Wagenknecht und Merkel

In der letzten Woche gab es eine große Aufregung um Sahra Wagenknecht, die für ein Posting auf Facebook einen ziemlichen Shitstorm erntete, und zwar vor allem von eher als links geltenden Personen (teilweise auch aus ihrer eigenen Partei Die Linke) und Medien. Es hieße, Wagenknecht würde am rechten Rand fischen und mit rechtspopulistischen Parolen versuchen, der AfD Wähler abspenstig zu machen. Doch ist da tatsächlich etwas dran an diesen Vorwürfen? Oder soll vielmehr versucht werden, eine populäre Politikerin in Misskredit zu bringen?

Schauen wir uns zur Beantwortung dieser Fragen doch einfach mal an, was Wagenknecht auf ihrem Facebook-Profil postete. Da ist zunächst einmal dieses Statement vom 25. Juli um 14.20 Uhr.

Meine Gedanken und mein Mitgefühl sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Auch wenn die konkrete Aufklärung der Hintergründe des Anschlags von Ansbach noch abgewartet werden muss, kann man doch schon so viel sagen: Die Ereignisse der letzten Tage zeigen, dass die Aufnahme und Integration einer großen Zahl von Flüchtlingen und Zuwanderern mit erheblichen Problemen verbunden und schwieriger ist, als Merkels leichtfertiges ‚Wir schaffen das‘ uns im letzten Herbst einreden wollte. Der Staat muss jetzt alles dafür tun, dass sich die Menschen in unserem Land wieder sicher fühlen können. Das setzt voraus, dass wir wissen, wer sich im Land befindet und nach Möglichkeit auch, wo es Gefahrenpotentiale gibt. Ich denke, Frau Merkel und die Bundesregierung sind jetzt in besonderer Weise in der Verantwortung, das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit des Staates und seiner Sicherheitsbehörden zu erhalten.

Was sagt Wagenknecht hier nun im Detail? Zunächst einmal stellt sie eine Beziehung von den Amokläufen und Attentaten von Ansbach und Würzburg, eventuell auch München (sie legt sich mit der allgemeinen Formulierung „Ereignisse der letzten Tage“ da ja nicht sehr fest) zu der Aufnahme von Flüchtlingen her. Das mag nun schon für einige ausreichen, ihr Rechtspopulismus zu unterstellen, allerdings waren die Täter von Würzburg und Ansbach ja nun mal auch Flüchtlinge, und es gab genug Stimmen von rechts, die sich bereits darauf eingeschossen haben. Wäre es also sinnvoll gewesen, genau diesen wieder die alleinige Deutungshoheit und den Diskurs in Gänze zu überlassen? Ich glaube nicht.

Dann stellt sie fest, dass die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen mit erheblichen Problemen verbunden ist. Das ist nun auch nichts wirklich Neues oder gar besonders Rechtes, denn das berichten auch die zahlreichen Hilfsorganisationen, die sich genau darum kümmern: Die Menschen, die hier ankommen, sind zu nicht unerheblicher Zahl von der Flucht oder den Ereignissen, die sie zur Flucht getrieben haben, traumatisiert, viele haben auf dem Weg hierher Angehörige verloren, die Menschen sind in einem Land, dessen Sprache sie nicht sprechen, und werden dort häufig unter nicht gerade guten Bedingungen in Unterkünften zusammengepfercht. Es fehlt an einer schnelle Bearbeitung, um den Flüchtlingen einen gesicherten Aufenthaltsstatus zuzusichern, es gibt zu wenig adäquate Unterkünfte , zu wenig Sprachkurse und für die meisten keine Perspektive auf Arbeit oder ein mittelfristig selbstbestimmtes Leben. Dazu dann immer wieder Übergriffe von rechten Gewalttätern und aufgepeitschten patriotischen Horden.

Und damit kommt Wagenknecht dann auch zur Kritik an Merkels „Wir schaffen das“-Rhetorik, die nämlich leider nicht von entsprechenden politischen Maßnahmen flankiert ist. Das Resultat: Viele Menschen fühlen sich verunsichert in unserem Land, und diese Stimmung wird vor allem von rechten Populisten noch aufgegriffen oder sogar angeheizt. Insofern weist sie m. E. zu Recht darauf hin, dass es nun auch mal an der Regierung wäre, hier Handlungsfähigkeit zu vermitteln und nicht nur Mängelverwaltung zu betreiben, die ja auch durchaus hausgemacht ist durch zahlreiche Sparmaßnahmen bei den Behörden, der Justiz und der Polizei, die nun allesamt überfordert mit der Situation sind, dass so viele Flüchtlinge hier ankommen – ein Umstand übrigens, der von Wagenknecht und der Linkspartei schon häufiger kritisiert wurde.

Dies war zumindest meine Lesart des Postings, als ich es in den sozialen Medien entdeckte, und darin lag für mich nichts, was nun in irgendeiner Form rechtslastig wäre.

Das dies wohl auch genau in dem Sinne gemeint war von Sahra Wagenknecht, geht dann aus einer ergänzenden Stellungnahme hervor, die sie am folgenden Tag, dem 26. Juli, um 11.21 Uhr postete:

Meine gestrige Stellungnahme zum Selbstmordattentat in Ansbach hat, wie die Kommentare zeigen, offenbar zu Missverständnissen geführt. Es ging mir weder darum, die Aufnahme von Flüchtlingen zu kritisieren noch alle in Deutschland lebenden Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen. Das habe ich weder gesagt noch gemeint. Im Gegenteil, ich habe schließlich nur einen Tag zuvor im ZDF Sommerinterview unmissverständlich gesagt, dass das Asylrecht verteidigt werden muss und es keine Obergrenzen geben kann. Rassistische Parolen und pauschale Verdächtigungen von Schutzsuchenden habe ich immer wieder mit aller Deutlichkeit kritisiert. Es ging mir darum deutlich zu machen, dass die Integration einer derart großen Zahl von Menschen eine der größten Herausforderungen der letzten Jahre ist und um die Kritik an Merkel, die im letzten Herbst zwar ihr „Wir schaffen das“ fleißig gepredigt, bis heute aber unterlassen hat, die notwendigen sozialen und politischen Voraussetzungen zu schaffen, die gebraucht werden, damit Integration gelingen kann. Der Staat, seine Kommunen, sein Sozialwesen, seine Frühwarnsysteme wie die Soziale Arbeit, die Bildungseinrichtungen, die Verwaltung vor Ort, der soziale Wohnungsbau und auch die Polizei: das alles wurde in den zurückliegenden Jahren weggespart und abgebaut. Und auch seit letzten Herbst ist ausgesprochen wenig geschehen, diese Fehlentwicklungen zu korrigieren. Ich war davon ausgegangen, dass man nicht in jeder Stellungnahme alles noch einmal sagen muss, aber offenbar hat das zu den Fehlinterpretationen geführt. Deshalb möchte ich das hiermit ausdrücklich richtig stellen.

Nun sollte man eigentlich meinen, dass so weit alles gesagt und geklärt wäre, aber das war nicht der Fall, sondern es wurde weiter auf Wagenknecht eingedroschen, und eben vor allem nach wie vor vonseiten eher als links einzuschätzender Medien und Politiker, absurderweise gerade von solchen, die nach wie vor auf Merkels Willkommensrhetorik reinfallen und die Bundeskanzlerin regelmäßig als flüchtlingsfreundlich abfeiern. (Was davon zu halten ist, habe ich ja bereits vor einigen Monaten schon hier und hier auf unterströmt dargestellt.)

Ein paar Aussagen von Merkel und Handyfotos mit Flüchtlingen reichen also aus, um den Blick darauf zu verstellen, dass die Politik der Regierung, der Angela Merkel ja immerhin vorsteht, in den letzten Monaten das Asylrecht massiv verschärft und einen sehr schäbigen Deal mit dem Despoten Erdogan eingefädelt hat, der nun quasi den Türsteher geben soll, um uns in Europa die Flüchtlinge vom Hals zu halten. Hiergegen haben sich Wagenknecht und Die Linke stets deutlich ausgesprochen sowie bei den Abstimmungen im Bundestag auch dagegen votiert.

Eine schon recht einseitig, um nicht zu sagen böswillige Interpretation einer Aussage auf Facebook (die zudem nur einen Tag später noch einmal erklärt und ergänzt wurde) reicht also aus, um eine Politikerin in die rechte Ecke zu rücken, während das konkrete Praktizieren rechter Politik nicht dazu führt, eine andere Politikerin ihrer Gloriole der Flüchtlingsfreundin zu entkleiden. Finde nur ich das grotesk?

Oder passt das vielmehr zu ähnlichen Kampagnen, denen sich Bernie Sanders in den USA und Jeremy Corbyn (ebenfalls systemkritische Linke, die sich großer Beliebtheit erfreuen) in Großbritannien ausgesetzt sehen und die ebenfalls zum Teil auf der eigenen Partei kommen?

Diese Fragen sollte man sich zumindest einmal stellen und sich dann bemühen, wieder auf ein rationales Diskussionsniveau zu kommen.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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