Die absurde Welt des Marketings

Tartex ist eine Firma, die seit Jahrzehnten vegetarische Aufstriche herstellt. Damit waren sie eines der ersten Unternehmen, die so was angeboten hat, lange bevor der Veggie-Boom der letzten Jahre eingesetzt hat. Und das Zeug war auch echt lecker, es gab verschiedenste Geschmacksrichtungen, zu kaufen im Reformhaus. Doch auf einmal ist bei Tartex alles so ziemlich anders …

Am auffälligsten ist, dass sich das Verpackungsdesign geändert hat, was ja irgendwie noch zu verschmerzen wäre, da man das ja nun sowieso von sehr vielen Produkten kennt, die ständig wieder anders aussehen. Allerdings gibt es auch die jahrzehntelang beliebten Sorten nicht mehr, da wurde nahezu die gesamte Produktpalette umgestellt. Sehr auch zum Bedauern eines Reformhausbetreibers, der nicht nur selbst gern Tartex-Aufstriche gegessen hat, sondern auch schon von vielen Kunden enttäuschte Reaktionen zu hören bekommen hat. Für ihn ist dieser Wandel zumindest nicht nachvollziehbar, und er ist ja nun wirklich dicht dran und von Berufs wegen durchaus drin in dem Thema.

Natürlich hat sich der Markt für vegetarische und vegane Aufstriche in den letzten Jahren reichlich gewandelt. Zum einen gibt es immer mehr Menschen in Deutschland, die sich rein pflanzlich ernähren, zum anderen hat dies natürlich auch eine größere Zahl von Anbietern der entsprechenden Produkte nach sich gezogen. Ich vermute also mal, dass sich die Absatzzahlen bei Tartex ebenfalls reichlich verändert haben werden – in welche Richtung auch immer.

Und meistens, wenn so etwas passiert, kommt die Marketingabteilung ins Spiel. Was bei solchen Strategen gar nicht im gedanklichen Portfolio vorhanden ist: Ein Produkt ist gut, und die Kunden mögen es so, wie es ist, auch wenn verschiedene nicht mit dem Produkt zusammenhängende Faktoren und neue Marktbedingungen vielleicht die Verkaufszahlen verändert haben. Also werden die gängigen Marketinginstrumente ausgepackt, und es wird munter drauflosgedoktert.

Da braucht es dann ein neues Design der Verpackung, da braucht es irgendwas, das rechtfertigt, das Produkt als „neu“ oder zumindest „mit verbesserter Rezeptur“ zu bezeichnen – oder es wird gleich Tabula rasa gemacht und die gesamte Produktpalette über Bord gekübelt. So was bedeutet dann nämlich immer, dass die Marketingleute und die von ihnen Beauftragten aus anderen Branchen schön was zu tun haben: Es muss ein neues Image erdacht werden, das eine neue Zielgruppe erschließt, und dann muss das Produkt eben diesem Image angepasst werden.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich bin bestimmt niemand, der Produktverbesserungen oder etwa auch Optimierungen bei der Herstellung (besonders beispielsweise im Hinblick auf umweltschonendere Techniken oder die Verwendung regionaler Rohstoffe/Bestandteile/Zutaten) verteufeln möchte – ganz im Gegenteil. Aber irgendwie bin ich doch der „altmodischen“ Auffassung, dass dabei zunächst mal das Produkt im Vordergrund stehen sollte …

Wenn eine Firma irgendwann (aus welchen Gründen auch immer) nicht mehr existieren sollte, dann ist das schade, wenn man ein von diesem Unternehmen geschätztes Produkt nicht mehr erhält – aber das ist dann eben auch nicht zu ändern. Was ich nur ärgerlich finde, ist, wenn ich ein Produkt gut finde, es regelmäßig benutze und dieses dann auf einmal so verändert wird, dass es für mich (und auch für viele andere langjährige Kunden) nicht mehr akzeptabel ist, weil es nicht mehr lecker/wirksam/angenehm in der Handhabung oder was weiß ich sonst noch ist. Und hierfür verantwortlich ist eben in den allermeisten Fällen eine aktionistische Marketingabteilung, die ja irgendwie ihre Existenz rechtfertigen muss und somit überwiegend sinnlose Prozesse anleiert.

Oft verspricht sich eine Firma ja durchaus einen konkreten Vorteil von beispielsweise neuem Verpackungsdesign, zum Beispiel dass man dann weniger für den gleichen Preis dort hineinpacken kann, ohne dass es zunächst mal offensichtlich auffällt (was natürlich auch nicht gerade begrüßenswert ist). Meistens dürften solchen marketinginduzierten Produktveränderungen jedoch nichts anderes als Zahlenspiele in einer Excel-Tabelle, Wachstumswahn oder der (von Marketingleuten) eingeredete Drang, einfach so irgendwas verändern zu müssen, weil ja alle anderen auch irgendwas einfach so verändern, zugrunde liegen.

Und hier unterscheidet sich dann die absurde Welt des Marketings von der Realität der meisten Käufer, denn diese finden es meiner Erfahrung nach durchaus recht angenehm, wenn Dinge verlässlich sind und eine gleichbleibende Qualität aufweisen, sodass man nicht ständig nach neuen Produkten Ausschau halten muss, sondern seinen Einkauf mit Routine schnell erledigen kann. Das heißt ja nicht, dass man nicht ab und an auch gern mal ein komplett neues Produkt ausprobiert, allerdings sollte das schon mit Muße geschehen und nicht zwingender Bestandteil eines jeden Einkaufs sein, den man gerade möglichst zügig auf dem Nachhauseweg hinter sich bringen möchte.

Aber Marketingleute glaube ja auch ernsthaft, dass es sinnvoll ist, in Ladengeschäften ständig die Anordnung der Produkte zu verändern, damit die Kunden bei der Suche nach dem, was sie eigentlich haben wollen, nicht zielstrebig sein können, sondern an möglichst vielen anderen Regalen vorbeikommen und so noch Dinge kaufen, die sie eigentlich gar nicht haben wollten, als sie den Laden betreten haben. Ich krieg ja dann ja eher schlechte Laune, wenn ich wie blöde in einem Geschäft rumlaufen und Sachen suchen muss, was meine Kauflust generell sehr nach unten treibt, und eigentlich kenne ich auch kaum jemanden, bei dem das nicht ähnlich wäre. Aber die Theorie des Marketings muss ja auch nicht unbedingt etwas mit der Realität zu tun haben, Hauptsache, die Marketingmaschine hält sich selbst schön am Laufen. Was sollten die ganzen dort beschäftigten Betriebswirtschaftler, (Produkt-)Designer, Werbestrategen usw. denn auch sonst den ganzen Tag machen – Däumchen drehen etwa?

Die ganze Marketingbranche ist somit m. E. zum weitaus größten Teil vollkommen unnütz (sogenannte Bullshit-Jobs par excellence, sozusagen – womit ich nun explizit nicht diejenigen meine, die mit spezieller Expertise und Fachwissen Firmen bei spezifischen Problemen helfen oder die gezielt für die Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen zuständig sind) und kreist vor allem um sich selbst, dies jedoch mit großem Brimborium, da man sich natürlich als ausgesprochen wichtig wahrnimmt und auch entsprechend präsentiert. Unser Wirtschaftssystem schafft also Jobs, die im Grunde niemand braucht, und diese Verschlingen auch noch eine Menge Ressourcen sowohl materieller und finanzieller als auch menschlicher (in Form von Arbeitszeit und -kraft) Natur. Wäre es da nicht vielleicht sinnvoller, lieber die wirklich notwendig zu leistende Arbeit so zu verteilen, dass sie sinnvoll und gut erledigt werden kann, und dafür dann die Freizeit des Einzelnen zu erhöhen? Aber das wäre wohl eher ein Thema für einen anderen Artikel …

Und letztlich hat das hier beschriebene Marketing zwar keinen gesellschaftlichen Nutzen, aber immerhin einen großen systemerhaltenden Wert, denn es heizt den Konsum an. Dass die Kunden dabei nicht zufriedener oder gar glücklicher werden, ist auch gar nicht so ungern gesehen, denn wer glücklich ist, kauft nicht, und wer unglücklich ist, versucht oft (aber in der Regel vergebens), diesen Zustand durch Konsum zu ändern – wie schön, wenn ihm dann vom Marketing die entsprechenden immer wieder neuen Angebote dafür offeriert werden!

Print Friendly, PDF & Email

Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Schreibe einen Kommentar