Warum ich fürchte, dass die nächste Generation noch weiter nach rechts abdriftet

Vor einigen Wochen habe ich bei einer Feier mitbekommen, wie sich Eltern darüber verwundert zeigten, dass ihr 15- oder 16-jähriger Sohn zunehmend rassistische, fremdenfeindliche, nationalistische bis hin zu offen rechtsextremen Äußerungen von sich gibt. Die Eltern selbst haben mit derartigem Gedankengut nämlich absolut nichts am Hut und fragen sich nun, woher diese Entwicklung bei ihrem Filius wohl kommen mag.

Mich verwunderte das nicht unbedingt, ohne dass ich den Jungen kennen würde. Ich äußerte also dementsprechend die Vermutung, dass er solche Ansichten vermutlich in sozialen Medien aufgeschnappt haben dürfte, und es wurde auch von den Eltern bestätigt, dass ihr Sohn doch einiges an Zeit auf Facebook und Co. verbringen würde.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich denke nicht, dass soziale Medien nun automatisch dazu führen, dass sich (gerade junge) Menschen ins Rechte radikalisieren, und das habe ich ja auch schon mal in einem Artikel hier auf unterströmt ausgeführt. So eine Schuldzuweisung wäre nämlich m. E. viel zu einfach und zu eindimensional gedacht.

Allerdings ist es auch kaum von der Hand zu weisen, dass soziale Medien überproportional von Rechten bevölkert sind, die dort auch gern und oft lautstark ihre Meinung zum Besten geben. Das ist normalerweise eigentlich auch kein Problem, denn man erkennt diese Leute recht schnell, wenn sie sich mal aus ihrer Filterblase hinausbegeben und meinen, den Rest der Menschheit mit ihrem menschenverachtenden Gedöns beglücken zu müssen – dazu reicht in der Regel ein Blick aufs Profil.

Dazu braucht es aber auch eine gewisse Menschenkenntnis, ein Verständnis politischer und historischer Zusammenhänge und natürlich auch Medienkompetenz, um verlinkte Quellen als Mumpitz identifizieren zu können. Das sind nun Dinge, die nicht mal bei Erwachsenen mehr selbstverständlich sind – und bei Kinder schon erst recht nicht. Zumal wenn diese mit neoliberaler Dauerindoktrination über etliche Medien, permanenter Werbung, zunehmend schlechterer Bildung und immer weniger Sozialkompetenzen, da sie sich lieber mit Displays als mit anderen Menschen beschäftigen, aufwachsen.

Diese Kids informieren sich nun mittlerweile überwiegend online, was auch generell nichts Schlechtes sein muss, da dort zum Beispiel eine themenbezogene Information möglich ist und man sich nicht mit dem zufriedengeben muss, was einem in Nachrichten oder Zeitungen vorselektiert vorgesetzt wird. Es könnte also so schön sein, wenn …

… ja, wenn nicht gerade ebendiese Informationsquellen in Form von sozialen Medien in immer stärkerem Maße von Rechten und Rechtsextremen dominiert werden, die zudem noch allzu häufig keinen Widerspruch für ihre kruden Thesen und haltlosen Behauptungen bekommen.

Der blöde Spruch „Der Klügere gibt nach“ trifft da leider sehr oft zu. Das Resultat ist dann nur, dass der Dümmere eben immer Recht bekommt – und bestimmt, wo’s langgeht.

Ich weiß ja auch nicht, warum diese ganzen Rechten so viel Zeit und Muße haben, das gesamte Internet vollzumüllen. Klar, das Klischee des Arbeitslosen, der nichts anderes zu tun hat, als seinen Frust über das System in Ausländerfeindlichkeit zu kleiden und dann in den virtuellen Äther zu blubbern, mag durchaus nicht selten zutreffen. Und vielleicht haben solche rechten Stänkerer einfach auch recht wenig Sozialkontakte (was ich nachvollziehen könnte – ich würde mit solchen Typen auch nichts zu tun haben wollen), sodass sie eben die Zeit, die andere mit Freunden und Bekannten verbringe, nutzen, um ihren Hass im Internet abzusondern. Und Scham, bestimmte unreflektierte Sachen zu äußern, scheint bei denen auch nicht im Übermaß vorhanden zu sein. Andere denken vielleicht lieber einmal mehr nach, recherchieren noch einmal, bevor sie etwas irgendwo posten – und in der Zeit hat Kamerad Rechtsaußen dann schon wieder zwölf Beiträge irgendwo rausgehauen. Und dann muss man natürlich auch noch bedenken, dass in der rechten Szene bis hin zur AfD wohl auch durchaus mit Social Bots und ähnlichen Stimmungsbildverzerrern gearbeitet wird, wie aus einer sehenswerten Dokumentation von ZDFzoom hervorgeht.

Alles gut und schön. Aber das wäre bei Weitem nicht so schlimm, wenn die Nichtrechten einfach mal öfter den Mund aufbekommen und (gern auch deutliche) Widerworte finden würden, wenn mal wieder rechts gehetzt wird. Das ist jedoch oftmals nicht der Fall. Ich persönlich kenne beispielsweise etliche Menschen bei Facebook, die garantiert nicht rechts drauf sind, aber nur ein Bruchteil von denen äußert sich dort überhaupt mal politisch, und schon erst recht nicht gegen eindeutig rassistische oder nationalistische Statements.

Das Resultat derartige Passivität ist fatal: Kinder schauen ins Netz und bekommen dort überwiegend rechtes Zeug als Meinungsäußerungen vorgesetzt. Dies wird auch immer wieder bestätigt, Widerspruch gibt es nur selten bis gar nicht – und schon rutscht der Teenager in eine eklige Filterblase und treibt sich auf rechten Hetzseiten rum, deren tatsachenfernes Gezeter dann einfach als Realität wahrgenommen wird.

Da viele Heranwachsende zudem mitbekommen, dass es ihnen materiell einmal schlechter gehen wird als ihren Eltern (und das ist ja nun ein neues Phänomen in der Bundesrepublik, bisher war es immer genau andersrum), kommen dann von rechten Krakeelern angebotene Sündenbockmodelle durchaus auch recht gelegen, denn dort kann man den entsprechenden Frust ganz gut abbauen.

Dass das auch anders funktionieren kann, konnte man bei den letztjährigen Vorwahlen in den USA sehen, als der progressive Kandidat der Demokratischen Partei Bernie Sanders gerade bei jungen Menschen, die sich nicht über die mehrheitlich einseitig clintonfreundlichen Medien informierten, sondern übers Internet, besonders gut ankam. Dafür braucht es aber eben auch ein entsprechendes Angebot.

Dieses findet sich in Deutschland so leider nicht, und je mehr die Nichtrechten die Klappe nicht aufbekommen und den Rechten die Meinungshoheit in sozialen Medien überlassen, desto mehr junge Menschen werden den rechten Rattenfängern auf den Leim gehen.

Schon Sascha Lobo stieß vor etwa eineinhalb Jahren in seiner Kolumne auf Spiegel Online einen entsprechenden Hilferuf aus:

Bitte, mindestens durchschnittlich Begabte, kommt zu uns ins Netz! Diskutiert mit, redet mit, zeigt euch! Lasst uns nicht allein mit den stumpfen Horden. Kommt! Wir halten nicht mehr lange durch im digitalen Stalingrad der Vollidiotie.

Das gilt heute noch in stärkerem Maße, wobei ich nicht denke, dass alle Rechten automatisch Dummköpfe sind, vielmehr sind einige durchaus Schlaue dabei, die genau wissen wie sie erfolgreich und adressatenadäquat zu agitieren haben. Also los: Haltung zeigen, notfalls auch mal bei Bekannten, die rechten Kram posten, Kontra geben, keine Angst davor haben, von Rechten angepöbelt zu werden (das machen die nämlich gern, schnell und häufig, siehe dazu hier), auf Unwahrheiten und Hetze hinweisen – es gibt viele Möglichkeiten. Auch wenn man die rechten Hetzer oftmals ohnehin nicht erreicht, so geht es doch darum, Dritten, die mitlesen und noch keine Hardcore-Rechtsaußen sind, aufzuzeigen, dass es auch andere Sichtweisen gibt – und das könnten auch Deine Kinder oder die Deiner Freunde sein!

 

 

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Ein Gedanke zu „Warum ich fürchte, dass die nächste Generation noch weiter nach rechts abdriftet“

  1. Einen Leserbrief, der uns sehr erfreut hat, erhielten wir hierzu von Marcus Langer.

    Hallo unterstroemt-Team,

    ich bin genau auf der Suche nach Seiten wie dieser. Respekt – es ist mittlerweile nicht ganz ungefährlich, den rechten Aufwind offen zu thematisieren, nachdem er sich mittlerweile bis in den Bundestag durchzieht. Kein Wunder also, dass auch die Jungs und Mädels der „gebildeten Schicht“ in einer Art indoktriniert werden, die besorgniserregend ist. Wer sich für Politik interessiert, bekommt gerade nichts Anderes geboten – und für die Anderen gibt es einfache Antworten zuhauf auf den ersten Klick. Es ist gut und wichtig, sich Diskussionen offen zu stellen, zu argumentieren und zu begründen. Auch wenn man sich damit nicht beliebt macht – ich spüre das durchaus am eigenen Leib. Schnell wird man gemieden. Aber ich finde gerade die persönliche Auseinandersetzung so wichtig – nur so erreiche ich einen Menschen. Aber die wachsenden Kommunikationsstrukturen bei den Teenies – und vermehrt auch Erwachsenen – lassen eine spontane Konversation kaum noch zu. Whatsapp lässt ja nur die Antwort auf eine fix gestellte Frage zu, der ich keine Geste oder einen Gesichtsausdruck zuordnen kann. Ich bin, wenn es Zeit und auch Kopf zulassen, eifriger Kommentator in den Spalten der medialen Facebook-Profile und gehe gerne auf kontroverse Diskussionen ein. Aber auch dort, wenn es nicht gar die Zeit oder FAZ ist, ist das Meiste nicht gerade von hohem Intellekt geprägt, fundierte Kenntnisse der Thematik oft Fehlanzeige. Und im Netz sich beleidigt zurück zu ziehen, ist mit einer letzten Beleidigung leider kein Problem. Und morgen wird das nächste Loch aufgemacht – oder jetzt schon, jede beschissene Hundertstel-Sekunde. Sisyphos lässt grüßen – aber nicht aufgeben!

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