The Woodsman – Der Dämon in mir

Mehr oder weniger durch Zufall bin ich auf den nun ja immerhin schon gut zehn Jahre alten Film The Woodsman (87 Min.) gestoßen, der mich ausgesprochen beeindruckt hat. Das Thema ist ein sehr brisantes, nämlich sexueller Missbrauch von Kindern, jedoch gelingt es Regisseurin Nicole Kassell, die auch fürs Skript mitverantwortlich zeichnet, jenseits von Klischees einen beklemmenden und intensiven Film zu schaffen, der von einer absolut brillanten schauspielerischen Leistung von Kevin Bacon gekrönt wird.

Kassell rückt nämlich nicht die Opferperspektive in den Mittelpunkt der Handlung, sondern den Täter Walter, der von Kevin Bacon dargestellt wird. Dieser kommt nach zwölf Jahren aus dem Gefängnis, wo er wegen Missbrauchs Minderjähriger eingesessen hat (was genau vorgefallen ist, erfährt der Zuschauer allerdings nicht). Nun versucht Walter, in der Welt außerhalb des Knasts wieder Fuß zu fassen, was ihm ob seiner Stigmatisierung nicht ganz leicht fällt, denn nahezu alle früheren Freunde und Verwandten (bis auf seinen Schwager) haben sich von ihm abgewandt. Er bekommt Arbeit in einem holzverarbeitenden Betrieb, hat eine kleine Wohnung (ungünstigerweise direkt gegenüber eine Schule) und nimmt regelmäßige Termine bei seinem Psychiater wahr.

Walter wird dabei nicht als sympathischer Typ, sondern schon als recht kantiger und schwieriger Charakter dargestellt, aber eben auch nicht als dumpfes Monster. Er hat aufgrund seiner Vergangenheit, von der er verständlicherweise niemandem etwas erzählen möchte, Schwierigkeiten, Kontakte zu knüpfen, was sich auch durch seine Beziehung zu seiner Arbeitskollegin Vikcy (Kyra Sedgwick) nur geringfügig ändert. Zudem wird Walter immer wieder vom Polizisten Sgt. Lucas (Yasiin Bey aka Mos Def) aufgesucht, der ihm deutlich zu verstehen gibt, dass er nicht daran glaubt, dass jemand wie Walter sich resozialisieren könnte, ohne wieder straffällig zu werden.

Auf recht subtile Weise wird die Spannung kontinuierlich gesteigert, als Walter Vergangenheit bei seiner Arbeitsstelle publik wird und er sich Schulmädchen annähert. Kevin Bacon gelingt es auf großartige Weise, die Zerrissenheit der Hauptperson zu vermitteln, und die Szene, als Walter und die elfjährige Robin (Hannah Pilkes) im Park gemeinsam auf einer Bank sitzen, ist an Intensität kaum noch zu überbieten – allerdings auf eine recht ruhige, daher aber umso beeindruckendere Art und Weise.

The Woodsman ist ein recht düsterer Film, der einen in zahlreiche Abgründe schauen lässt – nicht nur in die von Walter. Dass Pädophilie als Krankheit dargestellt wird, die für den Betroffenen mit einem erheblichen Leidensdruck verbunden ist, ist eine Sichtweise, die neben der ruhigen und nicht reißerischen Gestaltung des Films diesen zu etwas Besonderem macht. Hier wird nichts beschönt, die Tristesse ist nahezu greifbar – und dennoch gibt’s von mir eine unbedingte Empfehlung zum Anschauen, und das nicht nur wegen der fantastischen schauspielerischen Leistung von Kevin Bacon.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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