FDP-Werbung der Tagesschau

Da hatten man nach der letzten Bundestagswahl gehofft, dass sich das Thema FDP erst mal erledigt hätte und diese durch und durch unsoziale und marktfundamentalistische Klientelpartei endlich dort wäre, wo sie hingehört – nämlich im politischen Nirgendwo. Und nun sehen die Umfragen seit Monaten Lindners Gurkentruppe wieder deutlich im Bundestag vertreten bei der Wahl im September. Das ist allerdings auch nicht so ganz verwunderlich, wenn man sieht, wie und auf welche Weise diese Partei Unterstützung erfährt.

Es ist ja schon auffällig, wenn man beobachtet, wie sehr die prognostizierten Stimmzuwächse mit der Tatsache zusammenfallen, dass in vielen politischen Talkshows FDPler, vor allem Lindner und Kubicki, zu allen möglichen Themen eingeladen werden – und zwar überproportional häufig zur derzeitigen nicht vorhandenen bundespolitischen Bedeutung der FDP. Auf diese Weise (und mit einem schicken Marketingkonzept im Hintergrund, bei dem sich vor allem Lindner als trendiger Hipster präsentiert) wird den Menschen eben suggeriert, dass die FDP tatsächlich Lösungen anzubieten hätte oder auch nur eine ernsthafte Alternative wäre, um die immer offensichtlicher zutage tretenden Probleme in Deutschland, der EU und auch der ganzen Welt konstruktiv angehen zu können.

Hinter dieser übermäßigen medialen Präsenz des FDP-Personals steckt m. E. vor allem eines: Viele Journalisten, gerade die in leitenden Positionen und mit Festverträgen, die also über die Besetzungen von Sendungen im Fernsehen entscheiden, zählen genau zu FDP-Klientel des gehobenen Mittelstands ohne finanzielle Probleme, die an den derzeitigen Ungerechtigkeiten nichts ändern möchte, um nicht selbst eventuell schlechter dazustehen oder nur ein bisschen vom eigenen großen Kuchenstück abgeben zu müssen. Klingt trivial, aber ich fürchte fast, mehr steckt nicht dahinter.

Und wie subtil dabei von den Medienprofis vorgegangen wird (schließlich verbreitet ja niemand den Slogan „Wählt FDP!“ oder Ähnliches, was allzu offensichtliche Parteinahme und Publikumsbeeinflussung wäre, ist gerade heute vonseiten der ARD-Tagesschau zu beobachten. Dort wurde nämlich auf deren Facebook-Seite folgendes Statement platziert und mit einem Meme garniert:

Berechnungen des Steuerzahlerbundes: Bis jetzt floss das Geld der Steuerzahler in diesem Jahr an den Staat und die Sozialversicherungen.

Das ist natürlich wunderbare Wahlwerbung für diejenigen, die immer nach Steuersenkungen schreien – nämlich die FDP. Und der Furor der Zuschauer bzw. Facebook-Follower ist auch in den Kommentaren dazu deutlich zu sehen, wenn über den gierigen Staat geschimpft wird, der uns allen das Geld aus der Tasche zieht.

Natürlich wird dabei dann nicht erwähnt, dass der Bund der Steuerzahler nicht für alle Arbeitenden Menschen in Deutschland steht, sondern ein recht interessengeleiteter Verein ist. Zitat aus dem Wikipedia-Artikel dazu:

Der Anspruch des Bundes der Steuerzahler, die Interessen aller Steuerzahler zu vertreten, wird von dem Politologen und SPD-Mitglied Peter Lösche als „Teil einer PR-Strategie“ bezeichnet. Von der Mitgliederzusammensetzung seien im Bund vor allem mittelständische Unternehmer und Freiberufler vertreten; von der programmatischen Ausrichtung her konvergiere er mit der FDP.

Auch in einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung wird dargelegt, dass der BdSt kein repräsentatives Abbild der steuerzahlenden Bevölkerung darstellt. Die Mitgliederstruktur wirke sich auf die politischen Forderungen des Steuerzahlerbundes aus: schlanker Staat und niedrige Steuersätze. Diese Einschätzung deckt sich mit den Erkenntnissen, die eine Studie für das Ressort Jugendarbeit und -politik im Vorstand der IG Metall bereits ein halbes Jahr vorher gewonnen hatte. Wolfgang Lieb (SPD) bezeichnet die Studien des BdSt als „sozialstaatsfeindlich“, Kai Eicker-Wolf und Patrick Schreiner werfen dem Bund vor mit dem Namen „Etikettenschwindel“ zu betreiben, Karl Weiss warf in der Berliner Umschau dem Bund im April 2010 Manipulation von Statistiken vor.

Peter Lösche kritisiert auch eine Kooperation mit der Hamburg-Mannheimer Versicherung sowie die Höhe der Gehälter des ehemaligen Präsidenten Karl Heinz Däke: Durch Aufsplitterung in drei verschiedene Gehälter (als Präsident des Bundesverbandes, als Präsident des Karl-Bräuer-Instituts und als Vorstandsmitglied des Bundes der Steuerzahler in NRW) verschleiere Däke sein Gesamteinkommen in Höhe von 187 000 Euro.

Zudem konstruiere der BdSt laut Thomas Trares volkswirtschaftlich ungebräuchliche Kenngrößen, mit denen er eine möglichst große Steuerbelastung suggeriere.

Der Spiegel warf dem Steuerzahlerbund vor, dass von ihm „angeprangerte Skandale sich allzu oft eher als Skandälchen herausstellten, die zudem aus Rechnungshofberichten abgeschrieben worden waren“.

Etwas ausführlicher haben sich auch schon die NachDenkSeiten mit diesem fragwürdigen Bund der Steuerzahler auseinandergesetzt, und zwar im Jahr 2011 in Form eines Artikels von Wolfgang Lieb. Dass der Verein also nicht komplett neutral ist, sollte also einem Journalisten, der seine Arbeit anständig macht und auch nur ein bisschen Recherche betreibt, durchaus bekannt sein – und auch für erwähnenswert erachtet werden. Es denn natürlich, man möchte eben nur ein bisschen Stimmung machen …

Das eine derartige Aussage des Steuerzahlerbundes zudem jede Differenziertheit vermissen lässt, kommt ja noch hinzu – aber das scheint bei der Tagesschau ja auch niemanden zu stören, wenn es denn darum geht, eine entsprechende Message unters (Wahl-)Volk zu streuen. Es ist ja nun nicht so, dass jeder in Deutschland die gleichen Steuern zahlt, sodass eine derartige Umrechnung der Gesamtsumme an Steuern und Sozialabgaben nichts anderes als plumper Populismus ist. Wenn so ein lobbyistisch agierender Verein wie der Bund der Steuerzahler sich derartiger Methoden bedient – o. k., das ist eben das Wesen von solchen Organisationen. Dass dies dann aber als vermeintlich neutrale Erkenntnis in verkürzter Form über ein Portal einer sich selbst immer noch als seriös bezeichnenden Nachrichtensendung verbreitet wird, ist da schon ein anderes Kaliber, finde ich.

Das Erschreckende daran ist, dass viele Menschen nach wie vor Sendungen wie die Tagesschau als hauptsächliche Informationsquelle nutzen – da sollten einen dann die Wahlergebnisse, die ja immer deutlicher widerspiegeln, dass immer mehr Menschen gegen ihre elementarsten eigenen Interessen votieren, auch nicht mehr verwundern, oder?

Es bleibt also dabei: Augen auf beim Eierkauf! Gerade auch bei den sogenannten Qualitätsmedien, deren Qualität immer mehr vor allem darin zu bestehen scheint, die Manipulation und Indoktrination geschickter verpacken zu können.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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