Wer Noam Chomsky kennt, der weiß um dessen kritische Haltung gegenüber Herrschaftsstrukturen, gerade auch in seiner Heimat, den Vereinigten Staaten von Amerika. So untersucht er in seinem 2017 erschienenen Buch die globalen Verwerfungen der amerikanischen Politik und stellt damit insbesondere die Wertevorstellungen und (Un-)Ethik der USA infrage. Und so viel kann ich an dieser Stelle schon verraten: Die kommen nicht gut weg … zu Recht!
Natürlich gibt es nicht die eine Akteurin oder den einen Akteur, der die Welt beherrscht, aber die einflussreichsten sind leicht auszumachen. Die USA sind mit Sicherheit ganz vorn mit dabei, denn die wirtschaftliche und militärische Großmacht nimmt auf vielen Ebenen Einfluss auf die Weltpolitik. Es werden illegale Angriffskriege geführt, Menschen illegal inhaftiert und ohne Verhandlung über Jahre weggesperrt und gefoltert, oder sogenannte Tötungslisten erlauben es dem Präsidenten, via Drohnen weltweit Menschen ohne Gerichtsverhandlung töten zu lassen, und das ohne Rücksicht auf Kollateralschäden (weitere Opfer). Das sind keine Maßnahmen einer humanistischen Gesellschaft, und allzu oft geht es um wirtschaftliche Interessen und nicht um humanistische Intervention.
Es gibt schematische Vorgehen, die jede Großmacht missbräuchlich nutzt. Eines dieser Werkzeuge ist z. B. die Umwertung: Während Dissident:innen und Whistleblower:innen in verfeindeten Staaten als ehrenhafte Personen dargestellt werden, wird der gleiche Schlag Menschen im eigenen Land verfolgt und vor Gericht gebracht (z. B. Edward Snowden oder Chelsea Manning). Diese Doppelmoral zeigt sich auch in der internationalen Zusammenarbeit: Die USA sind Verbündeter Saudi Arabiens, die im Prinzip die gleiche gesellschaftsrechtliche Struktur haben wie der IS. Andersherum werden demokratische Staaten wir der Iran als Bedrohung gehandelt. Was die USA global an Militärbasen betreibt, wäre für keinen anderen Staat möglich, nicht zuletzt weil die USA dies nicht zulassen würden.
Aber auch in Bezug auf die Verantwortung der eigenen Bevölkerung gegenüber übt Noam Chomsky deutlich Kritik: Durch eigene Aufrüstung mit Atomwaffen wird die Bedrohung, dass diese zum Einsatz kommen, nicht verringert (auch wenn ein Genie wie Donald Trump meint, mehr Waffen machen mehr Frieden, wie z. B. an Schulen). Auch der Klimawandel wird durch die Regierung nicht als die Bedrohung für die USA angenommen, die wissenschaftlich als etabliert gilt. Was ist mit dem Schutz der eigenen Bevölkerung? Sind es wirtschaftliche Interessen, die auch hier humanitäre Maßnahmen untergraben?
Am Ende steht fest: Terror ist Terror, egal, wer diesen ausübt. Dass viele Staaten ihr eigenes Fehlverhalten unter Bezugnahme der USA und deren Gebaren rechtfertigen, macht die Sache am Ende so traurig. Denn wie der Großvater von Spiderman bereits sagte: „Aus großer Macht erwächst große Verantwortung!“
Eine Leseempfehlung für Menschen, die nicht schon komplett antiamerikanisch eingestellt sind:
„Wer beherrscht die Welt? Die globalen Verwerfungen der amerikanischen Politik“
Im Ullstein Verlag 2017 erschienen, 416 Seiten
ISBN 978-3-548-37722-3