Das Internet – eine Bühne für Überzeugungstäter

Wo ich im Internet auch hinschaue und hinhöre (als Gefangener meiner eigenen Informations- und Sozialblase): Kaum jemand schreibt und bloggt gemäßigt oder nutzt die Chance, seine eigene Meinung hinreichend zu hinterfragen und mit Gegenthesen zu überprüfen. Eigentlich fällt es mir in meinem Umfeld anders herum auf: Die Leute mit einer gesunden „Leben und leben lassen!“-Einstellung, sind kaum in den sozialen Medien oder betreiben einen Blog. Was mir dann natürlich gleich auffällt: Ich halte mich selbst auch nicht für radikal, einseitig oder unreflektiert, und trotzdem betreibe ich hier mit anderen zusammen einen Blog. Wie kann das sein?

Es gibt auch hier keinen Grund alles in schwarz oder weiß, radikal oder gemäßigt, extrovertiert oder introvertiert zu unterteilen. Ich kann aber feststellen, dass eher Menschen mit eindeutig politischer, sportlicher oder gesellschaftlicher Gesinnung diese auch äußern und in die Welt tragen. Einige über Facebook & Co, andere als Kolumnisten und Sonstige eben auch „live“ bei Gruppengesprächen. Diese Leute sind es auch, die sich immer wieder auf Diskussionen mit ihnen komplett fremden Personen einlassen … meist, weil sie Beiträge oder Kommentare selbst kommentieren. Nun kann man das einfach abtun, dass diese Leute „kommunikativ“ sind (was sicher auch zutrifft). Aber warum dann mit fremden Personen, wenn man selbst Freunde und Bekannte hat? Und warum geht es meistens um komplett unterschiedliche Ansichten, auf die da reagiert wird?

Auf der anderen Seite lese ich selbst ja viele private und professionelle Beiträge, ohne diese direkt öffentlich zu kommentieren (auf der betreffenden Webseite, das mache ich dann hier). Gerade bei professionellen Beiträgen finden sich kaum selbstkritische Standpunkte, und die Argumente werden recht einseitig zusammengetragen. Nehmen wir z. B. die Debatte über TTIP/CETA/TiSA: Da werden sich gegenseitig Argumente um die Ohren gehauen. Je spektakulärer die Zahlen und Argumente, desto besser (scheint es): Es sind auf der einen Seite immer die „Chlorhühnchen“ und die „Senkung des Verbraucherschutzes“ in Verbindung mit Endzeitszenarien. Auf der anderen Seite stehen die „unaufhaltsame Globalisierung“ und der „Jobmotor“. Welcher Teil da nun einfach nur einseitig informiert ist oder absichtlich das Bild überzeichnet, weil „die Gegenseite das ja auch so macht“: geschenkt.

Aber auch hier will ich die wenigen Formate nicht ausklammern, die diesem Bild nicht entsprechen: Aufklärungssendungen und Portale versuchen, diese gegensätzlichen Meinungen für weniger informierte Zuschauer und Leser ausgeglichen darzustellen (ob im Fernsehen von ZAPP über ttt bis Leschs Kosmos, im Videoblog mit Wissen2go oder als Blog, wo ich gerade wirklich kein passendes Beispiel parat habe – Zufall?). Auch bei hier auf unterströmt verlinkten Beiträgen fehlt mir häufig das Verständnis für die andere Sicht der Dinge (gerade wenn es um polarisierende Themen wie AfD, TTIP oder Flüchtlinge geht).

Was soll das hier nun eigentlich werden? Möchte ich mal wieder herumstänkern? Oder geht es mir um das eigene Image? Sicherlich von allem dem etwas … und noch der Appell, Dich selbst zu informieren (und zwar aus unterschiedlichen Quellen und Medien, gerade Bücher nehmen sich die Zeit, detaillierter zu berichten, und haben auch einen zeitlichen Abstand, weil es da nicht darum geht „der oder die Erste zu sein“). Und was aus meiner Sicht oft viel zu reflexartig kommt: Nur weil die Gegenseite das Bild überzeichnet, muss ich nicht genauso überzogen argumentieren. Im Gegenteil: In Bezug auf mich leidet die Glaubwürdigkeit massiv, wenn jemand scheinbar nur eine Seite der Medaille darstellt, dazu auch noch überzogen. Wie schon in einigen Beiträgen zuvor, fiel mir nur dieser Tage mal wieder auf, wie einseitig und polarisierend die meisten Beiträge und Äußerungen doch sind und wie wenig ich von den „wirklich entspannten Typen“ höre und sehe … ich entspanne mich nun mal wieder ;)

Print Friendly, PDF & Email

Dirk

Jahrgang 1974, in erster Linie Teil dieser Welt und bewusst nicht fragmentiert und kategorisiert in Hamburger, Deutscher, Mann oder gar Mensch. Als selbstständiger IT-Dienstleister (Rechen-Leistung) immer an dem Inhalt und der Struktur von Informationen interessiert und leidenschaftlich gerne Spiegel für sich selbst und andere (als Vater von drei Kindern kommt dies auch familiär häufig zum Einsatz). Seit vielen Jahren überzeugter Vegetarier und trotzdem der Meinung: „Alles hat zwei Seiten, auch die Wurst hat zwei!“

2 Gedanken zu „Das Internet – eine Bühne für Überzeugungstäter“

  1. Sicherlich finden sich eine ganze Menge Poser und Selbstdarsteller im Internet, dort gerade in den sozialen Medien, denen es vor allem darum geht, Beifall und Zustimmung zu heischen. Und dafür bedarf es dann eben keiner differenzierten Sichtweise, sondern diese wäre eher hinderlich. Und schlaglichtartige Statements beleuchten ein Thema eben nur selten im ausreichenden Maße.

    Und nun kommt mein dickes Aber: Ich finde gerade, dass im Internet mit der Möglichkeit des direkten Austauschs hier auch das genaue Gegenteil davon praktiziert wird: Wenn ich etwas lese, dann habe ich oft die Möglichkeit, nicht nur Zustimmung, sondern auch Ergänzendes oder Gegenteiliges zu äußern und so eine Diskussion anzuregen, in der dann unterschiedliche Standpunkte abgewogen werden. Genau das mache ich hier jetzt ja auch mit diesem Kommentar …

    Natürlich bieten Bücher einen umfassenderen Überblick über ein Thema, als dies einem Zeitschriftenartikel, einem Blog-Beitrag oder einer Äußerung auf Facebook möglich ist – allein schon vom Umfang her hat das Buch da ja gewisse Vorteile. Daher liegt es m. E. in der Natur der Sache, dass Artikel, Kommentare und Statements auf Onlineportalen sich meistens auf einen Aspekt eines komplexeren Sachverhalts beschränken. Und dies äußern dann eben vor allem auch diejenigen, die einen recht klaren Standpunkt haben, den sie auf diese Weise anderen mitteilen möchten – auch irgendwie nicht weiter verwunderlich, oder?

    Dies sind dann eben auch diejenigen, die in privaten Diskussionen ihren Standpunkt äußern. Das muss dann auch durchaus nicht betonköpfig gemacht werden, sondern gerade im direkten Gespräch ergeben sich (zumindest meiner Erfahrung nach) häufig genug Möglichkeiten des Abwägens unterschiedlicher Sichtweisen.

    Insofern bin ich da nicht ganz so pessimistisch, wie es der Artikel schon so ein wenig suggeriert, und auch habe ich für mich genug Medien entdeckt, in denen recht unterschiedliche Standpunkte dargestellt und hinterfragt werden, zum Beispiel die (hier auch oft empfohlenen) NachDenkSeiten oder die Blätter für deutsche und internationale Politik. In Letzteren gibt es sogar eine eigene Rubrik, in der kritisch auf zuvor in den Blättern erschienene Artikel von anderen Autoren eingegangen wird.

  2. Austausch ist gut! „Direkter Austausch“ ist für mich nicht übers Internet mit mir fremden Personen vor Schaulustigen und Unbeteiligten zu argumentieren, aber jedem Tierchen sein Pläsierchen.

    Generell scheine ich mich unscharf ausgedrückt zu haben. Ich denke schon, dass die Menschen mit „Leben und leben lassen“-Einstellung weniger im Internet „kommentieren“ und auch „bloggen“ (Kernaussage). Mehr wollte ich nicht zum Ausdruck bringen und es tut mir Leid, wenn ich das für irgend wen unschön, undeutlich oder sogar anfahrend ausgedrückt habe. Love & Peace!

Schreibe einen Kommentar