Die Bellizisten werden immer unverschämter

Die Kriege in der Ukraine und in Gaza haben von den Auswirkungen her eines gemeinsam: Sie befördern hierzulande Kriegsgeilheit, die immer unverhohlener, dreister und menschenverachtender geäußert wird. Schwarzweißdenke dominiert, differenzierte Äußerungen werden niedergebrüllt. Eine furchtbare Entwicklung.

Über die Untertanen, die sich auch stets für einen Krieg, in dem nur andere sterben, begeistern können, habe ich ja gerade erst vorletzte Woche einen Artikel geschrieben. Nun durfte ich gerade wieder auf Facebook eine „Diskussion“ mit so einem Exemplar erleben, die dermaßen bezeichnend für diese Spezies ist, dass ich sie Euch nicht vorenthalten möchte.

Ausgangspunkt war folgendes Posting eines Facebook-Freundes von mir:

Selbst so eine allgemeine pazifistische Aussage wird dann durch die Erwähnung von den derzeitigen Bellizisten-Lieblingen Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Anton Hofreiter ein Anlass für die Kriegslüsternen, sich lauthals zu echauffieren, und das im besten Fall polemisch und im schlechtesten diffamierend. Dass so was heutzutage hemmungslos wieder rauskrakeelt wird in der (digitalen) Öffentlichkeit, ist für mich ein weiteres Indiz für den enormen Rechtsrutsch der letzten Jahre.

Also schrieb ich auch einen zugegebenermaßen etwas bissigen Kommentar unter das Bild, der dann auch eine ausgesprochen bezeichnende, weil armselige Reaktion hervorrief:

Natürlich gab es dann keine Antwort mehr darauf, aber der Typ äußerte sich anderweitig noch mal unter diesem Beitrag, was ich dann wiederum kommentierte, sodass er noch mal Gelegenheit bekam seine geistlose Schwarzweißsichtweise zu präsentieren:

Da findet sich dann das übliche Programm: Pazifismus kann ja nur direkt aus dem Kreml kommen, wenn man was dagegen sagt, dann ist man ein Putinknecht, und dann wird sich noch darüber aufgeregt, dass man auf solch dummdreistes und inhaltsleeres Gesabbel nicht mit freundlich dargebrachten Argumenten reagiert.

Dabei wird sich dieser Typ wohl auch noch eher links verorten. Sein Profilbild zeigt zumindest keine Zustimmung zur AfD, und auch sonst findet sich in seinem Profil kein rechter Kram. Woran man dann sieht, dass heutzutage Militarismus, der ja grundsätzlich rechts ist, schon sehr weit in Kreise vorgedrungen ist, die sich nicht als rechts ansehen – kombiniert dann, wie nicht nur in diesem Fall ersichtlich, mit Diskussionsmanieren, die man bis vor einiger Zeit nur von AfDlern und anderen Rechtsaußen kannte. Erschreckend!

Und natürlich trage auch die sozialen Medien ihren Teil dazu bei, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Rainer Medinger einem fremden Menschen einfach so, wenn er ihm direkt als Person gegenübersteht, „Putinknecht“ entgegenbrüllt. Die Enthemmung, hinter dem schützenden Display zu pöbeln, spiegelt sich in der Enthemmung, die Weiterführung blutiger Kriegsmassaker vom heimischen Sofa aus zu fordern.

Und dann geht es noch ein bisschen unappetitlicher, und zwar diesmal mit dem Krieg, den Israel gerade in Gaza führt, als Auslöser.

Als ich Folgendes gestern auf der Facebook-Wall der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ las, hab ich gedacht, ich guck nicht richtig:

Das ist nichts anderes als Antisemitismus in Reinform, und zwar praktiziert von einer Sparkasse! Da wird also die sogenannte Staatsräson der bedingungslosen Unterstützung jedweden Handelns einer israelischen Regierung zum derben Bumerang – und wieder geht es darum, Stimmen, die zum Frieden aufrufen, zum Schweigen zu bringen. Vor allem zeigt sich hier eben auch, dass es offensichtlich nicht erwünscht ist, Juden als nicht homogene Masse zu sehen (was nach meinem Dafürhalten auch schon der erste Schritt zum Antisemitismus ist), sondern als zahlreiche Individuen, die durchaus zu unterschiedlichen Beurteilungen der aktuellen Lage in Gaza kommen.

Abweichende Meinungen vom „offiziellen“ Kriegsgeschrei (auch wenn dieses nicht mal mehr im Einklang mit dem Internationalen Gerichtshof steht – s. hier und hier) lassen sich im Falle des Krieges in Gaza ja immer schön als Antisemitismus brandmarken – und dabei dann nur allzu gern noch, wenn diese Äußerungen von Muslimen kommen, seinem mehr oder weniger latenten Rassismus freien Lauf lassen (als Paradebeispiel für dieses Vorgehen seien hier Henryk M. Broder und Spießgesellen, die sich auf der rechtsextremen Seite Achse des Guten tummeln, genannt). Wenn das nun aber dazu führt, dass einer jüdischen Organisation das Konto gesperrt wird, dann wird es absurd – denn dann agiert man selbst antisemitisch.

Woran man dann auch sieht, dass es hier weniger um Antisemitismus geht, sondern eben darum, dass Bellizisten friedfertigere Menschen halt gern mundtot machen. Und dazu dann eben auch alles missbrauchen, was ihnen gerade über den Weg läuft und was passend ist (s. dazu hier).

Aber ist ja auch irgendwie klar: Kein Mensch hat Bock auf Krieg, und wenn man das den Leuten irgendwie schmackhaft machen will, dann muss man zügig den Pfad der Rationalität verlassen und sich auf emotional besetzte Schlagworte beschränken – auch wenn dann jede Stringenz in der ohnehin schon schwachbrüstigen „Argumentation“ flöten geht.

Und so können Leute, die anderen unberechtigterweise Antisemitismus vorwerfen, selbst antisemitisch handeln. Genauso wie eben stramm obrigkeitshörige Untertanen anderen Menschen unberechtigterweise vorwerfen, einem Autokraten zu huldigen. Womit wir dann wieder bei denjenigen sind, die in ihrer Kriegsgeilheit noch möglichst viele weitere Ukrainer und Russen in einem brutalen Stellungskrieg hingemetzelt wissen wollen.

Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was wohl erst los wäre in Deutschland, wenn die AfD mit an die Regierung käme und dann diesen bellizistischen Zeitgeist ausnutzt, um ihre kranken Interessen militant durchzusetzen …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Ein Gedanke zu „Die Bellizisten werden immer unverschämter“

  1. Selbst auf hoher politischer Ebene haben die Kriegsgeilen mittlerweile jeden demokratischen Anstand fahren gelassen, und das auch noch ganz offen. So kommentierten Norbert Röttgen (CDU) und Anton Hofreiter (Grüne) die Wahl des Sozialdemokraten Peter Pelligrini zum neuen slowakischen Präsidenten mit harten Worten, weil dieser sich für einen friedlicheren Kurs im Ukraine-Krieg ausspricht. Das geht dann sogar so weit, dass mit dem Rauswurf aus der EU gedroht wird, wie ein Artikel im Tagesspiegel berichtet.
    Dabei haben diese beiden Freaks offenbar keine Probleme damit, ein demokratisches Wahlergebnis in einem EU-Land nicht zu akzeptieren, weil es ihnen nicht in den kriegerischen Kram passt. Und interessant auch, dass man solche Töne nicht vernommen hat, nachdem in Italien die Faschisten von Giorgia Meloni die Regierung übernommen haben.
    Dass die CDU mit Faschisten kein Problem hat, ist ja leider nicht überraschend, aber dass von einem Grünen nun auch so eine eindeutig antidemokratische Haltung gezeigt wird, zeigt, dass diese Partei echt nicht mehr wählbar ist, da sie, wenn es um Bellizismus geht, lieber gegen Sozialdemokraten als gegen Faschisten austeilt. So machen sich Leute wie Hofreiter direkt zu Steigbügelhaltern von Rechtsextremen.

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