Lebensmittelverschwendung

Kürzlich stieß ich auf folgenden Wert: Jährlich werden in Deutschland etwa 18 Mio. Tonnen Lebensmittel nicht gegessen, sondern weggeworfen oder anderweitig entsorgt. Das entspricht ungefähr einem Drittel der in Deutschland verbrauchten Nahrungsmittel. Ganz schön starker Tobak, oder?

Und als wenn diese Zahl allein schon noch nicht ausreicht, so wird es nicht eben besser, wenn man noch mal ein bisschen genauer darüber nachdenkt: Im Jahr 2015, so eine Studie des WWF, lag der durchschnittliche Nahrungsverbrauch eines Deutschen bei 679 Kilogramm. Wenn man dies mal zu Grunde legt, dann könnten mit den weggeworfenen Lebensmitteln etwa 26,5 Mio. Menschen sehr gut ernährt werden, und zwar dem hohen deutschen Standard entsprechend.

Wenn man sich nun noch überlegt, dass hierzulande viele Menschen Übergewicht haben und sehr viel Nahrung einfach nur so nebenbei zu sich genommen wird (allein schon die ganzen Süßigkeiten, mit denen viele Kinder zu regelrechten Zucker-Junkies gemacht werden), dann dürfte die Zahl derjenigen, deren existenzielle Ernährungsbedürfnisse mit den 18 Mio. Tonnen weggeworfenem Essen gedeckt werden könnten, wohl noch deutlich höher liegen. Ich kann da jetzt nur schätzen, aber ich tippe mal, auf 50 Mio. Menschen käme man bestimmt.

Und das muss man sich nun mal auf der Zunge zergehen lassen: 50 Mio. Menschen müssten nicht hungern oder unter Mangelernährung leiden, wenn wir bei uns Essen nicht einfach nur für den Müll produzieren würden. Das ist schon ein bisschen pervers, oder?

Da das in anderen Industrieländern bestimmt ähnlich aussieht, sollte der Hunger auf der Welt (laut UN World Food Programme zurzeit 796 Mio. Menschen) also nur durch eine Umverteilung der sowieso schon vorhandenen Nahrungsmittel schon drastisch reduziert, wenn nicht sogar beseitigt werden können.

Insofern hat Jean Ziegler schon sehr recht, wenn er meint, dass jeder Verhungernde im Grund ermordet wird, da es nur an der global ungerechten Verteilung der Lebensmittel liegt, dass Menschen hungern müssen. Mal wieder eine Verteilungsproblem, und diesmal ein besonders perverses, da unsere Gier nach mehr, als wir benötigen, Menschen anderswo sehr direkt tötet oder an Mangelerkrankungen leiden lässt. Aber mit einem lokalen Überangebot bei zahlungskräftigen Kunden lässt sich eben mehr Geld verdienen, als wenn man versuchen würde, möglichst vielen Menschen Essen in ausreichendem Maße zur Verfügung zu stellen.

Natürlich werden Lebensmittel auf unterschiedliche Art und Weise verschwendet, und oftmals passiert das schon, bevor Sachen überhaupt in den Handel und damit in Kontakt mit dem Endverbraucher kommen. Aber jeder von uns kann selbst dazu beitragen, dass weniger Nahrung weggeschmissen wird und somit auch weniger Nahrung für uns produziert werden muss (und damit nämlich anderen Menschen vorenthalten wird). Das fängt beim intelligenten Einkaufen an: Wenn im Supermarkt nicht von Sonderangebot zu Sonderangebot gehastet wird, sodass dann haufenweise Lebensmittel im Einkaufswagen landen, die man eigentlich gar nicht braucht und nur deswegen kauft, weil sie billig sind, dann sollte sich die Menge an später zu entsorgenden Nahrungsmitteln schon mal reduzieren lassen.

Auch hilft es, vorher mal in den Kühl- und Küchenschrank zu schauen, was denn überhaupt noch da ist, sodass man dann gezielt ergänzende Lebensmittel einkauft, um mit den bereits vorhandenen dann Mahlzeiten zubereiten zu können. Generell ist es auch sinnvoll, lieber öfter kleinere Mengen einzukaufen, als Großeinkäufe zu tätigen, bei denen man dann leicht schon nach ein paar Tagen den Überblick verloren hat, was man denn überhaupt noch zu essen im Haus hat.

Und auch wenn man in Restaurants essen geht, kann man zusehen, dass möglichst keine Lebensmittel verschwendet werden. Habe ich wirklich so viel Hunger, dass ich noch eine Vorspeise brauche? Oder schaffe ich dann das Hauptgericht nicht mehr, sodass die Hälfte davon weggeschmissen werden muss? Es kann auch sinnvoll sein, z. B. bestimmte Beilagen bei weniger Hunger abzubestellen oder um eine reduzierte Portion zu bitten. Aber das fällt vielen, die mit der „Geiz ist geil“-Mentalität aufgewachsen sind, schon reichlich schwer – das Gleiche zahlen für weniger? Ist nicht drin, dann lieber einen Batzen wegschmeißen! Und natürlich kann man sich in den meisten Restaurants auch nicht Gegessenes einpacken lassen, sodass man das am nächsten Tag noch zu Hause aufwärmen kann und dann noch eine Mahlzeit hat.

Natürlich ist auch der Gesetzgeber gefragt, etwas gegen Lebensmittelverschwendung zu machen, und da hat man ja 2015 in Frankreich gesehen, was getan werden kann, denn dort dürfen Supermärkte keine Nahrungsmittel mehr wegwerfen. In jedem Fall schon mal ein Schritt in die richtige Richtung, um so der gedankenlosen Lebensmittelverschwendung entgegenzutreten.

Ich will nun gar nicht noch zusätzlich darauf eingehen, dass weniger Fleischkonsum auch schon einiges Positives bewirken würde für hungernde Menschen in anderen Ländern und auch für die Umwelt (für die Tiere, die in industrieller Massentierhaltung leiden müssen, sowieso) und dass es auch sinnvoller ist, regionale Dinge zu essen und sich seine Nahrung nicht um den halben Globus herankarren zu lassen, denn darüber könnte man schon wieder einen eigenen Artikel schreiben. Zudem geht es mir jetzt gerade explizit nur um die Verschwendung beim derzeitigen Status quo unsere Ernährung.

Hunger ist also ein hausgemachtes Problem unseres ungerechten Weltwirtschaftssystem, und auch wenn wir auf der Seite derer sind, die davon überwiegend profitieren, sollten wir unsere Augen nicht davor verschließen, wie mörderisch unsere Lebensweise für andere Menschen ist. 18 Mio. Tonnen – es wäre schön, wenn dieser Wert zukünftig deutlich niedriger ausfallen würde!

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

3 Gedanken zu „Lebensmittelverschwendung“

  1. Ein Artikel im Siegerland Kurier berichtet gerade zu diesem Thema, indem gezeigt wird, wie es auch gehen kann: Die Uni Siegen kooperiert mit foodsharing Siegen, sodass Brötchen und andere Lebensmittel, die noch nicht verdorben und in der Mensa übrig sind, an die Foodsharer weitergegeben werden, sodass diese sie verteilen können.

  2. Auch Florian Wogramm beschäftigt sich auf seinem Blog Denkquelle mit einem lesenswerten Artikel (leider nicht mehr online aufrufbar) mit dem Problem der Lebensmittelverschwendung. Darin bringt er u. a. noch ein paar ergänzende Zahlen aufs Tableau.

  3. Im aktuellen E-Mail-Newsletter befasst sich foodwatch mit der der Aufklärungskampagne „Zu gut für die Tonne“ und der Untätigkeit des Bundesernährungsministeriums unter Christian Schmidt (CSU), hier auch von Industrie und Handel Verbindliches zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung zu fordern:

    Tonnenweise hochwertige Lebensmittel landen in Deutschland Jahr für Jahr auf dem Müll. Eine irrwitzige Verschwendung, die nicht hinnehmbar ist und endlich aufhören muss. Die Bundesregierung will uns Verbraucherinnen und Verbraucher weismachen, dass wir die Hauptschuldigen sind – dazu biegt sie sich eine eigene Studie zurecht, die die Schuldzuweisung in dieser Form gar nicht hergibt. Die Wahrheit ist: Um die gigantische Verschwendung zu stoppen, brauchen wir vor allem auch neue Regeln für Industrie und Handel. Dafür setzt sich foodwatch ein.

    Essen gehört nicht in den Abfall. Jeder und jede von uns ist aufgerufen, die Verschwendung von Lebensmitteln zu vermeiden. Das ist auch das Ziel einer auf den ersten Blick lobenswert erscheinenden Aufklärungskampagne vom Bundesernährungsministerium. „Zu gut für die Tonne“, heißt sie. Zu gut, um wahr zu sein, wäre allerdings der bessere Titel, denn ich sage Ihnen ganz offen: Ich habe selten eine so falsche und perfide Kampagne erlebt wie diese. Am Ende verhindert das Ministerium sogar effektive Maßnahmen gegen Lebensmittelabfälle, statt sie zu fördern!

    Mit Reste-Rezepten und Tipps zur Abfallvermeidung wendet sich Ernährungsminister Christian Schmidt an uns. Dagegen ist nichts einzuwenden. Nur: Die ganze Kampagne richtet sich fast ausschließlich an uns Verbraucherinnen und Verbraucher. UNS hat das Ministerium nämlich als Hauptschuldige für die Lebensmittelverschwendung ausgemacht! Lebensmittelabfälle entstehen überall: in der Landwirtschaft, in der Lebensmittelindustrie, in Restaurants, Bäckereien und Kantinen, im Handel. Bei uns in den Privathaushalten sollen aber 61 Prozent (!) aller Lebensmittelabfälle verursacht werden. 82 Kilogramm Lebensmittel im Jahr wirft angeblich jede und jeder von uns in den Müll!

    Das klingt dramatisch – nur: Die Zahlen sind einfach falsch! Denn in diese Rechnung hat das Ministerium nicht nur gute Lebensmittel einbezogen, sondern auch zum Beispiel Suppenknochen oder Bananenschalen! Mehr als ein Drittel der „Lebensmittel“, die wir angeblich wegwerfen, sind nach der Studie, auf die sich die Bundesregierung beruft, in Wahrheit solche „unvermeidbaren Abfälle“, weitere 18 Prozent sind nur „teilweise vermeidbar“. Nur weil das Ministerium Knochen und Bananenschalen mitzählt, kann es uns Verbraucherinnen und Verbraucher als Hauptverantwortliche an den Pranger stellen! Lieber Herr Minister Schmidt, wir alle wollen Lebensmittelabfälle vermeiden – aber unsere Bananenschalen wollen wir auch weiterhin nicht mit essen!

    Die Strategie ist arglistig: Uns Verbraucherinnen und Verbrauchern wird auf diese Weise ein schlechtes Gewissen gemacht. Wir sind schließlich die Hauptschuldigen! Und vor lauter Selbstanklage sollen wir wohl gar nicht mehr genau hinsehen – geschweige denn von der Politik die wirklich nötigen Schritte einfordern. Denn wenn wir etwas gegen Lebensmittelverschwendung tun wollen, müssen nicht nur wir, sondern auch die Lebensmittelindustrie und der Handel ihren Teil der Verantwortung übernehmen! Damit das Problem gelöst wird, müssen neue Regeln für Handel und Industrie geschaffen werden. Und es muss aufhören, dass uns Verbrauchern einseitig die Schuld in die Schuhe geschoben wird […]

    Der „Trick“ mit den Bananenschalen ist bei weitem nicht der einzige, mit dem der Schuld-Anteil der Verbraucherinnen und Verbraucher künstlich groß gerechnet wird. Denn während es genaue Untersuchungen über die Abfallmengen in Privathaushalten gibt, fehlen verlässliche Zahlen darüber, wie viele Lebensmittel Industrie und Handel wegwerfen. Was also tut das Ministerium? Sie glauben es nicht: Es FRAGT die Unternehmen und ihre Lobbyverbände, wie viele Lebensmittel sie denn so wegeschmeißen – und, schwuppdiwupp, (Überraschung!) erscheinen ihre Anteile an den Lebensmittelabfällen ziemlich klein. Und damit nicht genug: Alle Abfälle, die in Landwirtschaft und Tierhaltung anfallen, sollten die vom Ministerium beauftragten Wissenschaftler einfach GAR NICHT berücksichtigen! All das führt zu einem Effekt: Die „Schuld“ von uns Verbraucherinnen und Verbrauchern sieht im Verhältnis zu den Unternehmen noch einmal viel größer aus, als sie es eigentlich ist. Die vom Ministerium beauftragten Wissenschaftler machen die Datenlücken und Probleme transparent, das Ministerium aber behauptet einfach: Wir sind für 61 Prozent der Abfälle verantwortlich. Diese Strategie ist reine Vernebelungstaktik und wird das Problem leider nicht aus der Welt schaffen. Das geht nur, wenn alle Beteiligten ehrliche Zahlen auf den Tisch legen und nicht ausschließlich die Verbraucherinnen und Verbraucher zum Sündenbock gemacht werden. […]

    Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Natürlich fallen auch in den Privathaushalten unnötige Lebensmittelabfälle an. Es ist richtig, darauf hinzuweisen und aufzuklären. Aber Landwirtschaft, Industrie und Handel müssen eben auch Verschwendung vermeiden! Dafür will aber NIEMAND die Verantwortung übernehmen. Denn derselbe Minister, der UNS Verbraucherinnen und Verbrauchern per App Reste-Rezepte verkauft, lehnt ein Gesetz zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen in der Lebensmittelwirtschaft ab. Seine Begründung: „Der Großteil unserer Lebensmittelabfälle entsteht in den Privathaushalten, da können wir mit einem Gesetz nichts erreichen.“ Das ist nicht nur Tatsachenverdrehung – vor allem löst es nicht das Problem! Die Taktik, uns Verbraucherinnen und Verbraucher für alles verantwortlich zu machen, lenkt nur von der eigenen politischen Verantwortung ab.

    In Wahrheit gäbe es viele Möglichkeiten, wie Christian Schmidt Handel, Industrie oder Bauern dazu bringen könnte, Abfälle zu vermeiden. Sie erinnern sich wahrscheinlich an die Gurkenkrümmungsnorm der EU. Die gibt es offiziell nicht mehr – aber für Äpfel, Paprika, Tomaten und zahlreiche andere Lebensmittel gibt es noch immer „Vermarktungsnormen“. Das heißt konkret: Gute Lebensmittel wandern auf den Müll, weil sie nicht der EU-Norm in Form oder Größe entsprechen! Warum macht Herr Schmidt hierzu nicht mal einen Vorstoß? Er führt auch keine Vorgaben zur Müllreduzierung in den Unternehmen ein oder ein Verbot für Lebensmittelverschwendung im Handel, wie es in anderen EU-Staaten längst existiert. Er überlässt den Herstellern weiterhin die willkürliche Festlegung des Mindesthaltbarkeitsdatums – er tut eigentlich NICHTS VERBINDLICHES, um Abfälle bei Erzeugern und Unternehmen zu vermeiden, aber ALLES, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern Schuldgefühle zu machen.

    Christian Schmidt erweist sich also mal wieder als willfähriger Diener der Lebensmittelindustrie und deren Lobbyisten – leider keine wirklich Überraschung bei ihm …

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