Merkels Imagepflege

Angela Merkel gab sich die Ehre, bei Anne Will über die sogenannte Flüchtlingskrise zu parlieren, und sie gab sich dabei, wie exemplarisch aus einem Artikel dazu in der Süddeutschen Zeitung hervorgeht, optimistisch, menschlich, freundlich. „Wir schaffen das“ ist ihr Mantra, und da mag ihr ja eigentlich nur widersprechen, wer auch Pegida für eine gute Sache hält. Und wie zu erwarten, erhält Merkel auch viel Lob für ihren Auftritt – doch mit einer Änderung der Politik ist trotzdem nicht zu rechnen. Vielmehr handelt es sich meines Erachtens dabei um ganz gezielte Imagepflege, und die verfängt auch tatsächlich bei einem großen Teil der Bevölkerung.

Erinnert sich noch jemand an das von Merkel getätschelte Flüchtlingskind Reem? Nach anfänglicher Empörung über diese herablassende Geste der Kanzlerin wurde schnell vonseiten vieler Medien das Loblied auf die menschliche, einfühlsame Angela Merkel gesungen. Dabei war der entscheidende Moment dieser Szenerie eigentlich kurz zuvor: Recht kalt und aalglatt doziert Angela Merkel vor den Schulkindern nach dem Vortrag von Reem, die fürchtet, mit ihrer Familie abgeschoben zu werden, im besten NPD-Sprech, dass Deutschland ja nun nicht alles und jeden aufnehmen könne. Als das Mädchen daraufhin zu weinen anfing, wurde der Kanzlerin klar, welchen Fehler sie begangen hat, also versuchte sie es (in Ermangelung anwesender Berater und unter großem Druck stehend, was man daran erkannte, wie sie den Moderator der Sendung anfauchte, als dieser einen kritischen Einwand vorzubringen wagte) auf täppische Art und Weise wieder geradezurücken. Das Bild einer hartherzigen, berechnenden und kalt-technokratischen Frau ist nicht das, was der Deutsche von seiner Kanzlerin haben soll. „Mutti“ ist ja nicht von ungefähr ihr Spitzname, wenngleich oft mit ironischem Unterton versehen.

Normalerweise hat Merkel ja auch für die unangenehme Drecksarbeit ihre Kettenhunde. Innenminister de Maizière marodiert gerade verbal täglich mit neuen Ausfällen und Unsachlichkeiten gegen Flüchtlinge, Schäuble hat den harten Hund gegen die Griechen gegeben, und wenn alle Stricke reißen, dann ist immer noch Verlass auf die Schwesterpartei aus Bayern, die sich ja auch für keine Unappetitlichkeit zu schade ist. Selbst kleinere Lichter in der Partei hauen da gern mal einen raus, so wie Joachim Pfeiffer (genau, derjenige, der die Proteste gegen TTIP als „Empörungsindustrie“ abwertete und somit der Zivilgesellschaft jedes politische Verständnis absprach), der doch tatsächlich fordert, wie bei abgeordnetenwatch.de nachzulesen (leider nicht mehr online verfügbar):

Die Zeiten haben sich aber grundlegend geändert, Deutschland kann nicht quasi die ganze Welt bei sich aufnehmen. Deshalb plädiere ich persönlich für eine Grundgesetzänderung, die das subjektive Grundrecht auf Asyl durch ein Gnadenrecht des Staates ersetzt. Nur so können wir politisch entscheiden, wen wir wann, wie und in welcher Zahl aus religiös-politischen, humanitären oder sonstigen Gründen, z.B. Fachkräftegewinnung, aufnehmen.

Da jublet nicht nur der Rechtsaußen, auch die Wirtschaftslobbyisten dürften solche Aussagen mit Wohlwollen aufnehmen. Allerdings passt so was eben nicht zum Bild, was Angela Merkel gern als treusorgend Staatslenkerin von sich in den Köpfen der Deutschen verankert wissen möchte. Und so wird dann also ein innerparteilicher Konflikt herbeigeschrieben, wie hier in der Süddeutschen Zeitung:

Diesmal steht Angela Merkel ziemlich alleine da. Ihre Partei ist in weiten Teilen gegen sie. Die CDU-Basis vor allem, die bisher ihre Macht stützte, egal was da kam. Ihr Kabinett wackelt. Innenminister Thomas de Maizière macht klar, dass er so ganz überzeugt nicht ist von der „Wir schaffen das“-Lyrik seiner Chefin. Die Schwesterpartei CSU macht Druck. Und die Umfragen für sie persönlich und ihre Partei sacken ab.

Dabei ist doch offensichtlich, worum es hier geht: Natürlich wird vonseiten der CDU (und auch von Merkel) eine restriktive Politik praktiziert, was die Flüchtlinge angeht, die gerade beschlossene Verschärfung des Asylrechts ist ja ein reichlich deutlicher Beleg dafür. Doch ist es eben wichtig, diese in weiten Teilen der Bevölkerung unpopuläre Politik von der Bundeskanzlerin zu trennen, da dies ihrem Image schaden könnte. Schließlich basiert der Erfolg der CDU in den letzten Jahren ausschließlich auf der Person Angela Merkel. Die Menschen verbinden eine Politik, die sie eigentlich ablehnen, nicht mit Merkel, also wählen sie die von den meisten Medien gnadenlos hofierte Kanzlerin und machen demzufolge ihr Kreuzchen bei der CDU. Wie sehr dieses Prinzip mittlerweile die Öffentlichkeitsarbeit der CDU bestimmt, konnte man bei der letzten Europawahl beobachten, als überall Angela Merkel schön photogeshopt von Wahlplakaten lächelte – obwohl sie doch gar nicht zur Wahl stand. Aber etwas anderes hat die CDU auch nicht zu bieten, und das Pfund Merkel wiegt mächtig und zieht eben die nötigen Stimmen. Wie dumm wäre es da also, die Kanzlerin zu besudeln oder gar zu diskreditieren, indem man sie anderes als Wohlfühlparolen proklamieren ließe? Die Drecksarbeit, die dann allerdings die realpolitischen Auswirkungen hat, lässt man dann lieber andere machen …

Wer also tatsächlich meint, Angela Merkel wäre fürsorglich, und sie tatsächlich für den Friedensnobelpreis in Erwägung zieht (wie hier auf unterströmt geschildert), der hat das System Merkel einfach nicht verstanden. Diese Frau ist in erster Linie an ihrer eigenen Macht interessiert, Flüchtlinge sind ihr vollkommen egal und nur insofern interessant, als dass sie als Vehikel für ihre eigene Imagepflege dienen können. So erklärt sich auch das lange (und durchaus kritisch aufgenommene) Zögern der Kanzlerin, sich zur derzeitigen Flüchtlingssituation zu äußern: Sie musste einfach erst mal abwarten, wo der Hase langläuft, und als dann zu beobachten war, dass eine Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft die Zivilgesellschaft erfasste, sprang sie schnell auf diesen Zug auf und präsentierte sich als eine Art Mutter Teresa, die eigentlich jeden gern ins Land lassen würde. Das Wiedereinführen der Grenzkontrollen hat sie dann schön wieder einem ihrer Schergen überlassen …

Print Friendly, PDF & Email

Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

11 Gedanken zu „Merkels Imagepflege“

  1. Und weiter geht’s nach genau diesem Muster: Deutschland schickt Soldaten in den Krieg gegen den IS nach Syrien, und was macht Merkel? Gar nichts, keine Worte an die Bevölkerung, keine Regierungserklärung, kein deutliches Statement dazu – einfach mal wieder nur schweigen.

    Klar, dieser Krieg droht ja auch extrem unangenehm zu werden, da sollen die Wähler eben keine Verbindung zu Merkel herstellen können. So leicht zu durchschauen, oder?

  2. Aktuell wurden gerade zwei neue PR-Maßnahmen gestartet, die dabei helfen sollen, genau das Image von Merkel als jemand, der sich um die Bürgerinteressen sorgt und kümmert, weiter aufrechtzuerhalten: ein inszenierter Bürgerdialog sowie ein pfiffig-jovialer Facebook-Auftritt der Bundesregierung, der reichlich auf die Person Angela Merkel zugeschnitten ist. Wichtig in Zeiten, in denen unpopuläre Entscheidungen gefällt werden und destruktive Politik gemacht wird, denn dieses wird dann garantiert eben wieder nicht von Merkel selbst präsentiert oder kommentiert.

  3. Es wird immer deutlicher, dass es Merkel bei ihrer immer noch (auch aus eher linken Kreisen) viel gelobten Haltung in der Flüchtlingspolitik nicht um Inhalte, sondern nur ums Image geht. Aus einem Artikel der Sächsischen Zeitung geht nun hervor, dass sie mittlerweile andere Töne anschlägt und schon mal deutlich ein Stück weit zurückrudert, wenn sie betont, dass fast alle Flüchtlinge nur einen auf drei Jahre befristeten Aufenthaltsstatus haben und nach dem Ende des Bürgerkriegs wieder in ihr Land zurückkehren müssten.
    Dass dies die meisten syrischen Flüchtlinge sowieso vorhatten, ist eine andere Sache, aber auf diese Weise biedert sich Merkel nun an den immer deutlicher zu spürenden Rechtsruck an. Petry und von Storch von der AfD schießen sich mit ihren Äußerungen, Flüchtlinge notfalls mit Schusswaffengewalt an der Grenze abzuwehren, ein Eigentor und ein Stück weit selbst ins Abseits, und schon ist Merkel zur Stelle, um die AfD-Wähler, denen solche Äußerungen des AfD-Führungspersonals dann vielleicht auch zu weit gehen, wieder einzufangen. So einfach zu durchschauen und trotzdem so effektiv – es wirft kein gutes Licht auf deutsche Medien und Öffentlichkeit, dass sie sich in weiten Teilen so von Merkel am Nasenring durch die politische Manege führen lassen.

  4. Tja, nun ist es anscheinend vorbei, nachdem Merkel genug (unverdienten) Applaus einstreichen konnte von linker Seite, nun schwenkt sie verbal auf ihrer Parteilinie ein und beendet die Willkommenskultur, wie ein Artikel im Spiegel zeigt: Die Flüchtlinge sollen gefälligst in Griechenland bleiben, Flucht sei kein Wunschkonzert, und bald würde ja eh die NATO in der Ägäis dafür sorgen, dass nicht mehr so viele in Griechenland stranden.

  5. Ein Kommentar von Thomas Eipeldauer für Hintergrund zeigt ebenfalls auf, dass Merkels humanistisches Image, dass sie sich durch ihre Aussagen in den letzten Monaten in Bezug auf die Flüchtlingspolitik zugelegt hat, nicht mit dem tatsächlichen Handeln der von ihr angeführten Regierungskoalition zu tun hat und nur deshalb so moderat wirkt, weil der Ton des politischen Diskurses immer weiter in Richtung rechts eskaliert ist.

  6. Es wird immer deutlicher, dass es Merkel in der Tat nicht um eine humanitäre Haltung ging, sondern um reine Imagepflege. Georg Restle von des ARD-Magazins Monitor schreibt heute sehr treffend auf der Facebook-Präsenz der Sendung:

    Merkels Völkerrechtsbruch
    Es gab mal eine Kanzlerin, die wurde weltweit gefeiert für ihre Humanität und die Unbeirrbarkeit ihrer Flüchtlingspolitik. Sie wurde in Talkshows hofiert und von der kulturellen Elite des Landes gegen alle Kritiker von Rechts(außen) in Schutz genommen. Aus und vorbei. Die heutige Kritik der Vereinten Nationen am geplanten Abschiebe-Pakt mit der Türkei ist jedenfalls unmissverständlich:
    Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte hält „kollektive und willkürliche Abschiebungen“ von Flüchtlingen in die Türkei für „illegal“. Einreisebeschränkungen ohne Prüfung der einzelnen Flüchtlinge seien eine „Verletzung internationalen und europäischen Rechts“. Deutlicher geht’s wohl nicht. Und trotzdem hält Angela Merkel an ihren Plänen fest.
    Pläne, die nichts anderes sind als ein schmutziger Deal mit einem schmutzigen Partner: Ein offensichtlicher Bruch des internationalen Rechts. Ein Pakt mit einem Land, das meilenweit entfernt ist von europäischen Menschenrechtsstandards. Ein Land, in dem Menschen politisch verfolgt werden, als Außenposten für deutsches und europäisches Asylrecht.
    Mit Humanität hat das alles nur wenig zu tun. Dafür sollte man diese Kanzlerin genau so scharf kritisieren, wie es der UN-Hochkommissar heute getan hat. Statt den PR-Kampagnen aus dem Kanzleramt weiterhin auf den Leim zu gehen.
    Georg Restle

  7. Und auch im Spiegel kommt Stefan Kuzmany in einem Kommentar zu der Erkenntnis, dass es wohl doch nicht so richtig weit her ist mit Merkels vermeintlicher Willkommensrhetorik gegenüber Flüchtlingen. Schön, wie er dabei die linken Lobhudeleien für Merkel erwähnt, allerdings nicht beachtet, dass das Ganze nun kein Umfallen und keine Kraftlosigkeit von Merkel ist, sondern vielmehr Kalkül gewesen zu sein scheint, um das Image opportunistisch an aktuellen Stimmungslagen auszurichten, soweit es eben menschenverachtende CDU-Politk zulässt.

  8. Und Merkel spielt ihr Spiel weiter – und fast alle fallen darauf rein, wie man an einem Artikel auf Spiegel online und die Reaktionen darauf sehen kann.

    Neben ein paar allgemeinen Floskeln zur Wahrung ihres Images kommen dann nämlich die inhaltlich konkreten Dinge, die nicht so richtig angenehm sind: mehr Überwachung, Bundeswehreinsätze im Inland und Lockerung der Abschiebepraxis, also eine weitere Verschärfung des Asylrechts.

    Dass sie dann quasi nebenbei noch TTIP lobt und den Bundeswehreinsatz im Ausland rechtfertigt, zeigt, dass es ihr nicht im geringsten darum geht, Fluchtursachen zu bekämpfen, denn diese werden durch genau solche Dinge nur noch verschärft.

    Und für Erdogan, der gerade die Demokratie abschafft in der Türkei, gibt es nur ein bisschen „Du, du, du …“ – und das war’s.

    Schon grotesk, wenn man sich vor Augen hält, wofür Sahra Wagenknecht gerade von den gleichen Menschen aus dem eher linken Spektrum massiv angefeindet wird, die für Merkel nun wieder nur lobende Worte übrig haben werden.

  9. Nun kommt auch die Zeit langsam dahinter, was die Auswirkungen von Merkels vermeintlich flüchtlingsfreundlicher Politik sind, indem es in einem Artikel um neue Sympathisanten der Kanzlerin geht, die eben genau auf das vor gut einem Jahr aufgebaute Image abfahren und deswegen überlegen, nun auch mal die CDU zu wählen.

    Das hätte ja eigentlich jedem klar sein können bei ein bisschen Überlegung, nur haben ja gerade Medien und Personen, die man eher dem linken Lager zuordnen würden, das Loblied auf unsere humane Flüchtlingskanzlerin immer und immer wieder angestimmt.

    Ich frage mich dabei: Sind diese Menschen dann schon so korrumpiert oder tatsächlich dermaßen mit Blindheit geschlagen? Wenn mir das als Freizeit-Blogger mit Vollzeitjob schon so ins Auge springt, dann sollten doch die „Profis“ der schreibenden Zunft erst recht dahinterkommen, oder?

    Und auch die Frage in dem Artikel

    Wie soll sie alle diese neuen Sympathisanten, aber auch die Merkel-Anhänger in den eigenen Reihen, darunter viele kirchlich gebundene Menschen, halten und gleichzeitig rechte Wähler zurückgewinnen?

    ist ja nun recht einfach zu beantworten (und darauf habe ich hier in einem unterströmt-Artikel auch schon hingewiesen): Die CDU muss diese Wähler überhaupt nicht zurückgewinnen, da diese nun eben die AfD wählen. Der Boden für eine Koalition mit der Rechtspartei wird ja durch immer mehr positive Stimmen aus den Reihen der CDU schon mal langsam bereitet, und mit einer Koalition (dürfte spätestens in vier, fünf Jahren der Fall sein) werden die „verlorenen Schäfchen“ dann halt wieder eingefangen.

Schreibe einen Kommentar