Noch mal was zur Querfront

Vor einigen Monaten schrieb ich ja schon mal einen Artikel hier auf unterströmt zum immer wieder verwendeten Kampfbegriff „Querfront“, der sich großer Beliebtheit erfreut, wenn es darum geht, kritische Stimmen zu Unrecht als rechtslastig zu brandmarken. Nun ist mir in letzter Zeit ein Phänomen aufgefallen bei der Nutzung von Facebook, das auf den ersten Blick zu bestätigen scheint, dass es tatsächlich eine solche Querfront zwischen Linken und Rechten geben könnte – aber eben nur auf den ersten Blick.

Wenn jemand in einer Diskussion auf Facebook seltsame Statements von sich gibt, dann schau ich gern mal auf dessen Profil, um zu sehen, mit wem man es denn da so zu tun hat. Bei den meisten Nutzern kann man da auch einiges über ihre Vorlieben erfahren, weil nicht eingestellt haben, so etwas nicht öffentlich, sondern nur Freunden anzuzeigen. So bin ich dann auf einige schon recht sonderbare Profile gestoßen:

Da gibt es Menschen, die mögen Frauke Petry (AfD) und Katja Kipping (Die Linke), die NGO Campact und den rechten Kopp-Verlag, was ja nun in sich schon reichliche Widersprüche sind. Selbst Fans von Konstantin Wecker, der sich ja nun recht eindeutig links positioniert und zudem aus seiner pazifistischen Haltung keinen Hehl macht, haben kein Problem damit, selbst gegen Flüchtlinge zu hetzen und entsprechende Seiten, auf denen die entsprechenden Ressentiments noch befeuert werden, zu mögen.

Was nun erst mal recht schizophren anmutet und vielleicht den Schluss nahelegt, dass es doch eine Querfront zwischen Linken und Rechten geben könnte, erweist sich bei genauerer Betrachtung und ein wenig Reflexion als etwas ganz anderes, nämlich als Orientierungslosigkeit: Alles wird aufgeschnappt, was gerade der eigenen Gefühlslage entspricht, und mit einem Like versehen. Diese Menschen sind anscheinend nicht (mehr) in der Lage, sich einen intellektuellen Überbau zu schaffen, in dem sie politische und gesellschaftliche Einzelaspekte einordnen, um so ein wenig komplexere Sachverhalte verstehen zu können, sondern sie reagieren nur auf einzelne Aussagen und Statements, ohne deren Absicht zu hinterfragen.

Als Beispiel wird Katja Kipping zugestimmt, wenn sie den Abbau des Sozialstaates kritisiert, andererseits werden auch Frauke Petrys Aussagen wohlwollen aufgenommen, die diesen Abbau dann den Flüchtlingen in die Schuhe zu schieben sucht. Dass diese beiden Frauen für komplett unterschiedliche gesellschaftliche und politische Ansätze stehen und auch entsprechend verschiedene Lösungen anbieten, wird überhaupt nicht wahrgenommen, da eben die Einordnung in größere Zusammenhänge nicht vorgenommen wird.

Dass solche Menschen dann entsprechend anfällig für einfachste Lösungen sind, die nun mal vor allem von rechten Demagogen angeboten werden, ist m. E. naheliegend. Man hangelt sich quasi von Symptom zu Symptom, ohne wirklich ursachliche Analyse zu betreiben, und wenn etwas sich jemand gegen eine wahrgenommene problematische Symptomatik wendet, so wird das mit Gefallen honoriert.

Daraus nun eine Querfront abzuleiten, ist hinreichend absurd, wie ich finde, denn diese Menschen vernetzen nicht linkes und rechtes Gedankengut, sondern sind einfach nur orientierungslos und schnappen nach allem, was ihnen ein bisschen Sicherheit zu geben verspricht. Und so ist dann alles erst mal attraktiv, was sich gegen das Establishment artikuliert, da oft die Erfahrung gemacht werden musste: Egal, ob Rot-Grün, Schwarz-Gelb oder GroKo – die Politik von „denen da oben“ ist eh immer die gleiche und gegen mich und meinesgleichen gerichtet. Dass eine solche Kritik von links und rechts auf jeweils gänzlich anderen Fundamenten und Ansichten basiert, interessiert da dann schon nicht mehr. (Zur grundsätzlichem Unterscheidung von linkem und rechtem Denken hier noch der Hinweis auf ein Interview mit Rainer Mausfeld, das Jens Wenicke für die NachDenkSeiten geführt hat und in dem etwas ausführlicher das dargestellt wird, was ich in dem oben verlinkten Artikel selbst auch schon beschrieben habe.)

Aus dieser beschriebenen Orientierungslosigkeit nun eine Art Organisiertheit abzuleiten, die sich dann in der Bildung einer Querfront manifestieren würde, ist schon wenig zielführend, wie ich finde. Da dieser Vorwurf allerdings immer wieder aus taktischen Gründen, um unliebsame Meinungen zu diffamieren, in den öffentlichen Diskurs eingebracht wird, ist es umso wichtiger, sich deutlich von rechtem Gedankengut abzugrenzen, um diese Querfront-Legende nicht noch unfreiwillig weiter zu unterfüttern.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Ein Gedanke zu „Noch mal was zur Querfront“

  1. Ein Leserbrief erreichte uns hierzu von Mathias Schmitt:

    Eine Querfront abzuleiten von Schnittmengen in politischen Ansichten ist immer Unfug. Irgendwelche Schnittmengen gibt es immer. Hat die FDP mit der Afd (Marktradikalismus) genauso, wie die CSU (Rassismus oder weicher: Xenophobie). Die evanglsiche Kirche hatte in der Weimarer Republik, wie im 3.Reich welche mit der NSDAP in Sachen eliminatorischem Antisemitismus genauso, wie die KPD mit der NSDAP im Reichstag im Überwinden der aktuellen Gesellschaftsordnung usw.. Daraus jetzt immer eine gemeinsame Front zu konstruieren ist interessengeleitete Propaganda, selbst dann, wenn es einen oder mehrere gemeinsame Meilensteine zum Erreichen eines, letzten Endes aber, anderen Zieles gibt. Deshalb gibt es noch lange keine, wie du sagst, gemeinsame Organisiertheit (Fraktion).

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