Kriegshetzer

Sich in sozialen Medien zu bewegen konfrontiert einen zuweilen aufgrund deren Netzwerkstruktur mit Menschen, mit denen man sonst nichts zu tun hätte, und gewährt einen Einblick in deren Innenleben. Zuweilen ergeben sich so recht nette Kontakte oder interessante Anregungen, es passiert allerdings auch immer wieder, dass man in Abgründe blickt, die man lieber nicht gesehen hätte. So stolpere ich in letzter Zeit immer wieder über „Freunde von Freunden“, die sich vollkommen ungeniert an Krieg und Tötung anderer erfreuen und diese Haltung auch munter durch eigene Hetzbeiträge befeuern.

„Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, daß es welche gibt, die nicht hingehen müssen.“ Dies stellte der Schriftsteller Erich Maria Remarque schon vor langer Zeit fest, und diese Aussage hat heute nach wie vor Gültigkeit. Und wenn Remarque damit vermutlich eher die Staatenlenker meinte, die Soldaten aufeinanderhetzen und selbst schön sicher in heimischen Bunkern, weit weg von der Front sitzen, so trifft dies mittlerweile auch auf ganz normale Bürger zu, die in der (vermeintlichen) Sicherheit ihrer eigenen Stube sitzen und sich daran ergötzen, dass in anderen Teilen der Welt Menschen derart aufgehetzt werden, dass sie sich gegenseitig massakrieren.

Diesem Denken liegt m. E. ein gefährliches Weltbild zugrunde. Wenn man den Hauptunterschied zwischen rechter und linker Gesinnung darin sieht, dass auf rechter Seite Menschen streng hierarchisiert betrachtet werden, während auf linker Seite Menschen eher als grundsätzlich gleich aufgefasst werden, dann befinden sich diese eben beschriebenen Kriegsfreunde schon mal ziemlich auf der rechten Seite. Dabei können sie den Nationalsozialismus durchaus vehement ablehnen, denn diese Einteilung ist losgelöst von politischen Ideologien zu sehen und daher eher universeller Natur. Menschen werden in große (oft ausgesprochen heterogene) Gruppen eingeteilt, die zumeist aufgrund von recht feststehenden und vom Einzelnen nur schwer bis gar nicht zu beeinflussenden Kriterien definiert werden: Nationalität, Hautfarbe, Religion, Ethnie, geschlechtliche Orientierung, Geschlecht, Stammeszugehörigkeit usw. Dabei ist natürlich immer die Gruppe, zu der man sich selbst zählt, ganz oben in der Hierarchie angesiedelt, und je weiter unten in dieser Hierarchie sich eine Gruppe befindet, desto größer ist auch die eigene Berechtigung, die dieser Gruppe angehörigen Menschen mit Vernichtungsfantasien zu bedenken. In perverser und bisher geschichtlich einmaliger Konsequenz fand sich dieses Denken im Holocaust, doch leider sind die Prinzipien, die hinter dieser bestialischen Vernichtung von Menschen standen, nach wie vor für viele Menschen gültig. Es heißt natürlich nach wie vor viel zu oft „die Juden“, aber eben mit genau der gleichen Intention „die Moslems“, „die Schwulen“, „die Zigeuner“, „die Russen“, „die Tutsis“ usw., die man dann zwar nicht unbedingt in Vernichtungslager sperren möchte (wobei sich auch solche Gedanken durchaus finden), aber zumindest niedergebombt, erschossen oder anderweitig massakriert sehen möchte.

Die Grundlage dieser Vernichtungsfantasien ist hier immer das oben benannte grobe Gruppenraster, es wird nie gefragt, welches Verhalten des Einzelnen nun so eine Forderung nach dessen Auslöschung legitimieren würde. Hiermit befinden sich solche Menschen recht schnell, auch wenn sie für sich durchaus eine antifaschistische Haltung proklamieren mögen, im Bereich des faschistischen und totalitären Denkens, und genau solche simpel gestrickten Eiferer sind es im Endeffekt, auf denen jedes als Faschismus und Totalitarismus zu bezeichnende menschenverachtende Systeme aufbaut. Sobald sich eine Ideologie findet (und das unabhängig von deren Inhalt oder politischen Orientierung), die mit ihren eigenen Vorstellungen übereinstimmt, sind sie augenblicklich bereit, eine Klassifizierung von Menschen vorzunehmen und dann denen, die sich in dieser Hierarchie am unteren Ende stehen, das Existenzrecht abzusprechen. Die recht einfache Haltung, einen Menschen nach seinen Handlungen und Aussagen zu beurteilen und nicht nach irgendwelchen Faktoren, die dieser nicht so wirklich beeinflussen kann, ist diesen Gestalten fremd – und das ist auch notwendig, da man sonst eben halt ganzen Nationen, Volksstämmen, Religionen usw. nicht einfach das Existenzrecht absprechen kann. Nette Menschen und Arschlöcher gibt es schließlich überall, sodass eine differenzierte Betrachtung von Individuen dem Ausleben (wenn auch oft nur auf verbaler Ebene) der eigenen Hassfantasien schon sehr entgegenstünde.

Da eine derart menschenverachtende simplifizierte Haltung sowohl von Politik (bitte nur mal an Gauck denken) als auch Medien (das Schüren von Angst vor „dem Islam“, „den Russen“, „den rumänischen und bulgarischen Zuwanderern“ [gemeint sind hier, wenn auch nicht direkt ausgesprochen, natürlich vor allem die Sinti und Roma] usw.] in den letzten Jahren zunehmend befeuert werden, steht zu befürchten, dass auf diese Weise eine stetig größere Gruppe von vernichtungswilligen Schergen herangezüchtet wird, die dabei behilflich sind, jede Form der Menschenverachtung aufrechtzuerhalten und zu legitimieren. Wichtig ist es daher, diese Typen auch als das zu benennen, was sie sind, und sie so aus der vermeintlichen Harmlosigkeit ihrer eigenen Bürgerlichkeit herauszuholen. Denn noch dürfte es so sein, dass es zumindest einen recht breiten gesellschaftlichen Konsens darüber gibt, dass das (zumal vollkommen gobschlächtig-undifferenzierte) Töten von Menschen nicht in Ordnung ist.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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