Einspruch, Roberto!

Roberto De Lapuente ist ja ein von mir sehr geschätzter Autor guter politischer Beiträge, meistens für neulandrebellen, von dem wir ja auch schon einiges hier verlinkt haben. Nun las ich letzte Woche seine Kolumne im neuen deutschland, in der er sich mit dem Verhalten von Linken gegenüber der AfD bzw. deren Politikern beschäftigte. Sein Tenor: Wenn man sich zu aggressiv gegen die Rechtspopulisiten äußert, dann verprellt man eventuell Wähler, die nur aus Protest die AfD gewählt haben, sich nun aber darin bestätigt fühlen, wenn ihre Politiker scharf angegangen werden, sodass man diese Menschen stärker an die AfD bindet. Gerade vor dem Hintergrund, dass AfDler sich grundsätzlich in der Opferrolle sehen („Alle gegen uns“ – damit haben die Böhsen Onkelz ja vor einiger Zeit auch schon mächtig Erfolg gehabt), erscheint dieser Einwand durchaus gerechtfertigt. Meine persönlichen Erfahrungen zeigen mir jedoch, dass es nicht ganz so einfach ist …

Natürlich ist eine Äußerung wie die von De Lapuente zitierte, nämlich die AfD-Vorsitzende Alice Weidel als „Nazischlampe“ zu titulieren, außerhalb eines satirischen Kontextes ausgesprochen unangebracht und nicht eben niveauvoll, da bin ich komplett bei ihm. Allerdings sehe ich die Auswirkungen einer solchen Aussage nicht ganz so eindeutig.

Die AfD-Anhänger kann man m. E. grob in zwei Gruppen einteilen: Da sind zum einen die reinen Protestwähler und zum anderen die wirklich überzeugten Rechtsaußen, die vor allem ihr nationalistisches und rassistisches Weltbild bei der AfD bestätigt sehen.

Letztere sind auch diejenigen, die die AfD offensiv verteidigen (beispielsweise in sozialen Medien), das sind oft Hardcore-Rassisten, die man nicht mehr „zurückgewinnen“ kann. Die sind nun vor allem deshalb so laut, weil sie sich durch die AfD vertreten fühlen, weil sie dort die Positionen äußern dürfen und auch dort zu hören bekommen, für die sie früher im eigenen Bekanntenkreis schief angeschaut wurden. Mit diesen Menschen kann man nicht diskutieren – das habe ich selbst oft genug erlebt, da sie sich in ihrer AfD-Filterblase so geborgen fühlen, dass alles, was sich dazu negativ äußert, sofort als persönlicher Angriff gewertet und entsprechend aggressiv darauf reagiert wird. (Karl-Heinz Heihse hat in seinem Buch „Protestwähler und die AfD“, dass ich vor einiger Zeit hier auf unterströmt rezensiert habe, dieses Phänomen recht gut beschrieben).

Man muss einfach akzeptieren, dass es eine bestimmte Menge an Rassisten in unserer Gesellschaft gibt, und sollte deren Positionen nicht aufwerten, indem man sie ernst nimmt oder ihrem Gerede überhaupt auch nur den Status einer Position einräumt. Und da diese Menschen eben auch nicht gerade viel von der Demokratie und ihren Strukturen (z. B. eine freie Presse) halten, ist es nahezu unmöglich, im Rahmen des demokratischen Austauschs mit ihnen zu reden. Das sind die Unintegrierbaren, und eine gesunde Gesellschaft kann es normalerweise aushalten, einen kleinen Prozentsatz solcher Leute zu haben, ohne dass diese allzu großen Schaden anrichten können.

Wer beispielsweise eine 15-jährige Schülerin als Denunziantin beschimpft und sich auch bei einem Hinweis, dass die Anzeige einer Straftat keine Denunziantentum ist, da dieses immer aus niederen Beweggründen zu erfolgen hat, nicht davon abbringen lässt (das habe ich gerade kürzlich bei einer Facebook-Diskussion eines entsprechenden Frankfurter Rundschau-Artikels erlebt), der ist nicht bereit, überhaupt etwas zu diskutieren, dem geht es nur um Bestätigung, die sich eben immer wieder in der eigenen Filterblase geholt wird. Und diese ist schön abgeschlossen, dafür sorgen deren Initiatoren schon (kritische Äußerungen werde auch bei noch so sachlichem Vortrag auf AfD-Seiten beispielsweise grundsätzlich gelöscht). Also kann man da nur zusehen, solche Menschen aus den Filterblasen anderer herauszuhalten, damit sie ihren Schmutz nicht noch weiter verbreiten. Sollen sie doch in ihrem eigenen Saft schmoren und sich mit anderen Unbelehrbaren ihre Parolen unter „Ja, genau!“-Gebölke runterbeten – denen ist eh nicht mehr zu helfen, auch wenn das nun vielleicht ein bisschen hart klingt.

Und dann gibt es da eben auch die reinen Protestwähler, doch meiner Erfahrung nach legen sich diese für Weidel, Gauland und Co. nicht unbedingt in der (sozialmedialen) Öffentlichkeit ins Zeug, die verhalten sich eher dezent, da ihnen die AfD oft genug irgendwie auch ein bisschen peinlich ist. Schließlich weiß ja mittlerweile jeder, was für ein Haufen das ist. Diese Menschen kann man in der Tat versuchen, wieder für den demokratischen Diskurs zurückzugewinnen.

Und da komme ich auch dazu, was ich hierbei anders sehe als De Lapuente: Viele dieser Wähler werden zwar einen politischen Denkzettel verteilen wollen, sind aber mit Höckes und Gaulands Verbalpoltereien nicht unbedingt einverstanden. Wenn sie nun mitbekommen, dass andere Menschen, mit denen man sonst eigentlich ganz manierlich reden kann, die AfD vehement ablehnen, dann könnte das eventuell zu einer Bestätigung der zunächst mal hintenangestellten Erkenntnis, dass die AfD im Grunde ein inakzeptabler Haufen ist, führen. Alles andere, nämlich der Versuch einer ernsthaften Debatte von AfD-Standpunkten, gibt diesen Ansichten nämlich nur eine akzeptable Fassade, eine Normalität, die ihnen nicht zusteht.

Die AfD ist nämlich keine Alternative und bietet auch keine Lösungen (das wurde ja bereits in einem Interview mit Alexander Gauland im ZDF-Morgenmagazin deutlich hervorgehoben). Das sollte man immer wieder deutlich machen und mit klaren Worten hervorheben, sodass Menschen, die AfD wirklich nur aus Protest wählen, außerhalb ihrer AfD-Filterblase mitbekommen, dass die AfD inakzeptabel ist.

Das bedeutet nun natürlich nicht, dass man die tatsächlich realen Sorgen der AfD-Wähler (damit meine ich natürlich nicht so etwas wie die immer wieder proklamierte „Islamisierung“, „Überfremdung“ oder vor welchen Minderheiten da sonst noch so Ängste geschürt werden, sondern ganz konkrete materielle Probleme, die auch von AfD-Wählern durchaus korrekt wahrgenommen werden; siehe dazu hier) nicht ernst nehmen sollte oder den Rechtsruck in Deutschland als quasi vom Himmel gefallen ansieht (was er nicht ist, der entspringt ziemlich der sogenannten politischen Mitte; siehe dazu hier). Nur wenn man die Ursachen für das Erstarken der AfD erkennt und zu beseitigen versucht, kann man einem weiteren Rechtsruck und damit AfD-Zulauf entgegenwirken. Allerdings muss man dafür nicht Diskussionen führen mit Menschen, die gar kein Interesse daran haben, eine andere als ihre eigene (menschenverachtende) Meinung auch nur gelten lassen zu wollen.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Ein Gedanke zu „Einspruch, Roberto!“

  1. Roberto De Lapuente, auf dessen Artikel ich mich ja bezog, hat uns hierzu einen Leserbrief geschickt, den ich Euch natürlich nicht vorenthalten möchte:

    Ah, so weit sehe ich unsere Positionen ja auch nicht auseinander. Ich habe ja nirgends geschrieben, dass es ein Zuckerschlecken wird. Und natürlich sind viele von diesen Wählern nicht zurückzugewinnen. Aber eben nicht alle. Eins vorher aber noch, bevor ich auf etwas hinweise, was mir bei deiner Argumentation ein bisschen suspekt erscheint: Ich habe geschrieben, wie man mit Wählern der AfD nicht umgehen sollte – das gilt bei Politikern nicht ganz so. „Schlampe“ muss man sie nicht nennen – sie sind aber Personen von öffentlichen Interessen und müssen damit leben, hart rangenommen zu werden.

    Nun zu unser beider Positionen: Im wesentlichen sagst du ja, dass man (moralischen) Druck aufbauen muss, damit diese Leute zu Besinnung kommen. Meine Position lautet, dass man sie verstehen sollte. Druck aufbauen, ja Leidensdruck schaffen, Anreize durch Einengung: Das sind für mich Ansinnen, die ein bisschen wie aus dem Menschenbild des SGB II entsprungen scheinen. Nein, ich unterstelle dir nichts, ich weise nur darauf hin. Im Grunde ist es ja auch dieser Druck, den die Abgehängten (und die in Existenzangst befindliche Mittelschicht) zu ihrer irrationalen Entscheidung trieb. Auch daher finde ich, dass man jetzt zuhören muss, wo seit Jahren schon mit Druck gearbeitet wurde.

    Und in der Tat sehe ich uns da nun auch nicht so weit auseinander. Wobei ich eben glaube, dass man über soziale Medien und Co. nicht unbedingt an die reinen Protestwähler, die sich in irrationaler Weise durch das Wählen der AfD in ihrer berechtigten Besorgtheit artikulieren, herankommt, da diese sich dort meiner Erfahrung nach eher ruhig verhalten. Aber das mögen nun auch einfach unterschiedliche Erfahrungswerte von uns sein …

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