Die Verblödung greift immer weiter um sich. Klingt hart, ist aber so andauernd zu beobachten, wenn Menschen meinen, dass sie keine längeren Texte mehr lesen oder sich nicht mehr ohne Navi orientieren können. Und auch in sozialen Medien sieht man Tag für Tag, wie gerade diejenigen, die nicht die hellsten Kerzen auf der Torte sind, den Hals am weitesten aufreißen, und das, ohne sich auch nur ansatzweise zu schämen.
Ich glaube, dass es kein Zufall ist, dass dieser Trend mit einigen technischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, die eigentlich das Potenzial hätten, uns immer mehr Infos, Bildung, Wissen und Kompetenzen zu vermitteln, zusammenfällt. Dabei bin ich bestimmt niemand, der ins „Früher war alles besser“-Lamentieren einstimmen möchte, denn ich selbst nutze ja neue Techniken auch sehr gern und bin beispielsweise sehr froh, dass ich statt eines Walkman nun schon seit Jahren einen iPod fürs Musikhören unterwegs nutzen kann.
Wie bei so vielen Sachen hängt es allerdings auch bei der Technik davon ab, wie man sie nutzt. Und da nun seit einigen Jahrzehnten die Menschen hierzulande zunehmend zu braven Konsumenten mit sozialen Defiziten erzogen wurden (Stichwort neoliberale Indoktrination; s. dazu beispielsweise hier), verhalten sich viele eben auch entsprechend wenig umsichtig – was dann eben zu einem Verblödungseffekt führt. Bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist das noch deutlicher zu beobachten, denn die sind ja komplett mit diesem Zeitgeist aufgewachsen. Das habe ich vor etwa zwei Monaten schon mal in einem Artikel beschrieben, dort finden sich auch Links zu den dazu mittlerweile vorliegenden Untersuchungen, die beispielsweise eine schlechtere Aufmerksamkeit festgestellt haben.
Das Problem dabei: Derart verblödete Menschen sind von den Herrschenden durchaus gern gesehen, denn denen kann man schön Mumpitz auftischen und für bare Münze verkaufen, ohne dass sie es merken, und komplexe Probleme kann man mit dumpfen, aber nicht zielführenden Parolen begegnen. Das ist auch immer wieder zu beobachten, und das bei Weitem nicht nur von der AfD. Ein prominentes Beispiel, das es sogar zum geflügelten Wort gebracht hat: die schwäbische Hausfrau, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) immer als erklärenden Vergleich für die Finanzierung von Staatsausgaben herangezogen hat. Oder auch der ökonomische Unfug, welcher der „Schuldenbremse“ zugrunde liegt (s. dazu hier) und der von viel zu vielen einfach so hingenommen und nicht kritisch hinterfragt wird.
Zudem lassen sich verblödete Menschen auch besser für die Teile-und-herrsche-Strategie (s. dazu hier und hier) instrumentalisieren. Und das in einer Art und Weise, die man oft genug nur noch als Entrationalisierung bezeichnen kann, da sie eben nicht auf Kausalitäten und Tatsachen beruht, sondern oft genug wissenschaftsfeindlich und/oder schlichtweg unlogisch ist. Ein Beispiel: der Hass auf arme Menschen. Gerade aktuell mal wieder gut zu beobachten bei der Stimmungsmache gegen Bürgergeldempfänger. Dabei sollte doch eigentlich nicht nur jedem klar sein, dass es niemandem besser gehen wird, wenn Menschen, denen es noch schlechter geht als einem selbst, noch weniger haben. Hier wird also Neid geschürt mit einem Blick „nach unten“, und gleichzeitig wird von den gleichen Personen jede Diskussion über Ungleichheit mit dem Blick „nach oben“ als „Neiddebatte“ abgetan. Mal abgesehen davon, dass der Sozialstaat nicht nur eine hohe zivilisatorische Errungenschaft ist, sondern auch ökonomisch ausgesprochen sinnvoll (s. dazu hier).
Aber so etwas lässt sich eben nicht so gut mit Menschen durchziehen, die sich ihrer Mündigkeit bewusst sind und die zudem gern ihren kritischen Verstand gebrauchen. Deswegen ist die Verblödung eben auch ein beliebtes Herrschaftsinstrument von Herrschenden, die für die breite Masse nicht gerade das Beste im Schilde führen.
Aber ich will einfach mal chronologisch anfangen, und dann wird sich da sogar ein nicht technischer Aspekt hinzugesellen.
Fernsehen
Das Ganze hat nämlich nicht erst im Zeitalter der umfassenden Digitalisierung eingesetzt, sondern m. E. schon vorher: Dass Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) im Zuge der sogenannten geistig-moralischen Wende (die eigentlich eine neoliberale Wende war) Anfang der 1980er-Jahre den öffentlich geförderten Ausbau des Privatfernsehens ganz oben auf seiner Agenda hatte, hatte wohl nicht nur etwas mit seinem Busenfreund Leo Kirch, der genau in dem Geschäftsfeld tätig war, zu tun, sondern mit der Erkenntnis, dass auf diese Weise die Bürger auch noch schön verblödet werden können.
Nun ist natürlich nicht alles Schrott, was im Privatfernsehen läuft (wenngleich zu einem wesentlich höheren Anteil als in den Öffentlich-Rechtlichen – an denen es natürlich auch einiges zu kritisieren gibt, aber das ist ein anderes Thema), allerdings ist so die Verfügbarkeit von bunten Bildern auf der Mattscheibe doch deutlich gestiegen. Vorher gab es noch so was wie Testbild am Vormittag und Sendeschluss am späten Abend, und auf einmal konnte man rund um die Uhr schon irgendetwas finden, um sich zu berieseln.
Das Problem dabei: Fernsehen lässt keine Leerstellen, die von der Fantasie aufgefüllt werden müssen. Wer ein Buch liest, der muss sich die Bilder dazu vorstellen und sich ausmalen, wie die Stimmen der Personen wohl klingen, wer ein Hörspiel oder Hörbuch hört, muss die Bilder dazu ebenfalls in seinem Kopf entstehen lassen, wer ein Bilderbuch anschaut oder einen Comic liest, muss die Zweidimensionalität der Abbildungen immer noch in dreidimensionale und bewegte Bilder mit dazugehörigem Ton umsetzen. Wer sich etwas im Fernsehen oder anderen Medien als Bewegtbild anschaut, muss all das nicht machen, der bekommt alles gleich mitgeliefert.
Das ist vor allem für Kinder nicht förderlich, denn so wird die Hardware namens Gehirn nicht so richtig gut ausgebildet, die sich vor allem dann gut entwickelt, wenn eben diese Leerstellen mithilfe der Fantasie gefüllt werden.
Das ist alles nicht so wild, wenn ab und zu mal etwas im Fernsehen oder auf Video/DVD/Bluray geschaut wird, sobald das aber zum Dauerzustand wird, und das ist ja leider seit den 80er-Jahren zunehmend zu beobachten gewesen, wird das zum Problem, das die kognitive Entwicklung beeinträchtig. Und das bei Erwachsenen dann auch zu Denkfaulheit führen kann, wenn man sich nur noch auf Bewegtbildmedien konzentriert.
Bildungspolitik
Und hier kommt dann auch schon der oben angekündigte nicht technische Aspekt: die Bildungspolitik.
Diese orientiert sich nämlich seit Jahren schon vorzugsweise an den Vorgaben der Wirtschaft, möglichst unkritische Humanressourcen und Konsumenten zu produzieren. Das sieht man dann an solchen bildungspolitischen Irrwegen wie G8-Gymnasium oder der Verschulung des Studiums im Zuge des Bologna-Prozesses. Na ja, und dann kommt natürlich noch hinzu, dass in der Bildungspolitik auch immer wieder gern gespart wird, sodass zu wenig Lehrer vorhanden und die Schulgebäude in mitunter erbarmungswürdigem Zustand sind – alles nicht gerade Zeichen einer idealen Lernumgebung.
Das Resultat davon ist nicht nur, dass Deutschland bei den PISA-Studien immer weiter hinten landet, sondern dass die jungen Menschen immer weniger Sozialkompetenzen auf ihrem Bildungsweg lernen, da dafür einfach keine Zeit mehr ist. Kreatives Denken bleibt natürlich auch auf der Strecke, genauso wie viele Aspekte, die eigentlich einen mündigen Bürger auszeichnen sollten. Ironischerweise meckern nun selbst die Personalchefs von Unternehmen schon darüber, dass sie ja vor allem sozialinkompetente Fachidioten vorgesetzt bekommen vom Bildungssystem (s. hier).
Veränderungen im Bildungswesen sind zwingend notwendig, denn die Welt, in der junge Menschen aufwachsen, verändert sich beständig und zudem in den letzten Jahrzehnten immer schneller. Wenn diese Veränderungen allerdings alle in eine Richtung gehen, umfassende Bildung zu verhindern, dann läuft da etwas ganz gewaltig falsch.
Displays für Kinder
Wie schon beim Thema Fernsehen angemerkt: Bildschirme sind für Kinder nur bedingt gut geeignet – und je jünger die sind, desto weniger. Darauf weisen Fachleute wie beispielsweise Manfred Spitzer schon seit vielen Jahren hin (s. hier). Doch in vielen Kinderzimmer standen schon vor Jahren eigene Fernseher, die vom Nachwuchs dann auch gern mal unkontrolliert (und damit viel zu viel) genutzt werden konnten.
Das Ganze hat sich nun natürlich noch mal verschärft, denn die Bildschirme sind mittlerweile immer mit dabei in Form von Smartphones und Tablets. Und so kann ich auch immer wieder beobachten, dass Eltern beispielsweise in einem Restaurant ihre Kinder ruhigstellen, indem sie ihnen irgendwelche Videos auf dem Tablet anmachen oder sie ins Smartphone glotzen lassen, damit sie dort nicht vor lauter Langeweile die Wände hochgehen.
Auch in Autos gibt es mittlerweile Tablet-Halterungen an den Sitzlehnen der Vordersitze, damit die lieben Kleinen bei längeren Autofahrten nicht im Fond herummarodieren, sondern schön ruhig vor dem Bildschirm sitzen. Und auch beispielsweise am Urlaubsort kann dann wunderbar den ganzen Tag irgendwas im Internet angeschaut werden. Auf irgendwelche Fernsehsender, deren Sprache man nicht versteht, ist ja keiner mehr angewiesen.
Was dann nur eben zu einem noch mehr gesteigerten Bildschirmkonsum führt, meistens von Videos und Ähnlichem, und die Auswirkungen davon hab ich ja oben bereits beschrieben.
Social Media
Social Media ist eigentlich eine coole Sache: Man kann sich mit Menschen auf der ganzen Welt austauschen, dabei auch Bilder teilen oder interessante Links verschicken. Eigentlich …
Leider hat diese technische Errungenschaft eine doch durchaus auch recht unappetitliche Entwicklung genommen, und das ist m. E. vor allem zwei Sachen geschuldet: der Profitorientierung der Betreiber und dem Zeitgeist. Und auch der Tatsache, dass zunächst mal niemand so richtig gelernt hat, wie man damit umgehen sollte – und Medienkompetenz meines Wissens leider immer noch kein Schulfach ist.
Den Betreibern von Social-Media-Portalen geht es vor allem darum, viele Klicks von Usern zu generieren, da auf diese Weise die Werbeeinnahmen gesteigert werden können. Insofern ist denen Content lieber, der nicht lange die Aufmerksamkeit fesselt, sondern einmal angeschaut wird, sodass dann weiter zum nächsten Inhalt gewechselt wird. Am deutlichsten wird das wohl bei TikTok (s. hier), aber auch Twitter (heute X) war ja mit seiner Zeichenbegrenzung von Anfang an nicht darauf ausgelegt, komplexere Inhalte zu transportieren (weswegen dieses Medium für mich persönlich auch nie interessant war).
Das Ganze wird dann immer mehr mit Werbung zugemüllt, die am besten auch noch personalisiert auf die User zugeschnitten ist. So verschwimmt nicht nur die wahrnehmbare Grenze zwischen Werbung und Nichtwerbung, sondern man wird auch ständig mit gewerblichen Ansinnen konfrontiert. Und die sind ja meistens auch nicht besonders inhaltsschwanger, sondern setzen auf kurze Botschaften.
Das ist sehr schade, wie ich finde, denn eigentlich könnten soziale Medien auch ein Ort sein, an dem Menschen sich konstruktiv zu Themen austauschen.
Ab und zu passiert genau das sogar mal, meistens allerdings arten Diskurse schnell in Gezeter und Anfeindungen aus, und das ist dann m. E. dem Zeitgeist geschuldet: Es geht vielen nämlich nicht darum, sich ein umfassendes Bild von einem Sachverhalt zu verschaffen und dieses im Laufe des Prozesses auch immer wieder zur revidieren, wenn neue Informationen dazukommen, sondern es stehen das Rechthaben und die Bestätigung der eigenen Ansichten im Vordergrund. Und wer diese Ansichten nicht teilt, wird dann eben schnell zum Feind auserkoren.
Auch diese Geisteshaltung ist ein Resultat der neoliberalen Indoktrination: Wer potenziellen Konkurrenten gegenüber zugibt, sich geirrt zu haben, der offenbart Schwäche, und das geht ja gar nicht. Also lieber betonköpfig auf dem eigenen Standpunkt verharren, auch wenn es genügend Hinweise dafür gibt, dass diese vielleicht doch nicht so ganz korrekt sein könnte.
Aus diesen ganzen Zutaten von Social Media ergibt sich dann die Gemengelage, die wir gerade beobachten können: Komplexe Inhalte werden reduziert dargestellt, oft werden nur Überschriften gelesen oder Bilder angeschaut, da man gleich zum nächsten Topic wechseln möchte, und Widerspruch zu eigenen Aussagen wird entweder ignoriert oder eben niedergewettert.
Zivilisierte Diskussionskultur geht in jedem Fall anders … Und ebendiese ist ja eine wichtige Voraussetzung dafür, um komplexe Themen hinreichend ergründen zu können. Auf diese Weise tragen soziale Medien nun allerdings dazu bei, dass Komplexität zunehmend reduziert wird. In einer immer komplexeren Welt keine so richtig gute Sache, sondern etwas, was dann bei immer mehr Menschen zu umfassendem Nichtverstehen von Vorgängen, Entwicklungen und Prozessen führt.
Smartphones
Wie schon oben angedeutet, ist das Smartphone natürlich die Nummer eins der Tools, die Displays ständig verfügbar machen – und mittlerweile haben ja oft genug schon Grundschüler solche Dinger. Das wird dann in Schulen auch zunehmend zum Problem, weil dann eben lieber mal mit dem Handy gedaddelt wird, als dem Unterricht zu folgen.
Doch auch darüber hinaus führen Smartphones zur Verkümmerung von kognitiven Fähigkeiten. Warum soll man sich noch Sachen merken, wenn man sie doch dauernd nachschauen kann? Zum Beispiel wann die letzte U-Bahn fährt. Und warum soll man sich einen Weg von einer Straßenkarte einprägen, wenn man doch das Navi immer dabeihat? Das führt mittlerweile sogar so weit, dass junge Menschen, die mit Smartphone aufgewachsen sind, nicht mehr in der Lage sind, die Zweidimensionalität einer Karte in die dreidimensionale Umgebung umzusetzen, sodass sie sich daran nicht mehr orientieren können. Wie ich finde, ist das schon eine elementare Kompetenz, die da verloren geht.
Und dann haben mir auch schon Freunde berichtet, dass sie in einem Restaurant waren, aber keine Ahnung hatten, in welchem Ort das war – schließlich hat sie ja ihr Smartphone-Navi dorthin geleitet, sodass sie sich darum nicht kümmern brauchten. Puh …
Auch im Kopf braucht man nichts mehr auszurechnen – der Taschenrechner ist ja immer zur Hand. Und einfach mal die Gedanken schweifen lassen, beispielsweise bei einer Bus- oder Bahnfahrt, fällt auch immer öfter flach, wenn doch das Entertainment auf dem Handy lockt. Das ist dann auch mit immer mehr Werbung garniert, sodass viele junge Menschen überhaupt nicht mehr in der Lage sind, werbliche Inhalte von redaktionellen, journalistischen Angeboten zu unterscheiden.
Dass das Ganze nicht gut für die Aufmerksamkeit ist, da eben eine ständige Ablenkung gegeben ist (was man ja auch an dem ständigen Gepiepse, das signalisiert, daass es irgendwo gerade was Neues gibt, unschwer mitbekommt), liegt nicht nur auf der Hand, sondern ist mittlerweile sogar wissenschaftlich nachgewiesen worden (s. hier). So sinkt die Bereitschaft, sich mal mit einem längeren Text zu beschäftigen (zumal der ja eh nicht so toll zu lesen ist auf dem Smartphone-Display) zusehends – keine gute Sache in komplexen Zeiten, in denen immer mehr Sachverhalte eben nicht mit zwei Sätzen zu erklären sind.
Wundert es da jemanden, dass Rechtspopulisten mit ihren vereinfachenden Schlagworten und ihrem unterkomplexen Sündenbockgekeife Hochkonjunktur haben? Dass die AfD in sozialen Medien deutlich die Nase vorn hat vor den anderen Parteien, ist das m. E. nicht nur kein Zufall, sondern ausgesprochen bezeichnend.
Streaming
Als letzten Punkt möchte ich nun etwas aufführen, woran man vielleicht nicht gleich als Erstes denkt: Streaming.
Mittlerweile ist das ja sehr weit verbreitet, sodass viele Menschen, gerade jüngere, überhaupt keine physischen Medien mehr nutzen. Nun mag man denken, dass es ja eigentlich egal sein kann, ob ich mir einen Film auf DVD anschaue und Musik von CD höre oder ob ich das streame.
Na ja, einen Unterschied gibt es da m. E. schon: Streaming verleitet dazu, sich nur oberflächlich mit Sachen zu beschäftigen. Wenn mich da ein Film oder ein Musikalbum nicht gleich packt, dann schalte ich es aus und wechsle zum nächsten. Das sieht natürlich schon etwas anders aus, wenn man sich da ein physisches Medium zugelegt hat.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass viel Musik, die ich heute schätze, mir zunächst mal recht schwer verdaulich vorkam. Aber wenn ich dann schon mal für die CD (oder früher die LP) Geld ausgegeben hatte (oder sie auch geschenkt bekommen habe), dann widerstrebte es mir, mich nicht damit auseinanderzusetzen. Und siehe da: Viel Musik habe ich vor allem deswegen kennengelernt, weil ich nach ein paarmal hören dann da besser reingekommen bin. Und das sind dann auch oft noch die Sachen gewesen, die ich auch Jahrzehnte später noch gern anhöre.
Solche Erlebnisse dürften vielen Streamern eher unbekannt sein. Gefällt etwas nicht auf Anhieb, dann geht’s halt gleich weiter zum nächsten Song. Und Alben im Ganzen durchzuhören ist auch mehr und mehr dadurch unmodern geworden – da wird sich dann auf die Songs konzentriert, die man sowieso schon irgendwo anders her kennt.
Sich mit neuen kulturellen Erfahrungen auseinanderzusetzen ist allerdings etwas, was einen intellektuell schon voranbringt – und eben auch offen dafür macht, sich grundsätzlich für Neues zu interessieren, auch wenn das auf den ersten Blick erst mal anstrengend oder sogar etwas befremdlich wirken mag. Und diese Form der inhaltlichen Auseinandersetzung prägt m. E. die Entwicklung von Intelligenz ganz erheblich mit, zumindest mehr, als wenn man sich stets nur in bereits bekannten Bahnen bewegt.
Dazu passt, dass ich von vielen Freunden schon gehört habe, dass ihre Kinder aus ihrer Sicht reichlich konservativ (mitunter sogar als langweilig bezeichnet) sind – klar, wenn die damit aufgewachsen sind, kulturell Neuem und Ungewöhnlichem eher aus dem Weg zu gehen, dann ist das auch kein Wunder.
So erleben wir heute die absurde Situation, dass wir einerseits ein flächendeckendes Bildungssystem und dank Digitalisierung den Zugang zu so viel Wissen wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte haben, andererseits als Resultat daraus nicht besonders vielschichtig gebildete, reflektierte und mündige Bürger hervorgehen, sondern das Ganze eher zu einer zunehmenden Verkümmerung kognitiver Fähigkeiten führt, die mittlerweile sogar demokratiegefährdende Formen annimmt: Rechtspopulisten und -extremisten auf der ganzen Welt nutzen das schließlich aus, um so die Menschen mit Fake News und Simplifizierungen einerseits sowie Dauerentertainment andererseits auf ihre Seite zu bekommen und am Nachdenken darüber zu hindern, dass diese Rechtsaußen nie konstruktive Lösungen anzubieten haben.
Es könnte alles so schön sein. Nur offensichtlich sind nur wenige Menschen in der Lage, sich ihre Autonomie beim Umgang mit Medien zu bewahren – was natürlich dadurch verschärft wird, dass diese Medien vor allem dazu genutzt werden von ihren Betreibern, viel Geld zu scheffeln, anstatt zu einer bestmöglich aufgeklärten, empathischen, kritischen und intelligenten Öffentlichkeit beizutragen.
Gerade hab ich einen Artikel aus der taz vom Dezember 2023 entdeckt, in dem beschrieben wird, dass die AfD auf TikTok extrem erfolgreich ist und so sehr viele vor allem junge Menschen erreicht. Das bestätigt ja noch mal das, was ich im obigen Artikel zur zunehmenden Unfähigkeit, längere Texte zu lesen, schrieb, denn auf TikTok werden ja gerade sehr kurze Spots gezeigt, die keine lange Aufmerksamkeitsspanne benötigen, in denen aber auch eben vor allem provokante Parolen und vereinfachende Schlagworte vorgebracht werden – natürlich auch zu Themen, die eigentlich eine etwas komplexere Abhandlung erfordern würden.