Der Infokrieg der Rechten

In den letzten Wochenhinweisen haben wir ja bereits einen Artikel auf tagesschau.de verlinkt, in dem es um rechte Trolle geht, die sich über das Netzwerk Reconquista Germanica organisieren und auf diese Weise gezielt die öffentliche Meinung zu beeinflussen suchen. Nun wurden gerade die Ergebnisse einer umfangreichen Social-Media-Analyse, die sich mit Hasskommentaren beschäftigt hat, veröffentlicht (tagesschau.de und die taz berichten beispielsweise darüber), die zeigen, dass es sich bei vielen Hetzern, die sich in sozialen Medien in den Kommentarspalten von Zeitungen und politischen Portalen äußern, um eine sehr kleine Gruppe handelt, die mithilfe von Fake-Accounts für einen Großteil der Likes von rechten Hasskommentaren verantwortlich ist. Das ist alles andere als harmlos, da auf diese Weise die öffentliche Meinung massiv manipuliert wird.

Zum einen bekommen dadurch, dass sich diese Personen immer nur zu Themen äußern, die sich für rechte Hetze eignen, genau diese Themen eine vermeintliche Relevanz, die nicht der tatsächlichen Rezeption in der Bevölkerung entspricht. Zum anderen entsteht so auch ein verfälschtes Meinungsbild, dass Usern suggeriert, viele Menschen würden rechte Ansichten teilen und verbreiten. (Zu dieser Problematik, gerade auch im Zusammenhang damit, dass sich eben Nicht-Rechte allzu häufig gar nicht erst äußern, habe ich ja bereits vor einigen Monaten einen Artikel hier auf unterströmt geschrieben.)

Wenn man dann noch hinzunimmt, dass auch in Talkshows im Fernsehen überproportional häufig über Themen diskutiert wurde, die etwas mit Flüchtlingen, dem Islam und Terrorismus zu tun haben (das ist halt immer schön kontrovers und bringt Quote, gerade wenn man wieder Ausfälligkeiten von AfDlern dabei haben sollte), so ergibt sich eine umfassende Fokussierung auf einen Themenkomplex, der so eine vermeintliche Bedeutung erhält, die nichts mit der eigentlichen Realität zu tun hat, aufgrund der medialen Darstellung und der Social-Media-Erfahrung vieler Menschen dann aber wiederum die Realität und damit die politische Agenda beeinflusst.

Und auch auf anderer Ebene wird hier manipuliert. In den letzten Tagen sind ja immer wieder Umfragen durch die (sozialen) Medien gegangen, die zunächst zeigten, dass die AfD nur noch wenige Prozentpunkte hinter und etwas später sogar leicht vor der SPD liegen würde bei einer Bundestagswahl zum jetzigen Zeitpunkt. Diese Umfragen stammten von dem Institut INSA, das von Hermann Binkert geleitet wird, einem AfD-Anhänger. Da Binkert sehr wohl bekannt sein dürfte, wie Wahlumfragen dann auch tatsächlich Wähler manipulieren und so Einfluss auf Wahlergebnisse nehmen (s. dazu diesen kritischen Artikel des Statistikers Gerd Bosbach in der Zeit), kann man davon ausgehen, dass die Resultate solcher INSA-Umfragen schon etwas geschönt sein dürften zugunsten der AfD (andere Institute ermitteln so stets niedrigere Prozentwerte für die Rechtspartei).

Fassen wir kurz zusammen: Ständig werden die Menschen in Deutschland mit Themen konfrontiert, die sich für rechte Stimmungsmache eignen, und dabei wird durch die Häufung von rechter Hetze nicht nur die Stimmung, sondern auch das, was gesellschaftlich akzeptiert gesagt werden kann, immer weiter nach rechts verschoben – und durch gefakte Likes wird auch noch eine überproportionale Zustimmung zu solchen Aufwiegeleien suggeriert.

Dass wir es hier auch noch auf anderer Ebene mit geplantem Vorgehen zu tun haben, wir deutlich, wenn man mal in ein Video einer Rede des Identitären Martin Sellner ab Minute 16 für zehn Minuten reinhört. Da wird ganz klar benannt, dass es die Rechtaußen-Hipstern darum geht, die Sprache quasi zu kapern, Begriffe einseitig zu besetzen und umzudeuten, um auf diese Weise dann auch das Denken der Menschen zu beeinflussen. Klar, Leute, die sich tatsächlich von so was dann beeinflussen lassen, mag man vielleicht als Dummköpfe bezeichnen, diejenigen, die genau solche Sprachmanipulation betreiben, sind nur leider ganz bestimmt nicht dumm, sondern ausgesprochen schlau und bösartig.

Und dieser Prozess ist bereits in vollem Gange, davon kann man sich überzeugen, wenn man mal bei Facebook und Co. politisch unterwegs ist. Das rechte Vokabular findet sich andauernd und wird selbstverständlich verwendet, und bei nahezu jedem politischen Thema findet sich schnell jemand, der dann versucht, die Flüchtlinge mit ins Spiel zu bringen – auch wenn es eigentlich um etwas ganz anderes geht. Zudem haben Themen, die sich für rechte Hetze eignen oder sich damit beschäftigen, oft großen Zulauf: Sobald der erste rechte Hasskommentar dort erscheint, tauchen schnell weitere Pappkameraden auf, schreiben Ähnliches und stimmen sich gegenseitig zu.

Das große Problem dabei: Wie ich schon mal in einem Artikel vor gut einem Jahr festgestellt habe, nützt dieser Rechtsruck vor allem den neoliberalen sogenannten Eliten, die damit schön aus der Schusslinie geraten als Verursacher von sozialen Problemen, weil ja viele Menschen einen Sündenbock in Form der Flüchtlinge haben und andere sich dann wiederum gegen die erstarkende Rechte positionieren. Eine solche gesellschaftliche Entwicklung zu inszenieren, um die eigene Ideologie und damit die eigene Machtposition absichern zu können, ist nicht nur hochgefährlich (das ist ja Anfang der 1930er-Jahre schon mal reichlich nach hinten losgegangen, als die NSDAP auf ähnliche Weise instrumentalisiert werden sollte), sondern schränkt auch die Möglichkeiten ein, etwas dagegen zu unternehmen. Schließlich wird vonseiten des neoliberalen politischen und medialen Establishments wenig Unterstützung zu erwarten sein, von ein bisschen zur Schau getragener Empörungsheuchelei ab und an mal abgesehen. Dafür wird dann andererseits immer wieder Öl ins Feuer gegossen, um diesen so dienlichen Rechten und Rechtsextremen ein bisschen Futter zu geben und daraus resultierende gesellschaftliche Konflikte am Laufen zu halten.

Es liegt also mehr denn je an uns selbst, da entgegenzuwirken. Wir müssen auch laut sein, wir müssen zeigen, dass wir im Grunde in der Mehrheit sind (solange das noch der Fall ist), wir müssen uns mit Vielfalt, Geist, Witz und Kreativität dem straff organisierten dumpfen Hass verbal entgegenstellen, wir müssen für zivilisierte, demokratische und rechtsstaatliche Werte einstehen. Dabei geht es gar nicht darum, die Hardcore-Rechten zu überzeugen, das ist in den seltensten Fällen (und virtuell schon mal so gut wie gar nicht) möglich (s. dazu hier), sondern eben den öffentlichen Diskurs so zu gestalten, dass es nicht den Anschein hat, rechte Hetze und Menschenverachtung wären Mehrheitspositionen.

Das ist mühselig, oftmals enervierend und mitunter auch zum Verzweifeln ob des Hasses und der Dummheit, mit denen man konfrontiert wird. Da jedoch das Denken immer durch die Sprache beeinflusst wird und diese gerade massiv in eine unschöne rechte Richtung abrutscht, ist es ausgesprochen wichtig, Haltung zu zeigen und die Klappe lieber einmal mehr als zu wenig aufzumachen!

 

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Ein Gedanke zu „Der Infokrieg der Rechten“

  1. Wir erhielten hierzu eine Leserbrief von Renate Neumann:

    Trifft es genau. Habe von einer in Thailand lebenden Freundin über Whatsapp so einen Text erhalten. Da zieht es einem die Schuhe aus. Habe mir als Antwort die Zusendung solcher rechten Hetze für die Zukunft absolut verbeten. Sie schrieb, so etwas bekäme sie aus D. Habe ihr geantwortet, dass man sowas ja nicht weitergeben muss und es absolut nicht der Realität entspricht.

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