Die FDP bastelt sich ein Einwanderungsgesetz

Deutschland hat bisher noch kein Einwanderungsgesetz, und das stellt schon Manko dar, das behoben werden sollte. Nun kommt die FDP daher und hat da mal einen Vorschlag (leider nicht mehr online aufrufbar) ausgearbeitet, den sie auf ihrer Webseite präsentieren. Dieser wurde mir heute in einer Diskussion auch mehrfach nahegelegt, sodass ich mir das mal etwas genauer angeschaut habe. Sollte sich die FDP also tatsächlich hin zu einer wieder mehr sozialliberalen Partei entwickeln?

Anscheinend nicht so wirklich, denn allein schon, dass da erst mal gleich im zweiten Absatz der Einleitung vom demografischen Wandel und vom Fachkräftemangel geredet wird, zeigt, dass sich bei der FDP nichts geändert hat.

Die Mär vom Fachkräftemangel …

Der Fachkräftemangel existiert de facto nicht, sondern ist ein Popanz, um billige Arbeitskräfte vor allem aus Osteuropa nach Deutschland zu holen. Wenn ich mal der Wirtschaftstheorie der FDP folge, die ja von grundsätzlich rational agierenden Märkten ausgeht, dann müsste ja ein Mangel bedeuten, dass das nachgefragte Gut teurer wird. Nun sind aber seit dem Aufkommen des Begriffs des angeblichen Fachkräftemangels die Löhne nicht so richtig stark gestiegen.

Und dann noch mal zwei Zitate dazu: „Aktuell zeigt sich nach der Bundesagentur für Arbeit kein flächendeckender Fachkräftemangel in Deutschland.“ (Bundesagentur für Arbeit, Dezember 2015). „Ein allgemeiner Fachkräftemangel in den MINT-Berufen, wie er noch vor ein paar Jahren befürchtet wurde, droht (…) eher nicht mehr.“ (Stifterverband der Deutschen Wirtschaft, 2015). Mal abgesehen davon, dass so etwas wie die sogenannte Industrie 4.0, die wohl zu einem erheblichen Abbau vieler (auch hoch qualifizierter) Arbeitsplätze führen wird, in solchen Gedankenspielen vom angeblichen Fachkräftemangel natürlich überhaupt keinen Platz hat …

… und vom demografischen Wandel

Auch der demografische Wandel ist nicht mehr als ein Popanz, der aufgebaut wurde, um den Sozialstaat (leider erfolgreich) schleifen zu können. Dabei wird eigentlich so gut wie nie berücksichtigt, dass es sich nur um Prognosen der Statistiker handelt, die noch von äußeren Faktoren massiv beeinflusst werden können. Als Beispiele seien hier auf dem letzten Jahrhundert zwei Weltkriege und der Pillenknick genannt, in diesem Jahrhundert fällt einem da die Zuwanderung von Flüchtlingen ein, und wer weiß, was da noch so kommt.

Zudem: Demografischen Wandel in Form von höherem Alter und niedrigerer Geburtenrate gab es schon immer. Wenn das also ein Grund wäre, dass die Wirtschaft und der Sozialstaat nicht mehr funktionieren würden, dann hätte es in Deutschland von 1900 bis 1980 wohl keine wirtschaftlich positive Entwicklung geben und auch der Sozialstaat hätte nicht ausgebaut werden können. Entscheidend dafür, ob eine Gesellschaft ihre Alten (und auch Jungen, die werden ja recht gern bei der Panikmache mit dem demografischen Wandel außen vor gelassen) adäquat versorgen kann, ist nicht die Anzahl der Arbeitenden, sondern die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft, und diese ist ja nach wie vor stetig gestiegen – und hängt aufgrund der Technisierung (wieder Stichwort Industrie 4.0) auch zunehmend weniger von arbeitenden Menschen ab.

Die FDP geht also schon mal von zwei grundsätzlich nicht zutreffenden Annahmen aus, um ihre Einwanderungsregeln zu konstruieren. Dass diese beiden Annahmen vor allem von Arbeitgeber-Lobbyisten verbreitet wurden, sei hier nur am Rande erwähnt, zeigt aber, in wessen Interesse die FDP nach wie vor agiert.

Zu den Forderungen:

Einen vorübergehenden humanitären Schutz für Kriegsflüchtlinge; bei Wegfall der Fluchtgründe muss die Rückkehr in die alte Heimat die Regel sein

Die Fokussierung nur auf Kriegsflüchtlinge und das Aussparen von Klima- und Armutsflüchtlingen zeigt, dass die FDP die multiplen Fluchtursachen nicht verstanden hat und auch keine Verantwortung dafür übernehmen möchte, dass unser Lebensstil und unsere Wirtschaftspolitik dafür verantwortlich sind, dass weltweit immer mehr Menschen ihrer Existenzgrundlage beraubt werden und fliehen müssen (s. dazu auch hier und hier).

Ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild, um Einwanderung nach klaren Kriterien, wie Bildungsgrad, Alter oder Fachkräftebedarf, flexibel steuern zu können

Man braucht sich nur die geografische Lage von Kanada und Deutschland anzuschauen, um zu sehen, dass ein solches System nicht tauglich sein kann: Kanada ist ein Riesenland, das als Nachbarn nur die USA hat, Deutschland ist ein recht kleines Land, das mitten in Europa liegt und zahlreiche Nachbarstaaten mit sehr unterschiedlicher wirtschaftlicher Potenz hat – mal abgesehen von der Nähe Europas zu Afrika und dem Nahen Osten. Natürlich kann Kanada sich die Menschen aussuchen, die dorthin kommen, das ist in Deutschland eben nicht der Fall. Aber hierin zeigt sich schon, wie die FDP Einwanderung versteht, nämlich nur unter nationalchauvinistisch-ökonomischen Gesichtspunkten: Es soll nur derjenige zu uns kommen, der unserer Wirtschaft nützt.

Die Möglichkeit zur beschleunigten Einbürgerung nach nur vier Jahren

Klingt erst mal nicht schlecht, aber dürfte wohl auch nur für diejenigen zutreffen, die dann eben ausgesucht ins Land kommen. Die bedürftigen Flüchtlinge sollen ja schnellstmöglich (wie der erste Punkt zeigt) wieder in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt und somit wohl auch eher nicht integriert werden.

Die Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft

Das ist in der Tat recht sinnvoll, allerdings fragt sich auch hier wieder: Für wen soll das gelten? Für alle oder nur für die Ausländer, die der FDP genehm sind?

Englisch als zusätzliche Verkehrssprache in der öffentlichen Verwaltung

Und auch dies ist in Zeiten der Globalisierung eine durchaus sinnvolle Forderung, die allerdings eher unter den Begriff Makulatur fallen sollte, wenn man das Gesamtpaket betrachtet. Fast hat es den Anschein, als wolle sich die FDP hier bewusst einen weltoffenen Anstrich geben und einen Punkt in ihr Konzept aufnehmen, gegen den nur wenige etwas sagen können, außer vielleicht ein paar Ewiggestrige und Überpatriotisierte.

Eine konkrete und kohärente Anwerbestrategie für ausländische Talente

Und der letzte Punkt passt dann wieder vollkommen ins Bild dieses Einwanderungsgesetzentwurfs: Warum sollten begabte Menschen auch in ihrem Heimatland etwas für den Aufbau von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Infrastrukturen tun? Holen wir die lieber hierher, die sind bestimmt auch mit weniger Lohn zufrieden als diejenigen, die hier ausgebildet wurden (und die teilweise ja schon in anderen Länder arbeiten gehen, wenn sie grenznah wohnen, da dort die Arbeitsbedingungen besser sind).

Noch deutlicher, wie ein Einbürgerungsgesetz à la FDP gestaltet sein würde, wird es, wenn man einen Blick auf deren Konzept zur Flüchtlingspolitik wirft, denn dort wird dann wie selbstverständlich auf dem Dublin-System beharrt. Dies besagt, dass Flüchtlinge nur in dem Land Asyl beantragen können, in dem sie zuerst europäischen Boden betreten haben – für ein Land, das mitten im Kontinent liegt und keine europäische Außengrenze aufweist, natürlich eine praktische Möglichkeit, sich vor der Verantwortung zu drücken und andere mal machen zu lassen.

Fazit

Das Ganze ist mal wieder typisch FDP, berücksichtigt ausschließlich wirtschaftliche Interessen und hat mit der Realität der Migration, mit der Deutschland sich konfrontiert sieht, nur sehr wenig zu tun.

Vermutlich dürfte ein Einwanderungsgesetz, das die AfD ausarbeitet ganz ähnlich aussehen, und diese Vermutung wird bestärkt, wenn man sich beispielsweise mal die Positionen der AfD Thüringen zur Einwanderung anschaut, denn da gibt es einiges an Überschneidungen – bis hin zur Übernahme des kanadischen Punktesystems. Klar, nationalwirtschaftliches Interesse in den Vordergrund zu stellen ist ja nun durchaus ein typisches AfD-Thema, und auch in den streng neoliberalen wirtschaftspolitischen Vorstellungen gleichen sich die FDP und die AfD ja reichlich.

Die FDP ist also nach wie vor nicht ansatzweise sozialliberal, wie sie vorzugeben versucht, sondern eine Partei, die Wirtschaftsinteressen recht ungeniert vertritt. Man sollte dabei nur nicht dem immer noch häufig gemachten Fehler aufsitzen und dies mit Wirtschaftskompetenz verwechseln.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Ein Gedanke zu „Die FDP bastelt sich ein Einwanderungsgesetz“

  1. Schon vor einiger Zeit meinte Volker Pispers, dass die Grünen im Prinzip nichts anderes mehr sind als eine FDP mit Dosenpfand.

    Einen weiteren Belege dafür liefert nun die Idee zu einem neuen Einwanderungsgesetz der Grünen, das in einem taz-Artikel vorgestellt wird und das reichliche Parallelen zu dem Einwanderungsgesetz, wie es die FDP gern hätte, aufweist.

    Vor allem der nationalchauvinistische Ansatz der gezielte Abwerbung von Fachkräften, die in ihren Heimatländern wohl in der Regel dringender gebraucht würden als hier in Deutschland, läuft reichlich dem entgegen, wofür die Grünen einstmals standen. Petra Kelly dürfte in ihrem Grab rotieren …

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