In der AfD ist alles erlaubt

Letzte Woche las ich einen Kommentar von Benjamin Konietzny auf der Website von ntv mit obigem Titel. Darin wird beschrieben, wie in der AfD jede rechtsextreme oder rassistische Ausfälligkeit dann doch irgendwie wieder geduldet wird. Konietzny verweist dabei auf einen moderaten Flügel der AfD, der dem völkischen Teil der Partei wenig entgegenzusetzen hat, wagt aber die Prognose, dass ein Großteil der AfD-Anhänger solcher Radikalisierung nicht eben positiv gegenüberstehen und enttäuscht werden dürfte, wenn dank Höcke, Gauland und Co. die AfD als Koalitionspartner für eine Regierung schon mal generell auch in Zukunft außen vor wäre. Dabei habe ich allerdings den Eindruck, dass Konietzny den Kern der AfD und ihrer politischen Strategie verkennt.

Zum einen fehlt mir bei ihm der Aspekt, dass es m. E. vor allem Karrieristen gibt in der AfD, denen in erster Linie daran gelegen ist, sich schön einen Parlamentsposten zu ergattern, um sich dann entsprechend alimentieren zu lassen. Denen kommt (egal, welchem „Flügel“ sie zuzuordnen sind) das rechte Gepolter gerade recht, denn das bringt Öffentlichkeit und ist somit PR für die Partei. Daher wird das auch nur allzu gern geduldet. Natürlich sagt man dann ab und zu offiziell, dass man damit nichts zu tun haben will, aber meint das eben auch nicht wirklich ernst (wie ja auch in Konietznys Kommentar durchaus treffend beschrieben beschrieben).

Was diese Leute vor allem wissen, und das ist ein zweiter Aspekt, den man unbedingt berücksichtigen muss: Sie dürfen gar nicht irgendwo an die Regierung kommen, denn schließlich haben sie keine Konzepte, um irgendwas im Sinne des Großteils ihrer Wähler zu verbessern. Wie substanzlos die Inhalte der AfD sind, würde sich sofort herausstellen, wenn diese tatsächlich umgesetzt würden. Keinem armen Rentner, keinem Arbeitslosen, keinem Niedriglöhner würde es besser gehen, wenn alle Flüchtlinge das Land verlassen müssten. Das kapieren die AfD-Wähler nur eben leider nicht – und die Parteiführung wird einen Teufel tun, die auch noch darauf zu stoßen.

Insofern würde sich die AfD ihr (leider durchaus erfolgreiches) „Geschäftsmodell“ ziemlich versauen, wenn sie tatsächlich Koalitionsfähigkeit an den Tag legen und dadurch dann auch politische Verantwortung übernehmen würden. Deutlich wird das ja, wenn man sich die Flüchtlingspolitik der letzten Jahre und deren Rezeption durch die AfD betrachtet: Die Agitatoren der Rechtspartei tun ja immer noch so, als hätte es seit 2015 keine Asylrechtseinschränkungen, keine Aussetzung des Familiennachzugs, keine Schließung der Balkanroute, keine Deals mit Erdogan, libyschen Warlords und afrikanischen Despoten, die der EU die Flüchtlinge vom Hals halten sollen, und auch keine Abschiebungen in Kriegsgebiete gegeben – als wäre also nicht schon längst de facto von der Merkel-Regierung quasi AfD-Flüchtlingspolitik betrieben worden. Man könnte sich ja nun mit diesem Erfolg, die Bundesregierung derart vor sich hergetrieben zu haben, brüsten, aber das macht man vonseiten der AfD nicht, da eben das einzige Narrativ, was bei den AfD-Wählern verfängt, dann nicht mehr vorhanden wäre. Und mit ihrem unsozialen ultraneoliberalen Programm kriegen sie ihre Wählerklientel sonst nicht an die Urne.

Denn dessen muss man sich immer bewusst sein: Die AfD wird nicht trotz, sondern wegen ihres offensichtlichen Rassismus und Nationalismus gewählt. Es gibt einige Studien (s. beispielsweise hier und hier), die einen Wert um zehn Prozent der Deutschen angeben, die ein geschlossen rechtsextremes Weltbild haben. Wenn die nun alle AfD wählen, dann ist das schon mal ein beträchtliches Fundament. Dazu kommen dann noch die sogenannten Protestwähler, von denen Konietzny ja annimmt, dass sie von rechtsextremen AfD-Äußerungen abgeschreckt werden könnten. Allerdings bin ich mir da nicht so sicher, ob das so hinhaut. Viele Protestwähler haben eben vom politischen Establishment die Nase gestrichen voll, sodass ihnen alles, was von diesem vehement abgelehnt wird und vermeintlich dagegen anpoltert, erst mal sympathisch erscheint – besser zumindest als immer die „gleiche alte Soße“, als der sich die neoliberalen Parteien eben für viele Menschen darstellen.

Und daher ist es m. E. auch müßig, die AfD in einen vermeintlich moderaten und einen rechtsextrem-völkischen Flügel einzuteilen. Zum einen war rechtes und reaktionäres Gedankengut schon von Anfang an bei der AfD offensichtlich vertreten (zumindest habe ich das in einem Artikel von Anfang 2014 bereits so beschrieben), es wurde nur von Lucke und seinen Spießgesellen zunächst mal nicht so in die Öffentlichkeit hinausgepoltert, wie es nun oftmals der Fall ist. Zum anderen wurden ja auch damals bereits gezielt rechte Wählervereinigungen angesprochen, um deren Mitglieder abzuwerben – mal davon abgesehen, dass der extremistische Neoliberalismus, den die AfD ja auch von Anfang an vertreten hat, ja schon immer gut mit rechtsextremen und faschistischen Tendenzen zusammengepasst hat (das weiß man ja nun schon seit der Pinochet-Diktatur in Chile).

Und dann kommt eben auch noch dazu, dass der offensichtliche Rassismus in der AfD ja nun auch sehr gut dem sich leider immer weiter nach rechts orientierenden Zeitgeist entspricht, wie ich ja auch vor einiger Zeit schon mal bei einer Analyse der Ursachen des Rechtsrucks in Deutschland festgestellt habe. Das rechte Gekeife von Höcke und Co. ist ja nicht einfach so vom Himmel gefallen, sondern wurde durch Entwicklungen, die aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft heraus initiiert wurden, gefördert, wenn nicht gar überhaupt erst ermöglicht.

So gern ich mich also der Prognose von Benjamin Konietzny anschließen würde, so sehr zweifele ich doch daran, dass die AfD moderater agieren wird oder durch ihren zur Schau gestellten Rechtsextremismus tatsächlich viele Wähler verlieren dürfte. „In der AfD ist alles erlaubt“ – das ist in der Tat eine richtige Aussage. Aber es ist nicht nur alles erlaubt, sondern eben auch erwünscht und wird als dringend notwendig erkannt, um die Ziele der AfD-Karrieristen weiter erfolgreich erreichen zu können.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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