Quo vadis, SPD?

Die Ergebnisse der letzte sogenannten Sonntagsfrage sorgten für Aufsehen, vor allem bei der SPD, denn der Partei wurde nur noch ein Ergebnis von bundesweit um die 20 % prognostiziert. Was für ein Abstieg der ehemaligen Volkspartei – und vor allem m. E. auch komplett hausgemacht. Doch leider zeigt sich die SPD-Führung wenig offen für eine Kehrtwende. Und wird ja darin von der Basis auch immer wieder bestätigt, die letztlich ja das Führungspersonal schon einige Male hätte abwählen können, dies aber nicht gemacht hat.

Das Ganze nun nur an der Person Sigmar Gabriel festzumachen, greift daher meiner Meinung nach ein wenig zu kurz. Natürlich fehlt es Gabriel an nahezu allem, was einen erfolgreichen Parteivorsitzenden ausmacht, und auch in unseren Wochenhinweisen gibt es ja regelmäßig Links auf neue Unmöglichkeiten, die er so vom Stapel gelassen hat. Auch seine Reaktion nun auf diese Umfrageresultate ist bezeichnend: Zum einen beschwört er die sogenannten Kernthemen der SPD wie Rente, soziale Gerechtigkeit und Gesundheitspolitik und fordert eine Abgrenzung der Partei von der CDU/CSU (wie aus einem Artikel auf der Webseite von N24 hervorgeht), andererseits berichtetet ein Artikel auf heise.de am selben Tag, dass Gabriel für eine Zustimmung seiner Partei zum Freihandelsabkommen CETA wirbt und dieses quasi als Generalprobe für TTIP sieht. Beide Abkommen sind nicht nur in der SPD reichlich umstritten, sondern in der Gesamtbevölkerung macht sich eine immer größere Skepsis und Ablehnung breit, da befürchtet wird, dass auf diese Weise Sozial- und Umweltstandards torpediert werden und vor allem Großkonzerne davon profitieren werden.

Seine politischen Pirouetten, bei denen er heute das eine und morgen das Gegenteil davon sagt, wurden Gabriel ja schon häufig vorgeworfen, es wird allerdings immer offensichtlicher, dass alles, was er im Sinne von klassischen SPD-Themen äußert, nichts als hohle Worthülsen sind, um die Wähler, für die tatsächlich noch Themen wie soziale Gerechtigkeit wichtig sind, bei der Stange zu halten. Offensichtlich wurde dies ja vor einigen Wochen, als Gabriel lauthals forderte, es müsste einen Sozialpakt für Deutschland geben, damit es den armen Menschen im Lande besser gehen würde. Mehrere Politiker von der Linken boten ihm daraufhin sogleich an, doch einen entsprechenden Vorschlag im Bundestag einzubringen, den sie dann unterstützen würden. Zusammen mit den Grünen hätte man dort nämlich nach wie vor einen Mehrheit gegenüber der CDU/CSU. Doch natürlich geschah von Gabriels Seite aus nichts dergleichen …

Mit so einer Politik kann man natürlich keine Wähler begeistern und neu hinzugewinnen, und schon gar nicht diejenigen, die ohnehin in den letzten Jahren zunehmend von der Politik frustriert wurden, Diese rennen nun in Scharen zur AfD, die zwar auch keine Lösungen für mehr soziale Gerechtigkeit anbietet (ganz im Gegenteil), aber zumindest entsprechend populistisch agiert und mit rassistischen Thesen die durchaus berechtigten Ängste der Menschen auffängt. Doch ist dieses Versagen bei den eigentlichen parteispezifischen Themen nicht nur dem Vorsitzenden anzulasten, sondern erstreckt sich auch durch die ganze Partei. Ob es nun Hannelore Kraft oder Thomas Oppermann sind, es finden sich immer genug vom SPD-Spitzenpersonal, die den neoliberalen Kurs unterstützen. Eine kritische Aufarbeitung der desaströsen Agenda-2010-Politik hat ja bisher in der Partei auch noch nicht stattgefunden.

Kritische Stimmen hatten seit Gerhard Schröder allerdings auch kaum noch Chancen, in der Partei nach vorn zu kommen und so prominent Gehör zu finden. Schon Oskar Lafontaine als Mitglied der SPD-Spitze verließ ja vor vielen Jahren resigniert die Partei, da er den Agenda-2010-Kurs nicht mittragen wollte (dass er damit komplett richtig lag, interessiert heute kaum jemanden), und vereinzelte kluge Köpfe wie Marco Bülow fristen ein Dasein auf den hinteren Bänken. Wer in der SPD in die Nähe der Führungspositionen kommt, ist also in der Regel schon reichlich neoliberal korrumpiert und damit weit weg von klassisch sozialdemokratischen Themen.

Dass der Blick der SPD zur Beschwichtigung (wie in dem oben verlinkten N24-Artikel) dann nur in die Länder geht, in denen sozialdemokratische Parteien ebenfalls gerade unter massiven Zustimmungsverlusten leiden (z. B. Frankreich, wo Hollande ja mittlerweile die gleiche Politik macht wie die SPD seit Schröder), ist bezeichnend. Dabei könnte ein Blick in die Länder, in denen gerade mit typischen SPD-Themen reichlich für politische Furore gesorgt wird, deutlich hilfreicher sein, nämlich nach England und in die USA.

Jeremy Crobyn hat als neuer Parteivorsitzender der Labour Party einen enormen Boom an Parteibeitritten gerade von jungen Menschen bewirkt, da er sich eindeutig gegen die unter Tony Blair praktizierte neoliberale Politik positioniert. Mittlerweile gilt es als nicht unwahrscheinlich, dass Corbyn der kommende britische Premierminister sein wird.

Und in den USA sorgt gerade Bernie Sanders für Aufbruchstimmung, ebenfalls gerade bei jungen Menschen, die sich eben nicht mehr nur von Tagesschau, Spiegel und Co. narkotisieren lassen, sondern sich ihre Informationsquellen im Internet selbst suchen, sich dort austauschen und feststellen, dass eben nicht alles immer nur alternativlos sein muss, sondern es durchaus Alternativen zur Politik der letzten Jahrzehnte gibt. Sanders bezeichnet sich zwar als Sozialist, aber im Grunde ist es eine klassisch sozialdemokratische Politik, die er anstrebt – und mit der er die Massen begeistern kann.

Was wäre also der Weg der SPD aus ihrem derzeitigen Tief? Zum einen bräuchte es einen charismatischen Anführer wie Corbyn oder Sanders, zum anderen eine Abkehr vom Neoliberalismus, der seit Gerhard Schröder Parteidoktrin zu sein scheint. Damit würde man sich natürlich vor allem bei den klassischen Medien wenig Freunde machen (s. zur medialen Rezeption von Bernie Sanders diesen Artikel hier auf unterströmt), aber die AfD hat ja gezeigt, dass es beispielsweise auch über soziale Medien gelingt, die Menschen anzusprechen (wenn auch auf eine inhaltlich vollkommen verkehrte Art und Weise). Doch leider ist weder ein Charismatiker noch eine inhaltliche Parteireform zu erwarten vom derzeitigen Führungspersonal der SPD – und die Parteibasis scheint ja in ihrer dösigen Kritiklosigkeit auch nicht in der Lage zu sein, hier mal Veränderungen anzustoßen. Dabei würde Deutschland gerade in den jetzigen krisengeschüttelten Zeiten eine starke SPD, die ihrem Namen auch gerecht wird, mehr als dringend brauchen …

Print Friendly, PDF & Email

Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Ein Gedanke zu „Quo vadis, SPD?“

  1. Zu ähnlichen Schlüssen, um den Absturz der SPD in die Bedeutungslosigkeit zu vermeiden, kommt Joerg Wellbrock in einem lesenswerten Kommentar auf der spiegelfechter.

    Und auch Heiner Flassbeck findet deutliche Worte in einem Artikel auf flassbeck-economics zur derzeitigen Krise der SPD, die er ebenfalls an der Übernahme der neoliberalen Ideologie durch die Parteiführung festmacht. Er wendet den Blick dabei auch noch nach Österreich, wo ja gerade der sozialdemokratische Bundeskanzler Faymann zurückgetreten ist.

Schreibe einen Kommentar