Nennt es Arbeitsbeschaffungsmaßnahme …

… und verkneift euch Ausdrücke wie „solidarisches Grundeinkommen“, wenn ihr Vorschläge à la ABM macht. Das wäre ehrlicher und würde viele Kritiker verstummen lassen, mindestens kleinlauter werden lassen – auch mich.

Ein Gastartikel von Heinz Peglau

Das sogenannte solidarische Grundeinkommen ist nämlich nichts anderes als eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, und weil sie entlohnt wird, eine Gegenleistung seitens des Empfängers erbracht werden muss, ist es ein Arbeitseinkommen und sollte deshalb auch als solches bezeichnet werden. Ein öffentlich gefördertes Arbeitseinkommen, mehr ist es nicht, aber auch nicht weniger.

Ein Grundeinkommen ist etwas ganz anderes, hat keine Folgen für den Empfänger, eine Gegenleistung erbringen zu müssen, steht jedem Bürger und jeder Bürgerin zu und nicht nur denen, die bereit sind, eine Gegenleistung dafür zu erbringen, wenn es von der Gesellschaft gezahlt wird, wie hier vorgeschlagen. Wird es das, ist es immer solidarisch. Eine Tautologie also noch dazu. Warum wohl? Vielleicht weil man wieder so tun will als ob? Mir drängt sich diese Vermutung auf, denn auch Herr Müller und andere sollten diese Begrifflichkeiten kennen und auseinanderhalten können.

Ich will Herrn Müller aus Berlin gar nicht seine positive Motivation absprechen, im Gegenteil finde ich es sogar gut, dass er diesen Vorschlag unterbreitet hat, besser wäre es allerdings, er hätte es beispielsweise ABM genannt, ehrlicher und weniger verwirrend. Dass Herr Müller auf die öffentlichen Haushalte als Beschäftigungsmöglichkeit hinweist, ist jedenfalls aller Ehren wert. Denn natürlich sind dort Potenziale zu heben, um Beschäftigung von Menschen, die ansonsten schwerer in Beschäftigung zu bringen sind oder gar nicht mehr in Beschäftigung zu bringen wären, wieder zu erschließen. Aber es ist Arbeit, welche man hier schafft, und diese wird entlohnt und nicht solidarisch als Grundeinkommen gezahlt.

Und es ist auch kein Paradigmenwechsel zur Hartz-Fear-Gesetzgebung. Nein, ganz und gar nicht. Der Vorschlag steht völlig im Einklang mit dieser, ist systemkonform, zieht Hartz-Fear nicht mal ansatzweise in Zweifel, ist deshalb auch kein Beitrag zur Hartz-Fear-Diskussion, ist fördern und fordern, ja eine positive Sanktion, wenn man genau hinschaut. „Entweder du nimmst diesen Job oder du vegetierst weiter in Hartz-Fear, mit allen Konsequenzen, die das für dich hat.“ Weshalb sich Olaf Scholz auch beruhigt zurücklehnen könnte und nicht – wie Heute zu lesen – Hartz-Fear meint verteidigen zu müssen. Warum wohl? Vielleicht auch hier, um so zu tun als ob? Auch das halte ich für möglich. Eine Abkehr von Hartz-Fear steht in dieser Koalition nämlich nicht auf der Agenda, wäre für die SPD – auch wenn sie wollte – gar nicht durchzusetzen. Wer diese Hoffnung hegt, sollte sich dieser entledigen, bis auf Weiteres zumindest, denn man will auch gar nicht, zumindest die wollen das nicht, die die SPD derzeit führen, wie Herr Scholz ja deutlich gemacht hat.

Einen Paradigmenwechsel sehe ich nicht einmal am Horizont derzeit bei den Regierungsparteien, auch nicht bei der SPD und in deren Führung schon gar nicht. Angst vor der Diskussion sehe ich bei der SPD, sah ich schon letztes Jahr bei Herrn Weil aus Hannover, als der Herr Schulz aus Würselen seine vage Kampagne der sozialen Gerechtigkeit begann und ihm gleich in die Parade gefahren worden ist, nicht nur von Herrn Weil. Aber diese Angst wird eher dazu führen, nicht über Hartz-Fear zu diskutieren, diese Diskussion zu unterdrücken. Angst ist immer ein schlechter Ratgeber, so auch hier. Spätestens wenn Frau Nahles zur Vorsitzenden „gekrönt“ worden ist – auch keine Hartz-Fear-Gegnerin, im Gegenteil -, wird diese Diskussion kanalisiert werden, und zwar weg von einer Lösung, welche Hartz-Fear in Zweifel ziehen könnte. Man möge mir meinen Pessimismus hier verzeihen.

Ein Paradigmenwechsel wäre allerdings schnell einzuleiten über die Abschaffung der Sanktionen zuerst und im Folgenden über die Erhöhung der Hartz-Sätze, über endlich wieder zu zahlende Rentenbeiträge beim ALG-II-Bezug (auch um der Altersarmut vorzubeugen) und andere wichtige Maßnahmen. Nichts davon sehe ich jedoch in der Diskussion derzeit. Weder die Sanktionen werden ernsthaft diskutiert noch die Erhöhung der Hartz-Sätze (obwohl vom Verfassungsgericht diese schon längst angemahnt worden sind), und die Rentenbeiträge stehen überhaupt nicht mehr im Blick der Öffentlichkeit. Immer noch gilt, es ist das sozial, was Arbeit schafft, treiben der Unsinn des Liberalismus und die protestantische Ethik ihr Unwesen, sind wir weit entfernt davon, den Sozialstaat zu revitalisieren. Im Gegenteil, solche Vorschläge schaffen genau das gegensätzliche Klima, gehen in die Gegenrichtung, schaffen wieder einen Humus, auf dem das immer unsozialere Verhalten der Gesellschaft gegenüber den Schwächsten der Gesellschaft weiter wachsen kann, weil erst einmal Ansprüche der Gesellschaft gegenüber dem Individuum formuliert werden, welches Schwäche zeigt, und nicht umgekehrt diesem Individuum Ansprüche zuerkannt werden, welche über satt, trocken, warm hinausgehen würden, und nicht einmal diese werden doch erfüllt, schaut man auf die Schlangen bei den Tafeln, auf die offene und versteckte Obdachlosigkeit im Land, macht man ein wenig die Augen auf für die Schattenseiten dieses reichen Landes. Sozial wäre etwas anderes, wäre die Anerkennung der Ansprüche derer, die zu schwach sind, um für sich selbst ausreichend zu sorgen, gegenüber der Gesellschaft, wäre es, die Verteilungsfrage wieder anders zu stellen und anders zu beantworten als derzeit, wäre die Erkenntnis, dass eine Gesellschaft nur daran zu beurteilen ist, wie sie mit den Schwächsten in ihren Reihen umgeht.

Wenn das jedenfalls die Antwort der SPD sein sollte auf Spahns Verunglimpfung der Armen hier im Lande, auf die Probleme der Menschen, welche nur auf den Staat noch hoffen können, auf Tafeln angewiesen sind, weil sie von den Märkten und den dort Mächtigen längst abgeschrieben sind, als Kostenfaktor möglichst klein zu halten angesehen werden, dann gute Nacht Marie, gute Nacht SPD und gute Nacht Deutschland.

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