Futter für die AfD – mit besten Grüßen von der ARD

Dass der Rechtsruck in Deutschland nicht vom Himmel gefallen ist, sondern von den Neoliberalen aus der sogenannten Mitte heraus gefördert wurde, darüber habe ich ja vor etwa einem Jahr bereits einen Artikel hier auf unterströmt geschrieben. Nun sind mir in den letzten Tagen aufgefallen, dass vonseiten der ARD schon recht deutlich Stimmung im Sinne der AfD-Jünger gemacht wird, indem dort genau deren Vorurteile bedient werden. Das halte ich für ausgesprochen gefährlich, da so gerade die AfD-Protestwähler, die keine waschechten Rassisten und somit eventuell noch argumentativ erreichbar sind, weiter inhaltlich in Richtung AfD getrieben werden. Mal davon abgesehen, dass so die AfD und ihr krudes Gedankengut wieder ein Stück weit salonfähiger gemacht werden.

Doch der Reihe nach: Zunächst mal war da in der politischen Talkshow  Maischberger die Verrohung der Gesellschaft das Thema. Anlass dazu war die Messerattacke auf den Bürgermeister von Altena in Nordrhein-Westfalen. Und was ist dann eine der Fragen, die dort auf der Website zur Sendung als Erstes stehen?

Gibt es einen Zusammenhang mit der liberalen Flüchtlingspolitik der vergangenen Jahre?

Wie bitte? Liberale Flüchtlingspolitik? Also Verschärfung des Asylrechts, Aussetzen des Familiennachzugs, Türkei-Deal, Schließen der Balkan-Route, Unterstützung von libyschen Warlords, damit diese die Flüchtlinge in Lager sperren und als Sklaven verkaufen – das ist jetzt also alles eine liberale Flüchtlingspolitik? Immerhin hat diese Form der „Liberalität“, die man auch als Abschottung mit allen Mitteln bezeichnen könnte, allein im Mittelmeer in diesem Jahr schon über 3000 Tote gefordert.

Im Grunde weiß mittlerweile jeder, der es wissen möchte, dass die merkelsche Flüchtlingsfreundlichkeit nichts weiter als ein Märchen aus Imagegründen ist – jeder, außer eben den AfD-Jüngern, für die dies eines der sinnstiftenden und zentralen Narrative ist, auf denen ihr Merkel-Hass fußt. Wie schön, dass die ARD nun genau dies bedient – und das auch noch in einem Zusammenhang, der so assoziiert: Ja, die Flüchtlinge sind schuld dran, dass hier in Deutschland besoffene Rassisten mit Messern auf Kommunalpolitiker losgehen.

Ein weiteres zentrales Narrativ der AfD-Rassisten ist, dass Deutschland überfremdet und islamisiert werden soll. Und auch hier liefert dann die ARD, diesmal in Form der Tagesschau-Website, gutes Futter: Dort findet sich ein Artikel, der sich mit einer demografischen Studie beschäftigt, die als eine mögliche Entwicklung prognostiziert, dass die Zahl der Muslime in Deutschland bis 2050 auf einen Anteil von bisher knapp fünf auf dann sechs oder gar gut zehn Prozent ansteigen könnte. Das ist natürlich, wie immer bei demografischen Prognosen, ein gutes Stück weit Kaffeesatzleserei, und das wird in dem Artikel auch so beschrieben.

Aber warum bekommt das Ganze dann die Überschrift „Zahl der Muslime in Deutschland steigt“? Das liest sich gleich ganz anders, nämlich wie eine unumstößliche Tatsache.

Nun sollte den Machern der Tagesschau-Website auch klar sein, dass es leider viele Menschen gibt, die nur eine Überschrift lesen und den Rest dann schon nicht mehr (gerade bei Rechten ist das sehr verbreitet, wie ich jeden Tag bei Facebook erleben darf). Also wird hier m. E. ganz bewusst etwas als Tatsache verkauft, was eben genau die irrationalen Befürchtungen der AfD-Jünger bestätigt, obwohl das ja überhaupt so nicht der Fall ist – wie im eigenen Artikel ja auch eingeräumt wird.

„Siehste, wir werden islamisiert, wie die AfD schon immer warnt! Sagt selbst die Tagesschau!“ Das scheint mir mit solcher Gestaltung der Überschrift die Intention der ausführenden Journalisten zu sein. Warum würde man sonst keine neutralere und dem Inhalt des Artikels angemessenere Überschrift wählen?

Und damit noch nicht genug: Vorgestern Abend gab es dann in den Tagesthemen eine schicke „Homestory“ vom AfD-Bundestagsabgeordneten Roland Hartwig (so etwa ab Minute 6:30). Tenor: Der ist doch recht nett, hat jetzt zwar nicht explizit was gegen Höcke, Gauland und die anderen Provokateuere und offenen Rassisten, aber ist eben doch nicht so drauf wie die und möchte nur vernünftige Politik machen. Super – ist ja alles also nicht so schlimm mit der AfD – sagen zumindest die Tagesthemen in der ARD! Auch das ist etwas, was AfD-Protestwähler mehr an die Partei bindet und der AfD eine gewisse Normalität verleiht.

Bleibt für mich die Frage: Warum machen die das? Was versprechen sich Journalisten davon, wenn sie eine Partei derart unverblümt supporten, indem sie deren Anhängern Bestätigung liefern? Immerhin reden wir hier über eine Partei, die nicht nur ständig auf das „zwangsfinanzierte Staatsfernsehen“ schimpft und Pressefreiheit am liebste so weit beschneiden möchte, dass nur noch ihr genehme Inhalte erscheinen dürfen. Das kann doch kein Journalist ernsthaft gut finden, oder?

Will man so eventuell diejenigen, die ständig und massiv auf das öffentlich-rechtlich Fernsehen schimpfen, zurückgewinnen? Das wäre noch fast der harmloseste Erklärungsansatz …

Oder geht es um Zuschauerquoten? Immerhin bietet die AfD ja ständig durch ihr rumpeliges und ausschließlich auf Provokation ausgelegtes Verhalten einiges an medialem Sensationspotenzial, sodass man sich die Partei und ihre Anhänger vielleicht ein bisschen bei der Stange halten möchte. Das wäre dann allerdings schon reichlich verantwortungslos, finde ich.

Oder machen die zuständigen Redakteure so beim Spiel der Neoliberalen mit, die AfD zu stärken, um so eine Legitimation für das eigene Weiter-nach-rechts-Rutschen zu haben (s. dazu erneut den bereits oben verlinkten unterströmt-Artikel zum Rechtsruck)? Das wäre schon nicht mehr so ganz harmlos, denn ein solches Vorgehen ist m. E. ein Tanz auf dem Vulkan. Die Büchse der Pandora, die man so öffnet, dürfte nur schwer wieder zu schließen sein.

Oder finden die verantwortlichen Journalisten vielleicht selbst die AfD super? Das wäre schon sehr erschreckend und ein wenig schizophren aufgrund der pressefeindlichen Haltung der Rechtspartei. Aber andererseits ist die AfD ja auch eine Partei mit einem Programm, dass sich an den Interessen der Besserverdiener orientiert – also quasi eine Art FDP mit Schmuddel-Thrill.

Was also genau zu einer derartigen Häufung von AfD-affinen Inhalten in der ARD geführt hat, werde ich so nicht klären können.

Dabei geht es mir auch gar nicht darum, nun generell über die ARD oder gar die öffentlich-rechlichen Medien generell herzuziehen, schließlich verweisen wir hier bei unterströmt ja auch oft genug auf gute Beiträge und Sendungen von denen. Und natürlich ist mir auch bewusst, dass es das von rechter Seite immer wieder gern propagierte „Staatsfernsehen“ so nicht gibt, sondern dass bei den öffentlich-rechtlichen Sendern einzelne Journalisten arbeiten, die unterschiedliche Ansichten und auch Qualitätsansprüche an ihre Arbeit haben. Dennoch finde ich es auffällig, dass in der letzten Woche vonseiten der nun derart schon fast Werbung für die AfD gemacht und deren Sprech übernommen wurde, und das auch noch von Formaten wie Maischberger oder der Tagesschau, die nun mal eine größere Reichweite haben dürften als beispielsweise Monitor oder kritische Reportagen.

AfD-Positionen sollten schon zur Diskussion gestellt werden, und auch AfD-Politiker sollten zu Wort kommen, und das bitte am besten mit kompetenten Gesprächspartnern, die dann den rassistischen, reaktionären und nationalistischen Aussagen auch entsprechend Kontra geben können. Aber das ist ja auch was anderes, als wenn man die verzerrte Wirklichkeitswahrnehmung vieler AfD-Anhänger einfach so wiedergibt (liberale Flüchtlingspolitik, Islamisierung, der nette AfD-Mann von nebenan, der ja gar nicht so schlimm ist wie Höcke und Co.) und damit gerade diejenigen stärker an die AfD bindet, die bisher „nur“ als Protestwähler bei der Rechtspartei gelandet sind.

Auf diese Weise verfestigt man nämlich alternative Wahrheiten, und das kann und sollte ja wohl kaum Auftrag der öffentlich-rechtlichen Medien sein, oder?

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Ein Gedanke zu „Futter für die AfD – mit besten Grüßen von der ARD“

  1. Danke! Das war dringend nötig. Das ist wirklich unglaublich, auf welche unwürdige und abstoßende Weise Deutschland gegenüber der Flüchtlinge mauert. Bis auf Merkels „Wir schaffen das!“ gab es wirklich „politisch umgesetzt“ nur Gegenwind, aus meiner Sicht bis zur Verfassungswidrigkeit. Im Zuschauen und Nichtstun hat sich das politische Deutschland auf jeden Fall mächtig reingehängt. Gerade hat Frontal21 einen kleinen Essay veröffentlicht, der leider bei weitem nicht schonungslos genug ist …

    Übrigens: Wenn man das „R“ in der ARD von oben nach unten in der Mitte durchschneidet und dann die rechts Hälfte entfernt (auch wenn es inhaltlich die linke Seite sein müsste, die entfernt wird), dann wird klar warum die ARD nun so einen Bockmist ausstrahlt (zumindest zur Hauptsendezeit, denn vernünftige Sendungen laufen da leider erst ab 22 Uhr und deutlich später).

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