Aufbruch ins Ungewisse

In der Mediathek der ARD ist bis zum 9. März noch der Spielfilm „Aufbruch ins Ungewisse“ zu sehen. In dieser sehenswerten Dystopie geht es um Menschen, die in einer nicht allzu fernen Zukunft aus Deutschland flüchten müssen, da dort (so wie in allen anderen europäischen Staaten auch) rechtsextreme Regierungen an der Macht sind, die jeden repressiv verfolgen, der es wagt, sich regimekritisch zu äußern.

So muss auch Jan Schneider zu Beginn des Films quasi von einem Tag auf den anderen das Land verlassen, da er denunziert wurde und ihm nun Gefängnis oder Schlimmeres droht. Er beabsichtig, nach Südafrika zu fliehen, da dies eines der wenigen Länder in Afrika ist, das tatsächlich Schutzsuchende aus Europa aufnimmt. Eigentlich will er seine Frau Sarah und die beiden Kinder Nora und Niklas später nachholen, allerdings drängt Sarah ihn dazu, dass sie alle gemeinsam fahren, da sie schon von Menschen hörte, deren Familie inhaftiert wurde, nachdem diese das Land verlassen hatten.

Also macht sich die gesamte Familie bei Nacht und Nebel auf den Weg, um zunächst mit einem Schiff in Richtung Afrika aufzubrechen.

Über die Situation in Deutschland wird dabei so gut wie nichts erzählt, der Fokus der Geschichte liegt eindeutig auf den Flüchtenden und ihrem Schicksal. Denn die Flucht erweist sich als ausgesprochen riskant und gefährlich, da man eben von Schleppern abhängig ist, denen es vor allem ums Geld geht.

Eindrucksvoll wird sowohl die Flucht selbst als auch später der Alltag in einem Flüchtlingscamp geschildert. All die Strapazen belasten die Beziehungen der Familienmitglieder enorm, sodass es zunehmend zu Spannungen kommt.

Mehr will ich hier nun auch gar nicht zum Inhalt verraten, um nicht zu spoilern.

Was den Film für mich sehr wertvoll macht, ist, dass die Perspektive der deutschen Mittelstandsfamilie, die von heute auf morgen ihres Lebens inklusive aller Bequemlichkeiten beraubt wird und so nur noch ums nackte Überleben kämpft, glaubwürdig dargestellt wird. Und natürlich stellt man sich beim Anschauen des Films vor, dass es zurzeit etlichen Menschen so ähnlich geht, nur eben, dass diese vom Süden in den Norden fliehen. Durch die vertraute ursprüngliche Lebenssituation der Protagonisten wird so auf geschickte Weise Empathie geweckt für Flüchtende in der derzeitigen Realität.

Vermutlich genau aus diesem Grund laufen auch viele Rechte, angefangen von AfDlern bis hin zu rechten Meinungsmachern, Sturm gegen den Film. Klar, wer auf Empathielosigkeit setzt, dem sagt so eine Geschichte natürlich überhaupt nicht zu, zumal auch noch eine Regierung, die solche Leute vermutlich erstrebenswert fänden, als negativ beschrieben wird, da sie Menschen in die Flucht treibt. Allerdings ist solche rechtsextreme Kritik ja eher als Lob zu verstehen, dass der Film anscheinend genau zentrale Punkte der Problematik und des Schicksals vieler Flüchtlinge treffend darstellt.

Also bitte ranhalten und sich die 87 Minuten Zeit nehmen für „Aufbruch ins Ungewisse“, solange das noch in der Mediathek angeschaut werden kann.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Ein Gedanke zu „Aufbruch ins Ungewisse“

  1. Die Geschichte einfach mal umgedreht … klasse gemacht! Die kleinen Hoffnungsschimmer, an denen sich Flüchtlinge hochziehen, um dann wieder auf dem Boden der unmenschlichen Tatsachen aufzuschlagen. Ich würde auch sagen: unbedingt anschauen!

    Schön wäre ein Mehrteiler gewesen, der auch die Gründe für die Flucht mehr beleuchtet. Aber für den Fokus auf die Flucht ist das prima umgesetzt. Vielleicht ein bisschen viel musikalische Untermalung, die praktisch nie abklingt, aber der Film soll wohl auch genau so berühren …

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