Nordic Giants: A Séance Of Dark Delusions

Nordic Giants sind eine rätselhafte Band: Die beiden Musiker treten live nur so maskiert auf, dass man kaum was von ihnen erkennt, und auch das Booklet zur ersten Fulltime-CD (nach zwei EPs) gibt keine weiteren Auskünfte darüber, wer denn hinter der Musik steckt (ebenso wenig übrigens wie das Making-of, was auf der DVD zu sehen ist, die der CD beiliegt). So muss die Musik also komplett für sich allein sprechen, und das tut sie auch.

Die überwiegend instrumental gehaltenen Kompositionen wurzeln zwar ziemlich deutlich im Postrock, haben aber starken filmmusikalischen Charakter: Synthie-Flächen, mal dezent elektronische, dann wieder wuchtige Drums, melodiöse Klavierakzente, zuweilen ein wenig E-Gitarre oder sogar verhallte Trompete, das Ganze stets sehr atmosphärisch arrangiert, mitunter mit Sprachsamples versehen (so zum Beispiel beim Song Evolve Or Perish) oder von Gastsängerinnen (Rapture, Give Flight To The Imagination, Futures Dark) und -sängern (Dissolve) veredelt, was den Songs dann eine durchaus etwas poppigere Komponente verleiht. Die Grundstimmung ist allerdings immer eher melancholisch geprägt.

Das Besondere dabei: Die visuelle Umsetzung ist Teil des Konzepts, der Soundtrack ist also nicht nur fürs Kopfkino geplant. Wenn die Band live spielt (die Live-Performance von Spirit ist auf der zum Album gehörenden DVD zu sehen), werden zu jedem Song auf einer großen Leinwand Kurzfilme gezeigt, die dann von der Musik vertont werden. Gastsänger werden auf einem weiteren Bildschirm gezeigt und bekommen so ebenfalls eine Präsenz, obwohl deren Parts natürlich nur vom Rechner kommen. Das ist in jedem Fall ausgesprochen sehenswert, ich habe Nordic Giants im Januar als Vorgruppe von Solstafir gesehen, und wie die Zuschauer am Ende des Sets diese ihnen bis dahin weitgehend unbekannte Gruppe, die zudem noch mit einer ganz anderen Art Musik als der Hauptact aufwartete, abgefeiert haben, habe ich so bisher noch nicht erlebt. Wer also die Gelegenheit hat, die Band mal live zusehen: unbedingt hingehen!

Doch auch der Tonträger bietet genug Qualität, um sich daran zu erfreuen, und auf der DVD finden sich auch noch weitere optische Leckerbissen, so nämlich die Videos zu The Last Breath, Year Zero (sehr apokalyptisch) und dem wunderschönen ShineDiese Songs finden sich allesamt nicht auf der Audio-CD und sind insofern nicht nur ein visueller Bonus.

Vergleiche fallen mir, ehrlich gesagt, etwas schwer, da die beiden Jungs von Nordic Giants ein sehr eigenes Konzept verfolgen. Die Atmosphäre erinnert mich zuweilen an Sigur Ros, wobei natürlich deren prägnanter Gesang fehlt, und instrumentale Postrock-Bands sind zumeist deutliche gitarrenlastiger. Am besten mal in die oben verlinkten Songs reinhören, denn auch wenn die beide mit Gesang sind, bekommt man schon so in etwa einen Eindruck, was einen erwartet. In jedem Fall ist das Musik, die sich nicht schnell abnutzt, da man auch beim wiederholten Hören stets neue Nuancen entdecken kann – oder eben einfach ein bisschen per Kopfkino zu den Songs durch die Gegend driftet …

Print Friendly, PDF & Email

Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Schreibe einen Kommentar