politiker gegenüber Syriza und auch Der Linken wegen dieser Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten von ANEL.

  2. Auch der Griechenlandexperte der Nachdenkseiten Niels Kadritzke bietet in einem längeren Artikel eine interessante Analyse und Spekulationen über die Hintergründe des neuen griechischen Regierungsbündnisses. Zusammen mit dem im vorherigen Kommentar verlinkten Artikel von annotazioni.de ergibt sich da m. E. schon mal ein einigermaßen schlüssiges Bild.

  3. Und noch ein interessanter Artikel zu diesem Thema, diesmal von Peter Novak auf Telepolis. Hier werden nicht nur die bisher beschlossenen Maßnahmen der neuen Regierung, um die Not der griechischen Bevölkerung zu lindern, beschrieben, sondern es wird auch die Reaktion deutscher Politik und Medien kritisch beleuchtet.

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