Burka-Verbot

Ein Thema beschäftigt in den letzten Wochen viele Menschen und Medien: das sogenannte Burka-Verbot, das Bundesinnenminister Thomas de Maizière im Rahmen seines Anti-Terror-Pakets aufs politische Tableau gebracht hat. Dabei kochen dann die Emotionen schnell mal hoch, sodass einige Aspekte vollkommen aus dem Sichtfeld gelangen, die eigentlich elementar sein sollte für ein Gesetz: Wen betrifft es überhaupt, wie sieht es mit der rechtlichen Handhabe aus und was wären die Konsequenzen, wenn ein solchen Gesetz eingeführt wird?

Anstatt dass diesen Fragen nachgegangen wird, habe ich erlebt, dass viele hochemotional beim Thema Burka-Verbot bei der Sache sind, sodass dann auch schon mal gern die sachliche Ebene bei einer Diskussion verlassen wird. Oftmals durfte ich so erleben, dass mir vorgeworfen wurde, dass ich es gut finden würde, wenn Frauen sich voll verschleiern müssten – selbst wenn ich unmittelbar zuvor deutlich gemacht habe, dass ich nichts von Burkas oder anderen Vollverschleierungen halte, aber eben auch ein Verbot nicht für ein adäquates Mittel halte. Dieses rhetorische Mittel der Unterstellung kam vor allem nicht nur von Rechtsauslegern, von denen man so was ja gewohnt ist (s. dazu hier), sondern auch von Menschen, die ich eigentlich nicht als rechts oder rechtsoffen einstufen würde. Die Frage, warum also gerade dieses Thema so heiß diskutiert wird, drängt sich da schon auf, darauf möchte ich dann später noch eingehen.

Zunächst aber sollen einmal die oben aufgeworfenen Fragen betrachtet werden. Dazu werde ich einige Artikel verlinken, die sich auch schon in unseren Wochenhinweisen fanden. Sollte Euch also etwas davon bekannt vorkommen – bitte nicht wundern.

Wen betrifft ein Burka-Verbot?

Nun, zunächst mal in seiner rein wörtlich genommenen Variante wohl niemanden, denn wie aus einem Bento-Artikel hervorgeht, gibt es in Deutschland überhaupt keine Burka-Trägerin. Wenn man dann also noch die Niqabs dazuzählen würde, also Gesichtsschleier, bei denen immerhin die Augen frei bleiben, dann dürften wir da von 800 bis 1000 Frauen (da hab ich unterschiedliche Zahlen gelesen, aber das ist ja auch kein Wunder, da diese Frauen bisher nicht separat in irgendeiner Weise erfasst wurden) ausgehen. Wow – das ist ja echt ein Problem von riesiger gesellschaftlicher Bedeutung. Nicht missverstehen: Für die einzelne Frau, die ungewollt eine Burka tragen muss, ist das schon eine wichtige Sache, und solche Menschen müssen natürlich auch gesellschaftliche Berücksichtigung erfahren, aber was für eine Welle wird da mit einem solchen Gesetz gemacht, was echt nur richtig wenig Menschen in unserem Land betrifft?

Vor allem interessant, dass gerade diejenigen, die nun von diesem Gesetz erfasst werden, irgendwie in der Diskussion gar nicht zu Wort kommen oder gefragt werden, wie Mely Kiyak in ihrer lesenswerten Zeit-Kolumne ausführt.

Wie sieht es mit der rechtlichen Handhabe aus?

Heinrich Schmitz hat sich dazu auf kompetente und auch kurzweilige Art in einem Artikel für Tagesspiegel Causa geäußert. Darin stellt er fest, dass ein Burka-Verbot nicht mit dem Grundgesetz vereinbar wäre, da das Tragen einer Vollverschleierung zum einen durch die Religions- und Meinungsfreiheit geschützt ist und zum anderen keine unmittelbare Gefahr davon ausgeht und die Rechte anderer sowie unsere Verfassung dadurch nicht bedroht werden – was eben notwendig wäre, um Grundrechte einzuschränken. Mit einer ähnlichen Begründung wurde ja auch gerade das Burkini-Verbot in Frankreich gekippt, was zuvor von einigen Städten und Gemeinden am Meer erlassen wurde.

Richtigerweise führt Schmitz in seinem Artikel auch an, dass das Argument, man wolle die Frauen, die sich verschleiern müssen, davon befreien, nicht zieht, da nämlich in dem Fall, wenn eine Frau nicht freiwillig eine Verschleierung trägt, sondern von ihrem Mann dazu gezwungen wird, der Tatbestand der Nötigung greift, den es bereits im deutschen Strafrecht gibt. Es besteht also kein Grund, hier einen bereits vorhandenen Strafbestand noch einmal durch ein zusätzliches Gesetz zu regulieren.

Und um nun einmal auf die laienjuristische Ebene zu wechseln: Ist es nicht ein wenig absurd, den inhaltlich richtigen Ansatz, dass Kleidervorschriften etwas Schlechtes sind, dann dadurch umsetzen zu wollen, indem man selbst Kleidervorschriften erlässt? Die Argumentation geht ja oft in die Richtung, dass man in arabischen Ländern (gerade als Frau) auch nicht das anziehen dürfe, was man wolle, sondern sich den örtlichen Gegebenheiten anzupassen habe. Das ist schon richtig – aber ich möchte zumindest nicht, dass sich unser Rechtsstaat an den teilweise mittelalterlichen juristischen Praktiken von Saudi-Arabien und Co. orientiert.

Und wenn angeführt wird, dass eine Burka ein Kleidungsstück ist, dass sich gegen unsere demokratisch-rechtsstaatliche Grundordnung wendet: Das kann man so sehen, aber bei Thor-Steinar-Klamotten ist genau dies ebenfalls der Fall (zumal die Gewinne aus deren Verkauf ja explizit rechten und durchaus nicht eben verfassungsfreundlichen Organisationen zugutekommen), und diese sind ja nun auch nicht verboten, da der Abstraktionsgrad eines Kleidungsstücks eben größer ist als beispielsweise eines konkreten verfassungsfeindlichen Symbols, wie zum Beispiel eines Hakenkreuzes, mit dem man sich ja nicht in der Öffentlichkeit „schmücken“ darf.

Was wären die Konsequenzen, wenn ein solches Gesetz eingeführt würde?

Ein Burka-Verbot würde ja nun nicht bedeuten, dass von jetzt auf gleich sämtliche Vollverschleierungen aus der Öffentlichkeit verschwinden würden. Dass ein Verbot eben immer auch zu Übertretungen führt, sollte, denke ich, der selbstverständlichen Erfahrung von uns allen entsprechen. Doch was würde dann passieren, wenn sich nach einem Gesetz zum Burka-Verbot vollverschleierte Frauen in der Öffentlichkeit zeigen würden?

Einen Vorgeschmack darauf konnten wir ja kürzlich in Nizza bekommen, als aufgrund des dortigen Burkini-Verbots ein paar Polizisten am Strand mit vorgehaltenem Pfefferspray eine bekleidete Muslima zwangen, sich dort weitestgehend zu entkleiden – nicht nur für die Frau selbst, sondern auch für die Polizisten eine entwürdigenden Situation, wie ich finde. Wer möchte also nun in der Haut eines Polizisten in Deutschland stecken, wenn dieser sich genötigt sähe, eine Niqab tragende Frau entweder in der Öffentlichkeit zu entschleiern oder abzuführen, nur weil sie beispielsweise gerade zum Einkaufen gegangen ist?

Wobei das noch nicht mal das schlimmste Szenario wäre: Würde ein Polizist nicht eingreifen beim Anblick einer verschleierten Frau oder wäre gerade kein Ordnungshüter zur Stelle, was wäre dann wohl los, wenn sich sogenannten besorgte Bürger in Eigenregie um die Durchsetzung des Burka-Verbotes kümmern würden? Das so etwas nicht unwahrscheinlich ist, da ein derartiges Gesetz durchaus dazu geeignet ist, das gesellschaftliche Klima weiter zu vergiften und Ressentiments zu verfestigen, konnte man auch gerade in Frankreich sehen, wo Musilmas aufgrund ihrer Religion und ihrer Kleidung aus einem Restaurant geworfen wurden (wie hier die Mopo berichtet).

Dass es dann zu Mord und Totschlag kommen könnte, scheint mir nun nicht gerade eine übertriebene Vermutung, spätestens wenn der Mann der auf diese Weise angegangenen Frau dann der Meinung ist, dieses Verhalten der Besorgtbürger auf seine eigene Art und Weise sanktionieren zu müssen, um seine verletzte Ehre wiederherzustellen. Spätestens jetzt sollte jedem klar sein, dass da keine Verhältnismäßigkeit mehr gewahrt wäre, wenn ein Kleidungsverbot letztlich zu Toten führen würde.

Ein weiterer Aspekt wird in einem lesenswerten Kommentar von Christoph Sydow auf Spiegel online angesprochen: Wenn tatsächlich Frauen unter familiärem Druck nur mit einer Verschleierung in die Öffentlichkeit gehen, glaubt dann ernsthaft jemand, dass bei einem Burka-Verbotsgesetz nun deren Männer auf einmal sagen: „Na gut, Schatz, ist halt nicht mehr erlaubt, das mit der Niqab, also geh mal so raus und mach Dir einen schönen Tag!“? Die zutiefst patriarchalisch-reaktionäre Sichtweise von solchen Männern wird man eben nicht durch ein Gesetz von heute auf morgen ändern können, sodass die Konsequenz wohl eher wäre, dass diese Frauen nun gar nicht mehr die Wohnung verlassen dürfen – oder eben nach wie vor nur verschleiert, was dann zu den gerade in den vorherigen Absätzen geschilderten Folgen führen würde.

Und noch ein kleiner Aspekt am Rande: In arabischen Staaten gibt es bekanntermaßen sehr reiche Männer, und diese kommen gern mal nach Deutschland, beispielsweise für medizinische Behandlungen, wobei sie dann auch ihre verschleierten Frauen mitbringen. Würde diese dann auch genötigt werden, sich nur unverschleiert in der Öffentlichkeit zu zeigen? Oder würde man vielmehr bei diesen finanziell ausgesprochen potenten „Gästen“ beide Augen zudrücken, weil sie ja letztlich eine Menge Geld im Land lassen wollen?

Warum wird das Ganze so heiß diskutiert?

Ein rechtlich mehr als fragwürdiges Gesetz, was nur eine verschwindend kleine Anzahl von Menschen überhaupt betreffen würde – und die Diskussionen darüber beherrschen wochenlang die Öffentlichkeit. Da sollte dann auch die Frage erlaubt sein, warum das denn so ist. Und da gibt es m. E. mehrere Antworten.

Zum einen ist das Thema natürlich eine Nebelkerze, die der Politik sehr gelegen kommt, denn auf diese Weise werden potenzielle Diskussionen zu den weiteren Maßnahmen des Anti-Terror-Pakets von Bundesinnenminister de Maizière (zum Unsinn der darin vorgeschlagenen Maßnahmen treffend Jakob Augstein in seiner Kolumne auf Spiegel online oder Heinrich Schmitz in einem Artikel für Die Kolumnisten) hervorragend überdeckt und kaum wahrgenommen. Aufhebung der ärztlichen Schweigepflicht, Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft, weitergehende Überwachung, Verschärfung des Asylrechts – das sind alles geplante Maßnahmen, die wesentlich mehr Menschen beträfen als ein Burka-Verbot, und dennoch scheint sich kaum jemand dafür zu interessieren, weil alle über ein Kleidungsstück debattieren.

Nun will ich sicher nicht das verallgemeinernde Lied von der „Systempresse“ anstimmen, allerdings wäre es ja nicht das erste Mal, dass sich ein großer Teil der Medien als dienstbar im Sinne der regierenden Hardliner erweisen …

Ein anderer Aspekt, der das Thema Burka-Verbot zu etwas macht, worüber man sich gut echauffieren kann: Bequemerweise hat es so gut wie nichts mit den meisten von uns zu tun, denn es betrifft ja vor allem andere, mit denen der überwiegende Teil der deutschen Bevölkerung auch nicht oder nur kaum Kontakt hat. Das macht das Fordern nach einem Verbot natürlich gleich mal einfacher, da es keine Konsequenzen für das eigene Leben und Handeln hat, sodass oftmals eine differenzierte Betrachtung des Themas gar nicht mehr angestrebt wird. Dazu kommt, dass das Thema ja auch vermeintlich simpel ist. Sich beispielsweise mit wirtschaftlichen oder ökologischen Zusammenhängen auseinanderzusetzen, die einen selbst zwar mehr betreffen, ist deutlich mühsamer, als über so ein Kleidungsstück zu diskutieren.

Man stelle sich nur mal als Gegenbeispiel vor, es würde Gesetz zum Verbot/zur Einschränkung von privaten Flugreisen gefordert werden. Die Auswirkungen davon wären deutlich relevanter, da eben Flugreisen extrem umweltschädlich sind und den Klimawandel ordentlich voranbringen, aber das würde dann ja auch die meisten von uns selbst betreffen würde. Ich wette, die Gegenstimmen wären vehementer als bei einem Burka-Verbot, dessen gesamtgesellschaftlicher Nutzen deutlich geringer wäre als eine Reduzierung des Flugverkehrs – und das Gezeter, dass der Staat sich in Privatangelegenheiten nicht einzumischen habe, würde wohl vielfach aus der gleichen Ecke kommen, die nun gerade durchaus befürwortet, dass sich der Staat in Privatangelegenheiten, nämlich die Art der Bekleidung, einmischen sollte.

Eine Burka oder auch schon eine Niqab passen nicht zu unserer Gesellschaft, die sich ja selbst (zu einem guten Teil durchaus zu Recht) als weltoffen bezeichnet. Man möchte seinem Gegenüber ins Gesicht sehen können, und für viele stellt die Vollverschleierung ein patriarchalisches Instrument der Frauenunterdrückung dar. Das sehe ich genauso. Nur glaube ich eben auch, dass ein Verbot hier nicht zielführend ist. Unsere Gesellschaft sollte andere Stärken aufweisen, um mit derartige verschleierten Frauen umzugehen, das positive Beispiel kann hier m. E. mehr bewirken als ein restriktives Verbot mit nicht absehbaren Konsequenzen.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Ein Gedanke zu „Burka-Verbot“

  1. In den Blättern für deutsche und internationale Politik findet sich in diesem Monat ein Artikel von Albrecht von Lucke, der ein Burka-Verbot ebenfalls sehr kritisch sieht. Neben den rechtlichen Bedenken verweist er vor allem auch auf den Nutzen für die AfD, die in dieser und ähnlich gelagerten Diskussionen die anderen Parteien vor sich hertreibt, sowie auf den Nebelkerzeneffekt der ausufernden öffentlichen Debatte zu diesem Thema.

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