US-Präsidentschaftswahl

Donald Trump von der Republikanischen Partei ist neuer Präsident in den USA. Diese Wahl hat ja auch hier in Deutschland reichlich medialen Staub aufgewirbelt, und entsprechend waren auch die Reaktionen zu diesem Ergebnis in der Öffentlichkeit sehr präsent. Ich hab heute einige Diskussionen geführt und einiges gelesen zu diesem Thema, sodass ich nun auch meine Gedanken dazu in Form eines Artikels zusammenfassen möchte. Die Wahl Trumps sowie auch die Resonanz darauf lassen nämlich einige durchaus interessante Rückschlüsse und Gedanken zu.

Wieso Trump?

Trump ist ein reaktionärer, frauenfeindlicher, rassistischer Typ mit teilweise faschistoiden Ansichten – wie kann so einer also Präsident in dem Land werden, dass sich selbst immer als weltweiter Vorreiter in Sachen Demokratie sieht?

Ich denke, dass weniger Trump gewählt wurde, sondern dass vielmehr seine Konkurrentin von der Demokratischen Partei Hillary Clinton nicht gewählt wurde. Natürlich gibt es in den USA auch eine ganze Menge Menschen, die Trumps polternde und unsachliche Art super finden, die sich mit seinen fremdenfeindlichen Aussagen und seinem Nationalchauvinismus identifizieren und die glauben, dass so einer wie er nun mal richtig „aufräumen“ würde – also eben die Anhänger von Rechtspopulisten, die es in jedem Land gibt. Da das Wahlsystem in den USA allerdings auch im Grunde immer nur die Wahl zwischen zwei Kandidaten zulässt, nämlich die von den beiden großen Parteien der Demokraten und Republikaner, hatten diejenigen, die Clinton in jedem Fall nicht als Präsidentin haben wollten, keine andere Wahlmöglichkeit als Trump (die Grüne Jill Stein und der Libertäre Gary Johnson haben ja nur wenige Prozente der Stimmen bekommen).

Warum aber erfährt Clinton so eine Ablehnung? In den deutschen Medien wurde ja nahezu ausschließlich positiv über die Frau des ehemaligen Präsidenten berichtet. In den USA hingegen sind ihre zahlreichen Fehltritte schon präsenter: So hat sie beispielsweise, als bekannt wurde, dass sensible Daten, die sie als Außenministerin über einen privaten E-Mail-Account hat laufen lassen, gehackt worden sind, die amerikanische Öffentlichkeit monatelang angelogen – und mangelnde Integrität ist nun mal eine Sache, die in den USA nicht gerade als vertrauensbildende Maßnahme bei der Kandidatur um ein öffentliches Amt gesehen wird.

Auch der Vorwahlkampf gegen Bernie Sanders, den Clinton nur dank einseitiger Unterstützung des Partei-Establishments und mit einigen fragwürdigen Maßnahmen (Kritiker reden da durchaus von Wahlbetrug) gewinnen konnte, hat ihr Image anscheinend nachhaltig beschädigt. Zumindest so weit, dass nun viele Sanders-Anhänger nicht Clinton gewählt haben – bei dessen besonders großer Popularität vor allem bei jungen Menschen macht sich dies nun dadurch bemerkbar, dass von den jüngeren Wählern viele gar nicht an der Wahl teilgenommen haben.

Ohnehin wäre Sanders, das haben nahezu alle Umfragen während der Vorwahlen ergeben, der Kandidat mit den größeren Erfolgsaussichten gegen Trump gewesen – aber der wurde dann ja abserviert. Sanders hätte die Kritik am politischen Establishment, die Trump ja immer wieder prominent formulierte und die an der bestens vernetzten Clinton so gut wie an kaum jemand anderem festgemacht werden konnte, in eine komplett andere Richtung lenken können, nämlich in eine progressive, soziale und friedfertige. Insofern kann man sagen, dass die Demokratische Partei bzw. deren Führung durch ihr Festhalten an einer komplett ungeeigneten und unbeliebten Kandidatin Trump quasi erst ermöglich haben.

In den USA ist der sogenannte amerikanische Traum für viele längst ausgeträumt. Breite Bevölkerungsschichten sehen sich in zunehmendem Maße existenzieller Not ausgesetzt oder fühlen sich davon bedroht, und das führt dann eben zu Wut auf „die da oben“. Dass Trump selbst nun mit diesen Protestwählern als Milliardär nichts gemeinsam hat, ist den derart Frustrierten dabei egal – und Trumps verbale Ausfälle dürften ihm bei dieser Klientel sogar Pluspunkte eingebracht haben: endlich mal einer, der sagt, was er denkt – auch wenn das hanebüchener Blödsinn und reaktionäres Ressentiment ist. Clinton war für diese Menschen nie eine Alternative, Sanders hätte eine sein können …

Und nun?

Ein US-Präsident ist kein absoluter Regent, sondern von vielen politischen Institutionen abhängig (der scheidende Präsident Barack Obama kann ein Lied davon singen). Zwar haben die Republikaner die Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus inne, allerdings stellt sich die Frage, ob Trump in seiner eigenen Partei für seine angekündigten kruden Politkapriolen entsprechende Mehrheiten und somit Unterstützung bekommt.

Meine Prognose lautet daher: So wenig, wie Obama den Weltfrieden gebracht hat, wird Trump nun den globalen Untergang herbeiführen. Vielleicht ist seine Präsidentschaft und die damit sicher einhergehenden (vor allem innenpolitischen) Verwerfungen sogar das Zeichen, dass die Amerikaner brauchten, um mal ein wenig zur Besinnung zu kommen und beim nächsten Mal jemanden Vernünftiges zu wählen, der auch ein konkretes Programm und nicht nur markige Hau-drauf-Sprüche zu bieten hat. Vor allem sollte die Demokratische Partei sich nun umstrukturieren und die Clinton-Netzwerke aus ihren Reihen entfernen. Eine Alternative war mit Sanders ja dieses Mal schon vorhanden, allerdings könnte es gut sein, dass der in vier Jahren schlichtweg zu alt ist, um noch einmal zu kandidieren. Die Bewegung, die Sanders ins Leben gerufen hat, sollte daher einen prominenten Platz in der Demokratischen Partei bekommen, und das möglichst bald, damit sich geeignetes Personal herauskristallisieren kann.

Und letztlich müssen wir wohl auch froh sein, dass nicht der noch wesentlich radikalere Ted Cruz, der ja zunächst als Favorit bei den Republikanern in die Vorwahl gestartet ist, Präsident geworden ist …

Die Reaktionen in Deutschland

In den Medien und sozialen Netzwerken konnte ich heute vor allem drei Reaktionen auf die Wahl Trumps feststellen, und diese sagen dann auch einiges über die politische Öffentlichkeit in Deutschland aus.

Überraschung

Anscheinend haben fast alle hierzulande damit gerechnet, dass Hillary Clinton das Rennen schon machen würde. Das ist insofern ein Stück weit verständlich, da ja fast alle deutschen Medien schon während das Vorwahlkampfes zur alternativlosen Kandidatin hochschrieben. Die oben erwähnten kritischen Stimmen kamen ja vor allem aus den USA, und darüber wurde hier nur sehr zurückhaltend berichtet, genauso wie über Clintons zahlreiche Verfehlungen und ihr fragwürdiges Verhalten, wenn sie beispielsweise für viel Geld Vorträge an der Wall Street hielt.

Trump hingegen  wurde als der Rüpel dargestellt, der er ist, und seine Skandale wurden auch in hiesigen Medien ausführlich dargestellt. Dagegen spräche ja auch nichts, wenn es eben nicht so einseitig gewesen wäre. In jedem Fall ist es so kein Wunder, dass die meisten Deutschen von einem glatten Sieg für Clinton ausgingen. Man hat sich ja auch eher am Rande über die Ergebnisse der Vorwahlen informiert, als Clinton vor allem die Staaten des „alten Südens“ deutlich gegen Sanders gewann, die traditionell ohnehin an die konservativen Republikaner gehen. Die Euphorie sollte durch derartige störende Fakten eben nicht gestört werden.

So wird allerdings auch deutlich, wie mies es mit der politischen Informiertheit der Deutschen bestellt ist: Das Event der Wahl wird dann zwar überall medial groß aufgeblasen, und jeder meint auch, seinen Senf dazu abgeben zu müssen, aber sich mal ein wenig über die Hintergründe zu informieren, das ist dann den meisten schon wieder zu viel. Politik als Event eben – das führt dann eben zuweilen auch zu Ergebnisse, die so nicht vorhersehbar scheinen für einen Großteil der Bevölkerung. Und dann folgt das

Entsetzen

Haufenweise bunte Bildchen bei Facebook, Petitonsplattformen nehmen sich des Themas Trump an, alle hat das blanke Entsetzen gepackt. Trump – das bedeutet nun wohl Krieg! Dass Clinton schon als Außenministerin bewiesen hat, dass ihr keine militärische Schurkerei fremd ist (Libyen, Bewaffnung des IS, missglückter Regime-Change in Syrien …), und somit wohl von ihr als Präsidentin eine wesentlich größere Gefahr ausgegangen wäre, zumal auch die Neocons und somit der militärisch-industrielle Komplex sich auf ihre Seite geschlagen haben, als der unberechenbare Trump sich die Kandidatur gesichert hat – egal!

Und dann hat auch noch Putin zum Wahlsieg gratuliert, zumal Trump ja auch schon im Wahlkampf anklingen ließ, die Beziehungen zu Russland wieder normalisieren zu wollen. Trump und Putin – was für eine Allianz! Ich muss ganz ehrlich sagen, dass mich eine weitere Eskalation zwischen der USA-geführten NATO und Russland deutlich mehr beunruhigt hätte.

Natürlich gibt es auch Sachen, die einen bei Trump mehr als nur ein bisschen beunruhigen sollten: So ist er beispielsweise ein Leugner des Klimawandels, sodass hier befürchtet werden muss, dass sich die USA während seiner Präsidentschaft nicht wirklich in eine zwingend notwendige Richtung hin zu mehr Klimaschutz entwickeln werden. Über diese elementare Sorge beim derzeit wohl global wichtigsten Thema hab ich heute allerdings so gut wie nichts finden können.

„Die doofen Amis“

Klar, wer so einen Typen wie Trump zum Präsidenten wählt, der muss doch einen an der Klatsche haben! In diese Richtung war heute ebenfalls viel zu hören und zu sehen, gern auch mit dem Verweis, dass die Amerikaner nun die doofen Brexit-Briten als politisches Deppenvolk abgelöst hätten. Bestimmt wird es auch genug Trump-Wähler geben, die wirklich nicht die hellsten Kerzen auf der Torte sind, aber nun seiner gesamten Wählerschaft jede Intelligenz abzusprechen, ist dann doch reichlich undifferenziert – und vor allem auch überheblich.

Und genau aus dieser Überheblichkeit speist sich die Popularität von Trump, denn seine Anhänger dürften sich in vielerlei Hinsicht übergangen, abgehängt und von der Politik nicht mehr repräsentiert fühlen. Und nun kommt dann jemand wie Trump und gibt diesen Menschen zu verstehen, dass er für sie da sein, sich um sie kümmern will, auch wenn er groteskerweise aus einem komplett anderen Umfeld stammt. Aber wenigstens die derbe Sprache beherrscht er ja – und schon ist die Assoziation da, dass das einer „von uns“ ist. Dass das wenig bis gar nichts mit der Realität zu tun hat und auch Trump selbst schon oft genug seine despotische Domestikenmentalität an den Tag gelegt hat, ist da erst mal egal – endlich mal einer, der nicht so überheblich daherkommt.

Zudem haben wir Deutschen und Europäer auch nicht gerade Grund, nun auf die US-Amerikaner derart herabzusehen: In Österreich kann Norbert Hofer (FPÖ) noch Bundespräsident werden, Marine Le Pens Front National könnte nächstes Jahr in Frankreich stärkste Partei werden, der Brexit war von rechtsgerichtetem Ressentiment getrieben, Victor Orban herrscht in Ungar mittlerweile eher wie ein Monarch und baut dort die Demokratie ab, Geert Wilders wir in den Niederlanden stärker und stärker, genauso wie die AfD in Deutschland, und Polen hat bereits eine Rechtsregierung, genauso wie rechte Parteien in Dänemark und Finnland in der Regierung vertreten sind. Und mit einer Türkei, die sich gerade auf direktem Wege in eine Diktatur befindet, zu paktieren stört in der EU und der NATO auch nicht so richtig viele.

Vor allem finde ich es heuchlerisch, dass sich nun gerade diejenigen über die „dummen Wähler“ aufregen, die selbst seit Jahrzehnten zur gezielten medialen Entpolitisierung und Verblödung der Massen beitragen, indem beispielsweise politischer Diskurs auf das Format des Krawall-Talks reduziert wird – oder die sich auch selbst ganz gern verblöden lassen und Dschungelcamp und Event-Sport im Zweifel dann doch politischen Inhalten vorziehen, gerade wenn Letzter noch ein wenig komplexer sind und keine gute Laune versprechen.

Wäre Sanders angetreten und Präsident geworden (was, wie oben geschildert, zu erwarten gewesen wäre), dann würden jetzt viele die Amerikaner dafür loben, sich für einen modernen, progressiven Weg entschieden und gut gewählt zu haben. Doch dieser Sanders wurde ja auch von deutschen Medien entsprechend niedergeschrieben (s. dazu hier), und jetzt regen sich genau die gleichen Journalisten über Trumps Wahl auf. Dabei dürfen sie und natürlich vor allem ihre US-amerikanischen Kollegen sich den Erfolg Trumps ein gutes Stück weit selbst ans Revers heften.

Trump ist im Grunde ein perfektes Produkt unserer Zeit, unseres Lebensstils, und nun geben sich alle entsetzt, weil er diesen Zeitgeist so sehr repräsentiert, dabei aber eben ausgesprochen hässlich daherkommt in seiner rücksichtslosen, empathiebefreiten und egoistisch-chauvinistischen Art und Weise und nicht so angehübscht, wie uns genau die gleichen Untugenden in den Medien und der Werbung präsentiert werden. Trump ist der Spiegel, in den wir alle nicht gern schauen mögen, und deswegen ist die Empörung nun so groß über seinen Wahlsieg, da wir auf diese Weise mit unserer eigenen Hässlichkeit konfrontiert werden: Wir sind Teil des Zeitgeistes, der Trump (und auch die ganzen anderen oben genannten Rechtsausleger) hervorbringt. Wenn wir keine Trumps mehr wollen (und das wäre zwingend notwendig), könnten wir ja gleich mal bei uns selbst anfangen und überlegen, wie wir ihnen durch eigenes Verhalten den Nährboden entziehen könnten – aber das ist natürlich nicht so bequem, als wenn man sich ein wenig über ihn und seine Wählerschaft echauffiert.

Zwei kleine Anmerkungen noch am Schluss:

Wenn Trump tatsächlich auf seinem Anti-Etablishment-Kurs beharrt, den er ja oft angekündigt hat und der ihm viele Stimmen gebracht haben dürfte gegen Clinton als Vollblutrepräsentantin genau dieses Establishments, dann könnte ich mir vorstellen, dass er die vier Jahre seiner Amtszeit nicht überlebt. Auch wenn ich Trump nun absolut nicht mag: Das wäre ihm nun wahrlich nicht zu wünschen …

Und dann fand ich es ja auch bezeichnend, dass weltweit die Börsen wegen dieses Wahlergebnisses einbrachen – als ob deswegen nun genau jetzt schon irgendein Betrieb schlechter produzieren würde. Daran sieht man nicht nur, wie sehr die freudigen Erwartungen der Casino-Spekulanten mit Clintons Wahlsieg verknüpft waren, sondern auch, wie wenig Bezug zur realen Wirtschaft die Börsen mittlerweile haben. Schon fast amüsant, wenn’s nicht so traurig wäre …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Ein Gedanke zu „US-Präsidentschaftswahl“

  1. Dem kann ich nur zustimmen, vor allem mit der „Vermeidungswahl“, also alles lieber als das Establishment (Clinton). Und das ist ja das „Lustige“ an der Sache: Hier in Deutschland waren es aus ähnlichen Motiven erst die Piraten, dann die AfD (die geringe Wahlbeteiligung mal außen vor!).

    Die Leute sind unzufrieden mit der „marktkonformen Demokratie“ (den Konzernen bis zum Hals in den Arsch zu kriechen), welche die Schere in der Gesellschaft stetig vergrößert. Und das Einzige, was den „etablierten Parteien“ dazu einfällt, ist, ebenfalls mit Hetzparolen und Populismus punkten zu wollen. Absurd und ignorant!

    Aber was will man auch erwarten, wenn die macht- und geldgeilen „Volksvertreter“ das eigene Volk geißeln und hoffen, über die Drehtür in die „frei Wirtschaft“ zu wechseln, um dann reich, aber unbeliebt ihr egoistisches Dasein zu fristen …

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