Panama Papers

Die Panama Papers werden als eines der größten Leaks und eine große Leistung des investigativen Journalismus gefeiert. Und sicher ist die Datenmenge (11,5 Mio. Dokumente, 2,6 Terabyte Daten) auch enorm und erstaunlich, andererseits ist das Resultat des Ganzen nun auch nicht wirklich etwas, das einen überraschen sollte: Sehr reichen Menschen hinterziehen in großem Stil und mit professioneller Unterstützung Steuern auf legale und teilweise wohl auch illegale Weise. Soweit ja nichts Neues …

Dennoch sind die Panama Papers vor allem durch ihre große mediale Präsenz natürlich sehr geeignet, um das Thema Steuerflucht in den Fokus des öffentlichen Interesses zu rücken, was auch Jakob Augstein in seiner Kolumne auf Spiegel online feststellt. Schließlich finden derartige Geschäftspraktiken ja sonst eher im Verborgenen statt und die Menschen ereifern sich lieber über für sie sichtbare Dinge, was in den letzten Monaten vor allem die hier in Europa eintreffenden Flüchtlinge waren. Und in der Tat machen uns die Panama Papers klar, dass Gesetze eben nicht für alle gleich gelten, sondern sich einige Menschen dank ihres Vermögens quasi einen Status schaffen, der sie über dem Gesetz stehen lässt. Anders ist es ja schließlich nicht zu erklären, dass von staatlicher Seite bisher so wenig gegen die Offshore-Steuerhinterziehung über sogenannte Steueroasen getan wurde, und auch die sogenannten Offshore-Leaks von vor etwa zwei Jahren haben ja keine nachhaltige Wirkung entfaltet.

So schreibt Katja Kipping (Die Linke) auch treffend dazu auf ihrer Facebook-Seite am 7. 4.:

Da der Bundestag, auf Dringen der Bundesregierung, ja problemlos eine Asylrechtsverschärfung nach der anderen beschließen kann (inkl. schnellerer Abschiebeverfahren, Ausweitung vermeintlich sicherer Herkunftsstaaten, etc. pp.), bin ich nun gespannt wie ein Flitzbogen, ob die Bundesregierung jetzt nach dem Leak der Panama-Akten auch in Windeseile einen EU-Gipfel zur Bekämpfung von Steuerflüchtlingen anstreben wird und der Bundestag endlich eine Steuerrechtsverschärfung beschließt – etwa um Banken, die Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisten, die Lizenz zu entziehen. Das ist unrealistisch? Ich vergaß: „Hartes Durchgreifen“ gibt es bei der schwarz-roten Bundesregierung immer nur gegen Schwächere, nicht gegen Reiche und Banken.

Den Unwillen der Bundesregierung, hier nun aktiv zu werden, bekommt man trefflich in einem Video von Jung & Naiv vorgeführt. Nicht einmal benannt werden sollen die EU-Länder, die Briefkastenfirmen wie in Panama ermöglichen. Die blasierte Antwort des Sprechers des Bundesfinanzministeriums im Rahmen einer Bundespressekonferenz auf mehrfache diesbezügliche Nachfragen ist dann an Verachtung gegenüber dem Bürger/Wähler auch nicht mehr zu toppen: Er habe halt keine Lust, sich dazu zu äußern …

Dazu passt auch, was Jens Berger in einem Artikel für die NachDenkSeiten schreibt:

Nach momentanem Kenntnisstand werden noch nicht einmal die jeweiligen Steuer- und Strafverfolgungsbehörden Einblick in die Daten bekommen. Wie der Guardian bereits meldete, respektieren die beteiligten Medien und Institutionen also die Privatsphäre der Briefkastenunternehmer. […] So lange die Daten der Panama Papers nicht in die Hände nationaler und internationaler Ermittler gelangen, werden die „Enthüllungen“ daher auch keine praktischen Folgen haben.

So sind die Panama Papers vor allem erst mal eine große Sache für die Medien selbst, in diesem Fall in Deutschland vor allem für die Süddeutsche Zeitung, wie ein sehr guter Artikel auf MEEDIA beschreibt, in dem darüber hinaus auch noch der oben schon angesprochene geringe Erkenntniswert thematisiert wird. Diese Nutzen das Ganze nämlich vor allem nicht nur für sich aus, sondern auch, um bestimmte Aspekte hervorzuheben und andere eher wegzulassen.

Wie selektiv dabei in der Berichterstattung vorgegangen wird, geht es aus einem Artikel von Craig Murray (ehemaliger britischer Botschafter) hervor, den Jens Berger für die NachDenkSeiten ins Deutsche übersetzt hat. So finden sich bisher nämlich kaum Angaben über US-Amerikaner, die an den Briefkastenfirmen in Panama beteiligt sind, und auch bunter den bisher genannten Europäern sind zwar einige prominente Namen, von denen man aber einerseits schon wusste, dass sie es mit dem Steuerzahlen nicht so genau nehmen (Lionel Messi), und die andererseits fast schon so so ein bisschen wie Bauernopfer wirken (wie der isländische Ministerpräsident Sigmundur David Gunnlaugsson oder der Vater vom britischen Premierminister David Cameron), um der Leserschaft zumindest ein paar Namen aus westlichen Industriestaaten nennen zu können.

Dass dies kein Zufall ist, geht aus dem oben verlinkten Artikel von Craig Murray hervor, denn darin heißt es:

Die Süddeutsche Zeitung, der die Daten zugespielt wurden, veröffentlichte eine detaillierte Erklärung, mit welcher Methodik die Massenmedien die Daten durchsucht haben. Die wichtigste Suche, die am Datensatz vorgenommen wurde, war die Suche nach Namen, die im Zusammenhang mit der Verletzung von UN-Sanktionen stehen. Dies berichtet auch der Guardian und listet die betreffenden Staaten dankenswerterweise auch gleich mit auf: Simbabwe, Nordkorea, Russland und Syrien. Eine derartige Filterung der Mossack-Fonseca-Daten durch die Massenmedien folgt natürlich einer klaren westlichen Agenda.

Das würde dann auch erklären, warum beispielsweise ständig Wladimir Putin auf Bildern auftaucht in Berichten über die Panama Papers und sein Name ständig prominent platziert wird, obwohl dieser in den Datensätzen anscheinend überhaupt nicht vorkommt. Nun ist es nicht gerade ein Geheimnis, dass Putin durchaus seine eigenen Vorteile recht skrupellos zu nutzen versteht und bestimmt kein Vorbild ist, was Staatsführung ohne Korruption angeht, aber es scheint nun doch ein bisschen offensichtlich, dass hier zusammengebracht wird, was aus ideologischen Gründen zusammenzugehören hat: die größte Enthüllung, der damit verbundene enorme Skandal und der böse Putin.

Insofern ist es verständlich, wenn in einigen der verlinkten Artikel anklingt, dass solche Daten doch besser einer Enthüllungsplattform wie Wikileaks zugespielt werden sollten, damit diese dort möglichst neutral präsentiert werden. Allerdings hätte das auch einen Nachteil, auf den Markus Kompa in einem Telepolis-Artikel hinweist: Professionelle journalistische Aufarbeitung eines komplexen Themas und von umfangreichem Datenmaterial führt dazu, dass das Ganze dann auch gut lesbar und verständlich wird, was Grundvoraussetzungen für eine Verbreitung sind. Und in dem Fall befindet man sich natürlich wieder in der monetären Verwertungslogik der Verlage und der Abhängigkeit der dort angestellten Journalisten. Schließlich gilt es, schneller als die Konkurrenz mit einer Meldung rauszukommen und dabei weder Verlagseigner noch potenzielle Werbekunden zu verprellen.

Einen weiteren interessanten Ansatz zum Verständnis der Enthüllung der Panama Papers liefert Ernst Wolff in einem Telepolis-Artikel. Er sieht in dem weitgehenden Fehlen von US-amrikanischen Namen in den bisherigen Veröffentlichungen eine Strategie der USA, die so andere Steueroasen diskreditieren will, damit das Kapital in die eigenen Bundesstaaten (Delaware, South Dakota, Wyoming und Nevada) fließt. Wolffs Fazit:

Die USA haben es also nicht nur geschafft, den Rest der Welt zu zwingen, ihnen bei der Jagd auf eigene Steuersünder zu helfen, sondern den übrigen Staaten der Welt auch noch deren Steuersünder abspenstig gemacht und so für den Zustrom riesiger Summen ins eigene Land gesorgt. Damit haben sie zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Sie haben die Konkurrenz empfindlich geschwächt und dazu beigetragen, dass der Zustrom von Milliarden von Dollar ins eigene Land die eigene Zahlungsbilanz aufbessert und den kränkelnden Dollar – zumindest vorübergehend – stützt.

Mit Hilfe der „Panama Papers“ wird nun dieser Strom noch zusätzlich befördert, und zwar durch die Zurückhaltung von Informationen: Welcher Ultrareiche und welcher Politiker weiß schon, ob er nicht auch noch in irgendeiner Liste auftaucht? Was wird er tun, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen? Vermutlich wird er sein Vermögen so schnell wie möglich in das neue Steuerparadies USA transferieren …

Und auch in Deutschland ist es gängige Praxis, dass Vermögen aus dem Ausland hier vor dem Fiskus in Sicherheit gebracht werden können, wie ein Artikel von Harald Schumann im Tagesspiegel beschreibt:

Wer nicht aus der EU und den USA kommt, kann hierzulande unbehelligt von heimischen Behörden anonyme Briefkastenfirmen einrichten und sein Geld anlegen. Steuern werden nicht erhoben, nach der Herkunft des Geldes wird nicht gefragt. So hatten alle im arabischen Frühling gestürzten Potentaten Konten in Deutschland. Deren Aufdeckung erfolgte aber nicht durch deutsche Staatsanwälte oder Banker, sondern durch arabische Aktivisten.

In einer globalisierten Wirtschaft scheinen eben zu vielen Menschen in zu vielen Ländern von einem System zur Steuervermeidung zu profitieren, als dass zu erwarten wäre, dass tatsächlich derartigen Enthüllungen auch entsprechendes politisches Handeln folgen würde. Lösungsvorschläge dafür gibt es, so zum Beispiel in einem Artikel von Sebastian Puschner für der Freitag:

Wer will, dass nicht länger Bildungs-, Gesundheits-, Transport- und Sozialsysteme unterfinanziert bleiben und so jede Rede von Chancengerechtigkeit nach Hohn klingt, der muss nicht nur die Behörden zum Kampf gegen Steuerhinterziehung aufrüsten, Doppelbesteuerungsabkommen mit Staaten wie Panama kündigen, Whistleblower stärken und schützen und gegen deutsche Banken vorgehen, die den Reichen ihre Geldverlagerungen offshore erst möglichen. Sondern endlich anfangen, Erbschaften, Vermögen und Finanztransaktionen effektiv und hoch zu besteuern, um so einen Kulturwandel, einen Paradigmenwechsel einzuleiten – weg vom allseits, wenngleich auch oft mürrisch akzeptierten Status quo einer Renditeökonomie, hin zu einem inklusiven Gemeinwohl auf Basis eines starken Staates.

Und auch Ingo Arzt kommt in einem Kommentar in der taz zu einem ähnlichen Schluss:

Vor diesem Hintergrund sind die Panama Papers ein sehr kleiner Teil eines weltweiten Problems. Solange es nicht ansatzweise globale Steuergerechtigkeit gibt, ist das Gerede von grünem Kapitalismus, Klimaschutz und weltweiter Armutsbekämpfung nur selbstgerechtes Schulterklopfen nach Feierabend. Nötig ist ein knallhartes, ein globales System, das Reichtum umverteilt. Nicht im Sinne einer Weltfinanzbehörde oder Weltregierung, deren Macht unkontrollierbar wäre. Konsequentes Besteuern von Unternehmen an der Quelle und ein Verbot von aller Art von Rechtskonstrukten, die sich „Firma“ nennen und keinerlei Auskunftsrechten oder Regulierung unterliegen, wäre ein Anfang.

Da allerdings leider nicht damit zu rechnen ist, dass derartige umfassende Änderungen des Weltwirtschaftssystems umgesetzt werden, bleibt nur die Erkenntnis, dass die Panama Papers zumindest für ein paar Tage das Thema Steuerflucht in den Fokus der Öffentlichkeit bringen und so vielleicht auch Menschen damit konfrontiert werden, die sich sonst eher weniger für derartige Themen interessieren. Vielleicht bleibt ja bei dem einen oder anderen zumindest ein wenig hängen …

 

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

4 Gedanken zu „Panama Papers“

  1. Auch wenn das Thema nun schon wieder, was ja zu erwarten war, aus dem medialen und öffentlichen Fokus verschwunden ist, der sich zurzeit gerade nur um Jan Böhmermann dreht, so versucht doch Campact zumindest, das Thema ein bisschen warm zu halten. Neben einem unterzeichenbaren Appell an Justizminister Heiko Maas und Finanzminister Schäuble, endlich wirksame Maßnahmen gegen Steuervermeidung und Briefkastenfirmen in die Wege zu leiten, findet sich auf deren Webseite vor allem auch eine aufschlussreiche 5-Minuten-Info zum Thema Geldwäsche und Steuerbetrug.

  2. Oxfam zeigt in einem Artikel auf seiner Webseite auf, warum von der deutschen Regierung nun keine politischen Konsequenzen aus den Panama Papers zu erwarten sein werden, sondern im Gegenteil Steuerflucht eher noch erleichtert werden soll. Das Wirtschaft und Medien hier mitziehen und Verständnis für die Steuerhinterzieher zeigen, wird dort ebenfalls dokumentiert. War ja leider nicht anders zu erwarten …

    Und das Magazin enorm stellt eine Dokumentation des NDR vor, die zu dem Thema gerade erschienen ist (Link dazu findet sich auch in dem Artikel). Obwohl diese Doku wohl auch reichlich reißerisch gemacht sein soll, so wird doch hervorgehoben, dass so doch immerhin ein guter Einblick gegeben wird, wie das globale Steuerhinterziehungssystem funktioniert.

  3. In der Süddeutschen Zeitung ist nun das Manifest des John Doe veröffentlicht worden. So nennt sich derjenige, der die Panama Papers an die Journalisten lanciert hat. Er erklärt darin seine Beweggründe, wer seiner Meinung nach die Schuldigen an dem Dilemma sind und was geschehen müsste, um derartige Zustände zu ändern.

  4. Zwei Jahre nach der Veröffentlichung der Panama Papers bilanziert Tobias Hauschild in einem Artikel für Oxfam, was sich bisher denn so getan hat, um vonseiten der Politik gegen die aufgedeckte Steuerhinterziehung vorzugehen.

    Das Ergebnis ist eher ernüchternd und spiegelt die Einschätzung in obigem Artikel von vor zwei Jahren wider: So gut wie gar nichts wurde bisher geändert, und vor allem die deutsche Regierung hat beständig mögliche Initiative blockiert und behindert.

    Leider keine Überraschung …

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