Die Grünen und die AfD …

… sind auf den ersten Blick ziemlich starke Gegensätze im Parteienspektrum, und deren Anhänger haben ja auch nicht sonderlich viel füreinander übrig, sehen den jeweils anderen vielmehr als eines der größten Feindbilder. Doch bei genauerer Betrachtung erkennt man, dass beide Parteien schon eine recht ähnliche Funktion haben: Sie sammeln mit Populismus unzufriedene Wähler ein, halten diese damit von Systemkritik ab und stabilisieren so die fatale neoliberale Weiter-so-Politik.

Dass die AfD genau diese Funktion erfüllt, habe ich ja immer wieder in den letzten Jahren beschrieben (beispielsweise hier, hier, hierhier und hier). Die CDU konnte so immer weiter nach rechts rücken, in ihrem Windschatten war das dann den anderen neoliberalen Parteien auch möglich, denn man hatte ja immer noch die rechten Rumpler von der AfD, die das alles dann doch noch irgendwie moderat aussehen ließen. Zudem hat man eben diejenigen, die zunehmend zu den Verlierern unserer Wirtschaftssystems gehören, mit rassistischen Äußerungen einfangen und „bei der Stange“ halten können.

Dass die AfD keine Opposition zum neoliberalen Kurs ist, wird ja spätestens dann deutlich, wenn man sieht, wie oft die Partei schon in diversen Parlamenten (bis hoch zur Landesebene) mit CDU und FDP zusammen gestimmt hat – bis hin zum schäbigen Coup in Thüringen Anfang 2020 (s. hier). Oder wenn man sich deren sozialdarwinistisches Parteiprogramm anschaut – was allerdings leider nur wenige AfD-Wähler zu machen scheinen.

Dabei geriert sich die AfD immer als Partei für „die kleinen Leute“, die gegen das korrupte politische Establishment vorgehen möchte. Mal davon abgesehen, dass die AfD es selbst in kürzester Zeit geschafft hat, einige Spendenskandale zu verbuchen, so sind Leute wie Alice Weidel (Investment-Bankerin von Goldman Sachs), Alexander Gauland (war ewig in der CDU, hat da aber nicht so richtig was gerissen) und Beatrix von Storch mit ihren komischen Stiftungen alles andere als Antithesen zum Establishment – sondern genau dort mittendrin. Aber all das hat der AfD nicht so richtig geschadet, denn viel zu viele glauben tatsächlich noch daran, dass die AfD etwas für arme Menschen (bzw. Deutsche) tun würde – und solange hat man dann immerhin schöne Sündenböcke, auf die man verbal eindreschen kann.

Bis hierhin also erst mal nichts Neues, zumal Rechtspopulisten ja im Grunde immer so agieren, dass sie sich vermeintlich auf die Seite der einfachen Menschen stellen, um dann nahezu ausschließlich Politik für Reiche zu machen. Konnte man ja auch bei Donald Trump in den USA gut beobachten.

Und was hat das nun mit den Grünen zu tun? Eine ganze Menge, wie ich finde – und gleich zeigen werden.

Die Grünen sammeln ja auch unzufriedene Bürger ein, allerdings vor allem solche, die oftmals finanziell besser gestellt sind, die aber die Klimakatastrophe als elementare Bedrohung erkannt haben. Hier wäre nun ein nächster Schritt, unser neoliberal-kapitalistisches Wirtschaftssystem mit seinem Wachstumsdogma zu hinterfragen, wobei man dann feststellen könnte, dass genau dieses Wachstumsdogma eben verantwortlich für die aktuellen Misere von Klimawandel, Artensterben und Umweltzerstörung ist.

Von Systemkritik halten die Grünen allerdings genauso wenig wie die AfD (s. hier), und insofern halten auch sie unzufriedene Bürger „bei der Stange“, die dann nämlich keine systemkritischen Gedanken pflegen, sondern dem Ökopopulismus der Grünen auf dem Leim gehen.

Genauso wie Rechtspopulisten versprechen, sich für „die kleinen Leute“ einzusetzen, und das dann doch nicht machen, versprechen die Grünen immer wieder, sich für Klima- und Umweltschutz einzusetzen – und machen das dann ebenfalls nicht. Beispiele gibt es in Landesregierungen mit grüner Beteiligung mehr als genug: Kohlekraftwerk Moorburg und Elbvertiefung in Hamburg, Fraport-Ausbau und Abholzung des Danneröder Forsts für eine Autobahn in Hessen, Beschluss der Rodung des Hambacher Forsts in Nordrhein-Westfalen und eben auch Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg, der nun als Ministerpräsident alles andere als ökologische Politik zu verantworten hat (was immerhin auch schon gleich zu Beginn seiner Regentschaft 2016 absehbar war – s. hier).

Und jetzt gerade wieder aktuell bei der neuen schwarz-grünen Regierung in Nordrhein-Westfalen, wozu ich mal eben eine Pressemitteilung der Albert Schweitzer Stiftung, einer NGO, die sich im Bereich Tierschutz engagiert, zitieren möchte:

Zu dem heute vorgelegten Koalitionsvertrag zwischen CDU und Grünen in Nordrhein-Westfalen äußert sich Mahi Klosterhalfen, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung, schwer enttäuscht: »Der Koalitionsvertrag wirkt, als hätten die Grünen in NRW 5 % geholt und nicht 18 %. Offenbar fehlten der Wille und die Durchsetzungskraft, das angebliche grüne Herzensprojekt Tierschutz-Verbandsklagerecht durchzuboxen. Beim Thema Massentierhaltung läuft es im Wesentlichen auf ein ›Weiter so!‹ hinaus. Bei den windelweichen Formulierungen muss die neue Landesregierung in den kommenden fünf Jahren noch eine große Schippe drauflegen, wenn es ihr ernst damit ist, ›den Tierschutz stärken‹ zu wollen.«

Die Verbände Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, Animal Rights Watch e. V., der Bundesverband Tierschutz e. V., der Bund gegen den Missbrauch der Tiere e. V., Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e. V., PROVIEH e. V. und VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz sowie rund 10.000 Bürger:innen hatten die Grünen NRW zuvor aufgefordert, sich für die Wiedereinführung des Tierschutz-Verbandsklagerechts in NRW einzusetzen. Dass dieses Vorhaben es nicht in den Koalitionsvertrag geschafft hat, ist eine herbe Enttäuschung für den Tierschutz.

Tja … das kennt man eben so von den Grünen. Als Entschuldigung wird dann von grünen Politikern und ihren Anhängern immer wieder vorgebracht, dass man ja Kompromisse eingehen müsse – allerdings schaffen es andere Parteien irgendwie immer, ihr klima- und umweltfeindliches Programm durchzusetzen in den Koalitionsverträgen mit den Grünen.

So ja auch aktuell in der Bundesregierung: Der kleinste Koalitionspartner der Ampel gibt da den Takt vor (kein Tempolimit, Tankrabatt, Erhöhung des Zusatzbeitrags zur gesetzlichen Krankenkasse …) und setzt sich ständig durch (s. hier), sodass ich den Eindruck bekomme, dass die Grünen entweder komplette Verhandlungsnieten sein müssen oder aber die Positionen der FDP gar nicht so schlecht finden.

Daher wundert es auch nicht, dass nun neben den LNG-Terminals zum Import von Erdgas (gern auch durch Fracking gewonnen) auch noch das umstrittene Freihandelsabkommen CETA mit Kanada auf die Schnelle ratifiziert werden soll (s. hier). Bei den Demos gegen CETA waren die Grünen damals noch gern mit dabei, um richtigerweise zu kritisieren, dass dadurch Umwelt- und Verbraucherstandards ausgehebelt werden und zudem eine Paralleljustiz für Konzerne geschaffen wird. Davon will man jetzt irgendwie auf einmal nicht mehr so richtig was wissen …

Genauso ist es ja auch im Fall Julian Assange. Im Wahlkampf letztes Jahr hatte Annalena Baerbock noch (auch zu Recht) das Verfahren gegen Assange und dessen mögliche Auslieferung an die USA deutlich kritisiert. Und jetzt? Da hören sich die Töne von ihr als Außenministern auf einmal ganz anders an, denn nun sieht sie da keine Probleme mehr (s. hier).

Und wie nennt man das, wenn man im Wahlkampf Dinge verspricht, die man dann im Falle eines Wahlerfolgs eh nicht halten möchte? Genau: Populismus. Und zwar von der übelsten Sorte.

Das färbt dann auch auf die eigenen Anhängerschaft ab, denn mittlerweile erlebe ich immer wieder Verhalten von Grünen-Wählern in sozialen Medien, wie ich es vor einigen Jahren nur von AfD-Jüngern und ähnlichen Rechtsaußen kannte. Im Januar habe ich dazu schon mal einen Artikel geschrieben, und mittlerweile ist das im Zuge des Kriegs in der Ukraine und der grünen Kriegseuphorie auch nicht eben besser geworden.

Das sind also schon eine ganze Menge Parallelen zur AfD. Also nun natürlich nicht unbedingt inhaltlich, aber eben zur Funktion im Parteienspektrum und im öffentlichen Diskurs.

Ich wette allerdings, dass das bei den Grünen und deren Anhängerschaft niemand wahrhaben möchte. Aber auch das ist ja etwas, was man vonseiten der AfD kennt: Kritik und eine realistische Betrachtung der eigenen Politik sind da nicht eben en vogue …

Und so sind sowohl Grüne als auch AfD Systemstabilisatoren und Garanten für eine Fortführung der Weiter-so-Politik – bis zu deren bitterem Ende. Die Wähler der beiden Parteien sind dabei fast schon tragische Figuren, da vielen von ihnen das so mit Sicherheit nicht klar sein dürfte.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Ein Gedanke zu „Die Grünen und die AfD …“

  1. Heute Morgen wurde der Artikel auf der Facebook-Seite „Mensch und Politik heute“ geteilt, und die Reaktionen der Grünen-Anhänger in den Kommentaren bestätigen genau das, was ich schrieb: Da ist keine Sachlichkeit vorhanden, da wird das Geschriebene nur als „Blödsinn“ oder „Quatsch“ diffamiert, ohne weiter inhaltlich darauf einzugehen, was denn nun daran falsch sei.

    Die Parallelen zu AfD-Jüngern, die ihre Partei verteidigen, werden dabei immer offensichtlicher.

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