Der Rechtsruck und seine Ursachen

Die AfD genießt zunehmende Popularität, offener Rassismus begegnet einem immer häufiger, die Zahl der rechten Straftaten steigt, die Politik entscheidet weitgehende Überwachungsbefugnisse für Geheimdienste und Asylrechtsverschärfungen – der Rechtsruck in Deutschland ist mittlerweile für jeden offensichtlich geworden. Doch wie konnte es dazu kommen? Für viele, so hat es den Anschein, wirkt es immer noch so, als sei das alles quasi „vom Himmel gefallen“. Wenn man ein wenig genauer hinschaut, erkennt man jedoch eine Kontinuität von Ereignissen, die diese Entwicklung begleitet und angestoßen haben. Und wenn man dann noch der Frage nachgeht, wem dieser Rechtsruck denn am meisten nützt, dann ergibt sich ein recht schlüssiges Bild.

Die sogenannten neoliberalen Elite

Die Nutznießer sind nämlich nicht in erster Linie Frauke Petry und Co, sondern diejenigen, die ich als neoliberale Eliten bezeichnen möchte. Was verstehe ich darunter? Für mich sind das beispielsweise Konzernvertreter und deren Lobbyisten, sehr reiche Familien und Einzelpersonen (zum Teil auch Prominente), aber auch Politiker ab Länderebene und Medienvertreter, hier vor allem die sogenannten Alphajournalisten. Das sieht nun erst mal nach einer recht heterogenen Gruppe aus, allerdings haben all diese Menschen ein recht homogenes gemeinsames Interesse: Die gesellschaftlichen und politischen Zustände, von denen sie in weitaus größerem Maße als andere profitieren, sollen sich möglichst nicht ändern, damit diese Leute ihre privilegierte Position beibehalten können.

Ich möchte diese Gruppe von Menschen also nicht als eine Art Organisation sehen, die straff organisiert handelt, sondern eben als interessengeleitete Individuen, die miteinander zwar durchaus auch gut vernetzt sind (zu Angela Merkels besten Freundinnen zählen ja beispielsweise Friede Springer und Bertelsmann-Eminenz Liz Mohn), aber sich nicht allesamt bei konspirativen Treffen gegen den Rest der Menschheit verschwören. Das muss ja vorweg gesagt werden, damit nicht sogleich die „Verschwörungstheorie“-Krakeeler auf den Plan gerufen werden.

Nun sind diese Personen nicht komplett dumm und kurzsichtig, zudem umgeben sie sich in der Regel auch mit recht schlauen Beratern, sodass ihnen zukünftige wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen vermutlich sehr klar sein dürften. Um die Jahrtausendwende sollte sich somit die Erkenntnis verbreitet haben, dass der neoliberale Marktradikalismus zunehmend mehr Verlierer (sowohl global als auch national) produziert und somit immer schwieriger zu legitimieren sein dürfte. Politisch manifestierte sich die beispielsweise in der Agenda 2010 der damaligen rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) – und wer solche Maßnahmen beschließt, der weiß, was diese bewirken (und was ja schließlich mittlerweile auch eingetreten ist): Altersarmut, Kinderarmut, immer mehr Menschen, die von ihrer Arbeit nicht leben können usw.

Vor und während der Einführung derartiger Maßnahmen ist es immer noch möglich, mithilfe regierungsfreundlicher Journalisten die zu erwartenden Folgen zu negieren (auch wenn einige Fachleute diese genau so prognostiziert haben), aber irgendwann holt einen dann die Realität ein. Was ist also zu tun?

Zweigleisigkeit: „Teile und herrsche“ einerseits, die Vorbereitung restriktiver Maßnahmen andererseits 

Die Deutschen waren bis etwa 2005 ein durchaus weltoffenes Volk, dass sich seiner destruktiven Vergangenheit des Nazi-Regimes nach wie vor bewusst war und in dem der „Geist der 68er“ nach wie vor recht lebendig war. Zwar gab es im Zuge der Wiedervereinigung in den frühen 90er-Jahren schon einmal patriotisch-nationalistische Tendenzen, die auch prompt von der Politik ausgenutzt wurden (s. dazu diesen Artikel hier auf unterströmt), aber so richtig hat sich das nicht manifestieren können – schade eigentlich aus Sicht der Eliten, für die dies ein recht probates Herrschaftsinstrument darstellt.

Schließlich konnte in den 90ern so schon einmal eine Stimmung im Land erzeugt werden, die auf zwei Arten nützlich war: Zum einen, um unter dem „Druck der Straße“ eine restriktive rechte Politik praktizieren zu können, die allerdings im Vergleich mit den rechten Pöblern immer noch ein vergleichsweise freundliches Antlitz hat, zum anderen, um die linke Opposition zu beschäftigen, die sich vermehrt gegen die Rechtsradikalen und deren Agieren wendet.

Also musste ein neuer Anschub her, um diesen Geist der rechtslastigen 90er-Jahre wieder aus der Flasche zu lassen, und dieser wurde dann auch folgendermaßen „inszeniert“:

Du bist Deutschland

Diese Kampagne wurde im Jahr 2005 von verschiedenen Medienunternehmen unter der Leitung von Bertelsmann (der Name wird noch häufiger fallen) initiiert und sollte laut Wikipedia-Artikel ein „neues deutsches Nationalgefühl“ erzeugen. Hier fanden sich nun allerdings keine Publikation vom rechten Rand, sondern tatsächlich das, was man als medialen Mainstream Deutschlands bezeichnen kann: Springer, Bauer, Burda, Spiegel, ARD, RTL, ZDF, ProSiebenSat1, Süddeutscher Verlag, FAZ usw.

Durch die enorme Verbreitung und mediale Präsenz trug diese Kampagne dazu bei, das Gefühl für Patriotismus, das zuvor in Deutschland nach wie vor eher mit Skepsis belegt war, bei vielen Menschen positiv zu besetzen. Und dies sollte sich dann auch kurz darauf zeigen:

Die WM 2006 – das Sommermärchen

Praktischerweise fand nämlich im darauffolgenden Jahr die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland statt. Und so war auch hier gleich zu beobachten, wie sich das neue Nationalgefühl in der Öffentlichkeit zeigte, der Unterschied zum vorherigen Fußball-Event, der Europameisterschaft von 2004, war deutlich zu spüren: schwarz-rot-gold, wohin man nur schaute, das ganze Land (auch diejenigen, die sich sonst nicht für Fußball interessierten) war im patriotischen Taumel gefangen, der via Public Viewing nun auch erstmals konsequent in die Öffentlichkeit getragen wurde. Über Ausschreitungen während des Events wurde gezielt so gut wie nicht medial berichtet, nichts sollte das Bild des freundlichen deutschen Patrioten trüben (zu den Auswirkungen des sogenannten Partypatriotimus habe ich vor etwa drei Jahren schon mal einen Artikel hier auf unterströmt geschrieben, der sich aus heutiger Sicht ausgesprochen „prophetisch“ liest).

Dieser Patriotismus bei Sport-Events, aber auch bei anderen Veranstaltungen (so ist es z. B. durchaus üblich, beim Schlagerwettbewerb Grand Prix d’Eurovision mit Deutschlandfahnen rumzuwedeln) hat sich seitdem verfestigt und ist zu einem festen Bestandteil solcher Anlässe geworden. Begleitet wird das von einer stets euphorisierenden medialen Berichterstattung, die negative Aspekte konsequent ausblendet (so zum Beispiel deutlich zu beobachten bei der WM 2014 in Brasilien, s. dazu hier und hier).

Warum ausgerechnet Fußball? Nun, zum einen ist das ohnehin etwas, was sich starker öffentlicher Aufmerksamkeit erfreut, zum anderen ist der Event-Fußball in Form von Großturnieren, bei denen Nationalmannschaften gegeneinander antreten, natürlich auch geeignet, die Menschen auf die Nation zu fixieren. Und dann hat Fußball schon länger als etwas funktioniert, was Rechte deutlich anspricht: Die 80er-Jahre beispielsweise zeigten viele rechtsextreme oder zumindest rechtsoffene Fangruppierungen in der Bundesrepublik (Hertha-Frösche, Borussenfront usw.), und auch in der DDR wurde in den 70er-Jahren die Erfahrung gemacht, dass die dortigen Neonazi-Szene aus der Hooligan-Szene entsprang, die vom englischen Fußball zu der Zeit quasi „importiert“ wurde. Es ist wohl davon auszugehen, dass den neoliberalen Eliten diese Zusammenhänge bekannt waren.

Sarrazin 2010

Ein paar Jahre später wurde dann der Patriotismus in ressentimentgeladene Bahnen gelenkt, und zwar vor allem durch das Buch von Thilo Sarrazin „Deutschland schafft sich ab“. Auch wenn zuvor von BILD, Spiegel und Co. immer schon mal wieder nationalistische Stimmungsmache betrieben wurden gegen „die faulen Griechen“ oder „den Islam“ (Letzteres treffend präsentiert von Hagen Rether in einem achtminütigen Video), so bekam das Ganze doch nun eine neue Qualität. Schließlich ging Sarrazin vermeintlich wissenschaftlich vor (auch wenn sich die von ihm zitierten Wissenschaftler aufgrund von verzerrender Darstellung häufig von dem Buch distanzierten und teilweise einfach vollkommen veraltete Erkenntnisse dargeboten wurden), sodass das tumbe Bauchgefühl nun auf ein vermeintlich seriöses Fundament gesetzt wurde.

Und Sarrazin ist nun ja auch kein bekannter Rechter, sondern jemand, der zutiefst mit den neoliberalen Eliten verbandelt ist: SPD-Mitglied, Finanzsenator in Berlin, Mitglied im Vorstand der Deutschen Bahn AG und der Bundesbank … Von seinem Buch, dass sich über 1,5 Millionen Mal verkaufte und das damit zu den erfolgreichsten Sachbüchern in der Bundesrepublik überhaupt gehört, wurden Passagen vorab in der BILD und im Spiegel abgedruckt, es erschien bei der Deutschen Verlags Anstalt, die zur Verlagsgruppe Random House gehört, einer Tochter von Bertelsmann – wieder einmal …

Sarrazins Buch erfreute sich vor allem in rechten Kreisen großer Beliebtheit, allerdings sprach es auch viele Menschen an, die sich eher der bürgerlichen Mitte zurechneten. Damit war ein Brückenschlag geschaffen, und Sarrazins krude Thesen, zum Beispiel von der Minderwertigkeit der Muslime, sickerten zunehmend in den öffentlichen Diskurs: die Geburtsstunde von „Das wird man ja wohl noch mal sagen dürfen …“

AfD (2013)

Zunächst als eurokritische Partei vom ehemaligen CDU-Mitglied Bernd Lucke gegründet, wurde die rechte Auslegung der AfD schon recht schnell offensichtlich, auch wenn sich dort zunächst vermehrt ehemalige CDUler und FDPler tummelten. Allerdings scheute sich Lucke auch nicht, bei offenen rechtsextremen Wählervereinigungen um Mitglieder zu buhlen, und schon im März 2013 wurde die Partei von den NachDenkSeiten treffend in einem Artikel als nationalchauvinistisch bezeichnet – hier auf unterströmt schrieb ich im Februar 2014 einen Artikel, der die AfD eindeutig als Rechtsaußenpartei benannte.

Eindeutig rechtes Gedankengut (Rassismus, Homophobie, Sozialdarwinismus) war nun in der Parteienlandschaft angekommen – und wäre 2013 auch um Haaresbreite im Bundestag gelandet. Die AfD erfreute sich daraufhin einer großen medialen Präsenz und konnte so ihre Popularität trotz immer offensichtlicher vorgetragener rechtsextremer Positionen weiter ausbauen.

HoGeSa und PEGIDA (2014)

Nachdem in den folgenden Jahren Ressentiments immer häufiger und unverhohlener öffentlich geäußert wurden, wurde dann nach dem patriotischen Hoch-Event der Fußball-WM 2014 in Brasilien mit Deutschland als Weltmeister die nationalistische Stimmung von den sogenannten Hooligans gegen Salafismus gekaptert, die in Köln unter dem Kürzel HoGeSa eine Großdemonstration mit offen fremdenfeindlichem Gestus organisierten und dabei heftige Randale anzettelten. Dass dieses Fanal nun aus der Fußballszene kam, ist m. E. kein Zufall, denn zum einen wurde der deutsche Partypatriotismus mit zunehmendem Erfolg des eigenen Teams auch mehr und mehr von Gehässigkeiten und Diffamierungen der Gegner geprägt, sowohl medial (BILD natürlich vornweg) als auch von den Fans und letztlich den Spielern selbst (der peinliche Gaucho-Tanz bei der Siegesfeier am Brandenburger Tor). Und es wurde offensichtlich, dass es im patriotischen Taumel auch o. k. ist, offen „Sieg Heil!“ zu schreien, wie es nicht selten vorkam – welch eine Einladung für die rechtgerichteten Hooligans, die dann HoGeSa auf die Beine stellten.

Von dort aus war es nur noch ein kleiner Schritt zu PEGIDA (schon die Ähnlichkeit bei der Namensgebung stellt ja den Bezug her), das von dem Multikriminellen Lutz Bachmann in Dresden organisiert wurde. Und schnell sprang auch die AfD auf den Zug auf und gerierte sich quasi als „parlamentarischer Arm“ der PEGIDA-Bewegung.

„Flüchtlingskrise“ 2015

Im Sommer 2015 stieg die Anzahl der Flüchtlinge die aus Afrika, aber vor allem aus dem Nahen Osten (Syrien, Irak, Afghanistan) nach Europa und Deutschland kamen, deutlich an, sodass schnell von einer „Flüchtlingskrise“ die Rede war. Dieser Begriff fand sich auch in vielen Medien recht unreflektiert wieder, obwohl er eigentlich eine ziemlich perverse Umkehr der Verhältnisse darstellt. Als Kampfbegriff war er allerdings gut zu gebrauchen, genauso wie die häufig verwendeten Wörter „Flüchtlingsstrom“ oder „Flüchtlingsflut“, die zudem noch einen schicksalshaften Charakter suggerieren.

Doch auch wenn unsere Regierungspolitiker stets behaupteten, von der Menge an hier antreffenden Flüchtlingen vollkommen überrascht gewesen zu sein, so entspricht dies nicht der Realität. In einem kurzen Video überführt Tilo Jung Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) beispielsweise der Lüge, da dort auch Experten zu Wort kommen, die schon vor Jahren genau diese Situation vorhergesagt und das Bundesinnenministerium informiert haben. Warum wurde man dort also nicht tätig und führte so die chaotischen Zustände des letzten Jahres herbei?

Nun, ich denke, dass auf diese Weise einfach noch mal Öl ins nationalistische Feuer gegossen werden sollte, um den Rechtsruck weiter voranzutreiben. Denn natürlich war die AfD gleich vorn mit dabei, als es darum ging, die Situation auszuschlachten und Ängste zu schüren – was sich dann ja auch in Erfolgen bei Landtagswahlen positiv für die Partei niederschlug.

Die Bundesregierung konnte hingegen im Zuge der Entwicklung und der geschürten Verunsicherung in der Bevölkerung stramm rechte Politik betreiben: Das Asylrecht würde verschärft, die Geheimdienst bekamen weiterreichende Befugnisse – eben genau die restriktive Politik, die ich eingangs geschildert habe und die notwendig ist, um den neoliberalen Marktradikalismus zu verteidigen – nach außen mit gesperrten Fluchtrouten und einer immer größeren Zahl von auf der Flucht Gestorbenen, nach innen mit Überwachung der eigenen Bevölkerung.

Und auch das Teile-und-herrsche-Prinzip kam voll zur Geltung, denn die linke Opposition ist in der Tat in sehr großem Maße damit beschäftigt, sich an der neu erstarkten Rechten aufzureiben. Aus dem Blick gerät dabei, wer eigentlich für Missstände, die nun den Flüchtlingen in die Schuhe geschoben werden (immer mehr Arme in Deutschland, Altersarmut usw.), verantwortlich ist: die neoliberale Elite. Bingo!

Jetziger Status quo

Die Politik und die öffentliche Meinung sind mittlerweile so weit nach rechts gerückt in den letzten Jahren, das gerade sogar immer mehr Stimmen vonseiten der Politik (CDU) und Medien laut werden, die Zensurmaßnahmen gegen die sogenannten Fake-News fordern. Das nimmt langsam also in der Tat orwellsche Züge an und sollte eigentlich mit demokratischen Wertvorstellungen nicht unter einen Hut zu bekommen sein. Da aber gerade auch nach den Erfolgen von Rechtspopulisten in anderen Ländern (Trump/USA, Hofer/Österreich, Le Pen/Frankreich), auch wenn diese zum Teil nicht in das angestrebte Amt gewählt wurden, ein eindeutig politisches Feindbild ausgemacht werden konnte, wird die eigene neoliberale Politik erst recht als alternativlos dargestellt.

Für die neoliberalen Eliten läuft also alles super und nach Plan. Und letztlich wäre die AfD wohl auch eine Partei, die als Koalitionspartner in Regierungsverantwortung nichts gegen den Marktradikalismus unternehmen würde, denn das Wirtschaftsprogramm der Partei war und ist ja stramm neoliberal ausgerichtet. Und für weitere totalitäre Maßnahmen, um die neoliberalen Eliten vor unzufriedenen Menschen aus dem In- und Ausland zu schützen, die der destruktive Neoliberalismus nach wie vor in immer größerer Anzahl produzieren wird, wäre die AfD mit Sicherheit auch zu haben.

Wenn es nicht so eklig wäre, müsste man dieser Instrumentalisierung des Patriotisch-Nationalistischem schon Respekt zollen ob der Perfektion bei der Durchführung …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

4 Gedanken zu „Der Rechtsruck und seine Ursachen“

  1. Gerade jetzt, nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt vom 19. Dezember, ist zu beobachten, wie Politiker und Medien der vermeintlichen „Mitte“ immer weiter nach rechts und in Richtung totalitärer Maßnahmen rücken. Ein Beispiel dafür liefert Sigmund Gottlieb, der in einem Kommentar in der ARD-Tagesschau zur Flüchtlingspolitik am 21. Dezember u. a. Folgendes sagte:

    Wir brauchen einen starken Staat, der seine tief verunsicherten Bürgerinnen und Bürger endlich schützt. Wir brauchen einen starken Staat, der die Kontrolle über den Zuzug der Flüchtlinge zurückgewinnt. Und wir brauchen einen starken Staat, der den Mut zu konsequenter Abschiebung aufbringt.

    Das ist AfD-Sprech in Reinkultur. Treffend wurde die von Tom W. Wolf auf seinem Facebook-Profil kommentiert:

    Ja!
    Wir brauchen einen starken Staat. Einen Staat, der die Gefahren des Krieges ernst nimmt, der versteht, dass Geflüchtete die Folge von Krieg und Imperialismus sind. Einen starken Staat, der sich mutig gegen den Krieg ausspricht.
    Was wir nicht brauchen, sind Journalisten wie diesen hier. Journalisten, die meinen, dass die Symptome – die Menschen auf der Flucht – die Krankheit seien. Wir brauchen niemanden, der Krieg verherrlicht, indem er verschweigt, was er anrichtet. Und niemanden, der für die Konsequenzen des Krieges die verantwortlich macht, die alles, was sie hatten, verlieren.
    Ja, wir brauchen einen starken Staat! Aber wir haben ihn nicht.

  2. Jens Berger hat sich in einem Artikel auf den NachDenkSeiten mit der Auswahl politischer Themen in den sogenannten Leitmedien beschäftigt und kommt dabei zu Schlüssen, welche die These des obigen Beitrags stützen: In überproportionalem Maße wurde nämlich im vergangenen Jahr über die Themen, Terror, Islam, Flüchtlinge und Integration berichtet, was ja nun den klassischen AfD-Themenkomplex abdeckt. Berichte und Talkshows über soziale oder wirtschaftliche Themen hingegen fanden sich wesentlich seltener. Den Menschen wird also beständig eine (eigentlich nicht begründete) Angst suggeriert, die dazu führt, alle wahrgenommenen Missstände hierauf zurückzuführen, und die Wähler dann direkt zu Rechtsparteien wie der AfD treibt.

  3. Ein Telepolis-Artikel des italienischen Philosophen Diego Fusaro passt auch gut zu diesem Thema, wenngleich er den Schwerpunkt auf die Funktionalisierung des Terrorismus durch die neoliberalen Eliten setzt. Das wird an seinem Schlussabsatz recht deutlich:

    Ich glaube allerdings zu wissen, was Terrorismus wirklich ist. Er ist der Höhepunkt eines Kapitalismus, dessen Hegemonie (um es mit Gramscis Worten auszudrücken) in einer Krise steckt, in der alles unternommen wird (buchstäblich: alles), um den Konsens zu fördern, um die Massen gleichzuschalten, um abweichenden Meinungen Ungemach zu bereiten, um das Bewusstsein zu synchronisieren, um sicherzustellen, dass die Liebe und der Hass der Massen in geeigneter Dosis dorthin gelenkt werden, wo die Herren des Globalismus sie hinlenken wollen.

    Dass die Angst vor dem Terrorismus (besonders des islamistischen) mit dem Rechtsruck synergetisch einhergeht, indem er diesen noch verstärkt und wiederum selbst davon verstärkt wird, passt da nur allzu gut ins Bild.

  4. Wie weit es mit dem Rechtsruck mittlerweile gekommen ist und wie dieser nach wie vor von der sogenannten politischen Mitte befeuert wird, lässt sich aktuell gerade an einer Äußerung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erkennen.

    Im allschönsten AfD-Sprech fordert er, dass man zwischen politisch Verfolgten und Wirtschaftsflüchtlingen unterscheiden müsse, wie ein Artikel auf Spiegel Online berichtet.

    Das ist nicht nur Wasser auf die Mühlen von Rechten, sondern eben auch eine Verweigerung der Realität, warum Menschen sich auf die Flucht machen und was vor allem auch unsere Verantwortung dafür ist, weil nämlich unser Lebensstil Menschen im globalen Süden zunehmend die Existenzgrundlagen entzieht.

    Das Amt des Bundespräsidenten wird also von Steinmeier weiter ramponiert, wie man das ja auch schon von seinen Vorgängern kannte. Beschämend!

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