Merkels Flüchtlingspolitik

In den letzten Wochen fällt mir immer wieder auf, wie sehr überall von „Merkels Flüchtlingspolitik“ die Rede ist, meistens in Zusammenhang damit, dass man ja gleich als Nazi gelte, wenn man diese kritisieren würde. Dafür, dass der Begriff, um den es hier geht, von den meisten, die ihn verwenden, gar nicht konkret mit einem Inhalt gefüllt werden kann, der über ein, zwei unpräzise Aussagen und Bilder hinausgeht, ist er ein ziemlicher Gradmesser für die derzeitige deutsche Politik geworden. Und er zeigt, wie inhaltsarm und oberflächlich mittlerweile der politische Diskurs in Deutschland zu weiten Teilen geworden ist.

Die Flüchtlingspolitik, die tatsächlich in den letzten Monaten praktiziert wurde von Merkels Regierung, hat nämlich nur wenig mit den albernen Selfies der Kanzlerin mit Flüchtlingen und der hohlen Phrase „Wir schaffen das!“ zu tun, sondern vielmehr mit zweifacher Asylrechtsverschärfung, mit dem Anbiedern an den Despoten Erdogan zum „Outsourcen“ der Verantwortung für die Flüchtlinge, mit Idomeni, mit nach wie vor im Mittelmeer ertrinkenden Menschen, mit der Aufforderung an Griechenland, die Menschen gefälligst lieber ersaufen als in die EU zu lassen, und mit der Überlegung, militärisch gegen Flüchtlinge vorzugehen … also gegen Schlepper eigentlich, aber wie das nun so genau unterschieden werden soll, das weiß vermutlich niemand so genau, der solche absurden Vorschläge ernsthaft unterbreitet. Gleichzeitig wird eine Wirtschaftspolitik betrieben, die beständig die Fluchtursachen in den Herkunftsländern verschärft.

Das Ganze ist nun insgesamt weit weg von irgendwelchen humanistischen Idealen, sondern knallharte Politik der eigenen Vorteilsnahme: Wir mehren unseren Wohlstand auf Eure Kosten, und wenn Ihr zu uns kommen wollt deswegen, dann werdet Ihr schon sehen, was Ihr davon habt. Nur weil Merkel mit einer gewieften Kampagne das Image der treu sorgenden Mutti zu verkörpern suchte (worauf ich schon im Oktober letzten Jahren in einem Artikel hingewiesen habe) und die meisten Medien auch prompt darauf positiv angesprungen sind, ändert dies ja nichts an der Grundhaltung der Regierungspolitik, die eben unter dem Vorsitz der Kanzlerin verantwortet wird.

Die von Merkel und ihrem PR-Team in den medialen Äther geschickten Bilder sind mittlerweile so fest verankert in den meisten Köpfen, dass Merkel mit der Politik ihrer eigenen Regierung gar nicht mehr in Zusammenhang gebracht wird. Denn diese Politik ist ja nun mittlerweile deutlich nach rechts gerutscht, da werden mittlerweile Sachen umgesetzt, die sich vor nicht allzu langer Zeit nur in den kruden Fantasien von NPD-Leuten fanden. Absurderweise haben dabei die Anhänger von AfD und anderen Rechtsparteien das Feindbild Merkel vor Augen, das auch immer wieder benannt wird, obwohl unter ihrer Kanzlerschaft sich die Flüchtlingspolitik immer mehr an den rechten Vorstellungen orientiert. Und diejenigen, die sich gegen die Rechten wenden, loben Merkel mit Überschwang – was aus dem eben genannten Grunde genauso absurd ist.

Eine weitere Groteske daran: Immer wieder höre und lese ich von Rechten, die sich beklagen, dass man ja sofort als Rassist oder Nazi beschimpft wird, wenn man Kritik an „Merkels Flüchtlingspolitik“ äußert. Ich kann das für mich selbst nur sagen, dass ich diesbezüglich noch nie als rechts oder gar Nazi bezeichnet wurde. Aber das liegt vielleicht auch daran, dass ich dabei keine nationalistischen und rassistischen Untertöne durchklingen lasse …

„Merkels Flüchtlingspolitik“ kann somit als typisches Symptom unserer Zeit bzw. unseres öffentlichen Diskurses gesehen werden. Es geht so gut wie nicht um tatsächlich greifbare Inhalte, sondern nur um Vorstellungen und medial einprägsam vermittelte Bilder – eigentlich ein Armutszeugnis für eine Demokratie, die auf diese Weise wahrlich nicht mehr richtig rund laufen kann.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

2 Gedanken zu „Merkels Flüchtlingspolitik“

  1. Gerade habe ich einen Artikel von Jens Berger auf den NachDenkSeiten gelesen, der letzte Woche auch auf die miserable Flüchtlingspolitik Merkels hinwies, die so gar nicht dem Image entspricht, was überall darüber verbreitet und gepflegt wird. Neben fünf Fakten, die die Defizite Merkels Politik klar benennen, kommt Berger auch zu dem Schluss, dass durch unbegründete Lobhudelei für die Kanzlerin von links die verunsicherten Menschen erst recht AfD, Pegida und Co. in die Arme getrieben werden. Ausgesprochen lesenswert!

  2. Und weiter geht’s mit einer sich immer weiter verschärfenden Flüchtlingspolitik der Merkel-Regierung: Ein zweiminütiger Bericht der Tagesschau stellt das neue Integrationsgesetz vor, dass Bundesinnenminister Thomas de Maizière demnächst beschließen lassen möchte. Darin soll dann für Flüchtlinge die Freizügigkeit eingeschränkt werden, indem sie ihren Wohnsitz nicht mehr freiwillig wählen können, zudem soll „Integrationsunwilligkeit“ (wie auch immer das genau definiert wird, zumal vor dem Hintergrund, dass es ja nach wie vor eher zu wenig als zu viel Integrationsangebote wie Sprachkurse usw. gibt) mit Sozialleistungskürzung und verkürzter Aufenthaltsgenehmigung sanktioniert werden.

    Man sieht also erneut: Auch wenn Merkel hier aus dem Bericht natürlich wieder komplett rausgehalten wird, so ist sie als Regierungschefin und Bundeskanzlerin doch sehr wohl auch für das Treiben ihres Innenministers verantwortlich. Die reale Politik überholt also Merkels auf Freundlichkeit und Willkommen getrimmtes Gewäsch erneut.

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