Bedingungsloses Grundeinkommen und die Arbeitsmotivation

Auf dem Internetportal YouGov.de wird das Ergebnis einer Umfrage zum bedingungslosen Grundeinkommen präsentiert, aus der hervorgeht, dass die generelle Zustimmung dazu von 2015 auf 2016 recht deutlich zugenommen hat. So weit, so erfreulich, allerdings lohnt es sich auch, einen Blick darauf zu werfen, warum viele Menschen ein derartiges Grundeinkommen ablehnen.

Dass Skepsis bezüglich der Finanzierbarkeit bestehen, ist für mich durchaus nachvollziehbar, da es dabei ja doch um derart große Summen geht, die die Vorstellungskraft der meisten Leute übersteigen dürften. Zudem wäre in der Tat bei einem bedingungslosen Grundeinkommen eine komplett andere Gestaltung der staatlichen Finanzen notwendig, sodass hierfür schon differenzierte Konzepte ausgearbeitet werden müssten.

Die Sichtweise, die als Einzelnes immer noch die meisten Befragten teilen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen abzulehnen sei, da die Menschen dann keine Motivation mehr hätten, arbeiten zu gehen, finde ich schon ein wenig erschreckend fantasielos und wenig vorausschauend. Hier zeigt sich dann nämlich deutlich, wie sehr wir in dem Fetisch gefangen sind, dass Menschen eben 40 Stunden in der Woche arbeiten müssten – egal, ob nun genug Arbeit dafür vorhanden ist oder nicht. Und genau das ist ja zurzeit ein Problem in unserer Volkswirtschaft: Wir haben nicht mehr genug Arbeit für alle, wenn jeder 40 Stunden in der Woche arbeitet, und das, obwohl die Produktivität nach wie vor steigt. Klar, das ist eben durch den technischen Fortschritt bedingt.

Doch anstatt dass diese technischen Entwicklungen genutzt werden, die Arbeitsverhältnisse für alle zu verbessern, bleiben die einzelnen Tätigkeiten vom zeitlichen Umfang her gleich, sodass eben etliche Menschen überhaupt keine Beschäftigung mehr finden. Fortschritt wird eben vor allem dazu verwendet, Profite Einzelner zu erhöhen, anstatt Lebensbedingungen in der Breite zu verbessern. Und diese Haltung ist mittlerweile bei vielen Menschen derart selbstverständlich vorhanden, was sich dann eben in der Aussage widerspiegelt, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen die Arbeitsmotivation senken würde.

Ich bin ja der Ansicht, dass die allermeisten Menschen durchaus gern einer Tätigkeit nachgehen (es mag psychische Erkrankungen geben, wo das nicht der Fall ist) bzw. nachgehen würde, wenn sie denn die Möglichkeit dazu hätten. Dafür wäre es m. E. sinnvoll, die in einer Gesellschaft notwendige Arbeit einigermaßen gleichmäßig so auf alle Mitglieder zu verteilen, dass für jeden ein gutes Auskommen und ausreichend freie Zeit dabei herauskommen. Davon sind wir zurzeit leider sehr, sehr weit entfernt: Einige Menschen arbeiten bis zum Umfallen, machen Überstunden und leisten Mehrarbeit, sodass neben der Arbeit kaum noch Zeit für andere Beschäftigungen bleibt, andere hingegen sitzen den ganzen Tag nur rum, würden gern was Sinnvolles machen, aber finden keine Tätigkeit. Wieder andere scheffeln mehr Geld, als sie jemals werden ausgeben können, wohingegen es immer mehr Menschen gibt, die von existenziellen finanziellen Problemen geplagt sind – nicht wenig von ihnen, obwohl sie Vollzeit arbeiten.

Und diese Verhältnisse werden mittlerweile von den meisten als quasi gottgegeben hingenommen, obwohl sie eigentlich vollkommen idiotisch sind. Wenn nun also ein bedingungsloses Grundeinkommen dazu führen würde, diese Strukturen ordentlich durcheinanderzubringen, dann wäre das doch im Grunde nur positiv, finde ich. Wenn dadurch die Motivation, eine unangenehme und dazu noch mies bezahlte Arbeit anzunehmen, sinken würde, so wäre das doch eher positiv zu bewerten, da dann eben unangenehme Tätigkeiten auch entsprechend entlohnt werden müssten – und es wäre zudem noch ein Unterschied zum derzeitigen Status quo, ob man etwas vier statt acht Stunden am Tag macht und trotzdem gut über die Runden kommt.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde einen großen Schritt hin zu mehr Lebensqualität für alle bedeuten und dadurch letztlich wohl auch zu einer produktiveren Gesellschaft führen. Dazu müssten nur vor allem jahrelang zementierte Denkstrukturen und Meinungsbilder ab- und aufgelöst werden, die uns die Fetischisierung der 40-Stunden-Woche und dass nur der was zählt, der möglichst viel bezahlte Arbeit verrichtet, eingebrockt haben. Dass es dabei zumindest langsam in eine richtige Richtung geht, das ist der positive Aspekt, den man aus dem Ergebnis der oben verlinkten Umfrage ableiten kann.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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