Der Kampf um die Deutungshoheit

Sonia Mikich hat in einem etwa zweiminütigen Kommentar in den Tagesthemen das Dilemma des Journalismus in der heutigen Zeit gut auf den Punkt gebracht – zwar wohl eher unfreiwillig, aber das merkt sie vermutlich in ihrem Elfenbeinturm noch nicht einmal.

Es geht nämlich nicht um Fakten oder Tatsachen, wie Mikich behauptet, es geht um Deutungshoheit. Und das nervt die Damen und Herren von der professionellen Journaille, dass ihr eigener Mist, den sie verbreiten, eben auch überprüft und verifiziert werden kann – und dass dies dann u. U. sogar noch Verbreitung findet, die über eine wenig fundierte Stammtischmoppelei hinausgeht.

Falschmeldungen und „Enten“ gab es schon immer, auch bevor es das Internet und soziale Medien gab. Nur waren es eben halt die Journalisten, die sie relativ ungestört verbreiten durften. Ab und zu wurde das dann aufgeklärt (Hitler-Tagebücher zum Beispiel), aber wohl oft genug auch nicht oder eben erst, nachdem es viele Tausend Tote gegeben hat. Wie Jens Berger in einem Artikel auf den NachDenkSeiten treffend beschriebt, wurden ja beispielsweise etliche Kriege mit Falschmeldungen und bewussten Lügen begonnen, und diese wurden nicht von den sozialen Medien verbreitet, sondern von den Qualitätsjournalisten unserer sogenannten Leitmedien. 

Natürlich ist Medienkompetenz wichtig, und die Frage „Wer möchte denn jetzt vielleicht unbedingt, dass ich das hier glaube?“ sollte man sich in der Tat auch immer wieder stellen, aber was Mikich hier fordert, ist ja im Grunde nichts anderes als: „Glauben Sie uns – und niemand anderem. Wir haben die Wahrheit für uns gepachtet!“ Diese blasierte Sichtweise ist leider nicht untypisch für Journalisten, wie ich neulich auch schon mal als Replik auf einen Artikel in den an sich ja qualitativ hochstehenden Blättern für deutsche und internationale Politik formuliert habe. 

Und da sind viele Journalisten eben wie die Verlage, deren Angestellte sie sind: Man ruhte sich auf dem Status aus, den man hat, dann kommt das Internet daher, man ignoriert das erst mal, sieht keine Notwendigkeit, sich um dieses neue Medium adäquat zu kümmern – und wenn man dann eben nicht mehr mitkommt, dann wird gejammert und auf eine eigene Qualität gepocht, die immer seltener anzutreffen ist.

Bedenklich dann vor allem auch, wie unverhohlen nach Zensur geschrien wird. Und diese soll auch noch in die Hände von privaten, gewinnorientierten Konzernen gelegt werden, weil diese entsprechende Plattformen wie Facebook und Co. betreiben. Was dabei immer nur dezent mit anklingt, aber nie wirklich ausformuliert wird: Wer entscheidet denn, was die Wahrheit ist und was nicht? Wann hört eine Meinungsäußerung auf und fängt eine bewusste Lüge an? Alles nicht so ganz einfach zu beurteilen, aber ich möchte wetten, dass Frau Mikich sich selbst natürlich automatisch auf der Seite der Wahrheitsbewahrer sieht. Dass sie sich damit auf die Seite von schon jahrelang bekannten Hetzern und Wahrheitsverdrehern wie den Schmierfinken von der BILD steht (gerade aktuell ja wieder massiv am Herbeischreiben sehr eigener „Fakten“, wie Jens Berger heute in einem Artikel auf den NachDenkSeiten kommentiert), interessiert sie dabei vermutlich noch nicht einmal.

Ein weiterer journalistischer Tiefpunkt der neueren Tagesschau-Historie …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

2 Gedanken zu „Der Kampf um die Deutungshoheit“

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