Die Pathologie des AfD-Wählers

Wenn man sich in sozialen Medien wie Facebook mal ein bisschen aus seiner eigenen Filterblase hinausbewegt, dann stellt man recht schnell fest, dass es immer mehr Rechte und Rechtsextreme gibt, die ausgesprochen ungeniert ihre Meinungen dort in die virtuelle Gegend posaunen. Mittlerweile ist ja in Deutschland die AfD das politische Sammelbecken für derartige Gestalten geworden, und wenn man deren Statements so liest, dann stellt man bestimmte Muster fest, die immer wiederkehren. Da mit solchen Leuten grundsätzlich keine Diskussion möglich ist (wie ich schon mal vor einiger Zeit in einem Artikel beschrieben habe), habe ich mich gefragt, was hinter diesem Verhalten stecken mag – und bin zu dem Schluss gekommen, dass man derartige AfD-Jünger eigentlich nur pathologisch betrachten kann, um ein wenig Sinn in deren Gebaren zu bekommen.

Aus diesem Grund möchte ich zunächst ein paar Symptome aufzählen, die mir immer wieder unterkommen, wenn AfD-Anhänger sich in sozialen Medien äußern.

Symptome

Fake-Gebölke

Sobald ein AfD-Fan mit einer Nachricht konfrontiert wird, die ihm nicht zusagt, wird oftmals einfach nun „Fake“ oder auch „Fake News“ geschrieben. Es kann halt für solche Leute nicht sein, was nicht sein darf. Das nimmt dann mitunter schon groteske Züge an. Ein Beispiel: Unter einem Video, in dem der neue österreichische Regierungschef und Anführer der dortigen Rechtskoalition Sebastian Kurz etwas sagt, wird sofort als Fake News bezeichnet, obwohl das nichts anderes als ein Originalzitat ist. Aber Kurz erklärte dort, dass die 60-Stunden-Woche und der 12-Stunden-Tag in der österreichischen Arbeitswelt wieder erlaubt sein soll – das passt natürlich nicht zum Bild, was die AfD-Jünger von einem solchen Rechtspopulisten wie Kurz haben. In ihrer verqueren Sichtweise sind solche Politblender nämlich „fürs Volk“ da und nicht für „die da oben“. Wenn sie dann von der Realität eingeholt werden, dann darf das eben nicht wahr sein – auch wenn diese Realität aus dem Munde dessen kommt, dem sie doch sonst nur allzu gern alles geglaubt haben, wenn er gegen Ausländer und Flüchtlinge gewettert hat.

Was dem eigenen Weltbild entspricht, ist immer richtig

Von AfD-Jüngern wird nichts auch nur in Erwägung gezogen, was nicht ihrem eigenen Weltbild entspricht, auch wenn dies noch so gut belegt und dokumentiert ist. Andererseits werden vollkommen unkritisch auch die plumpste Fälschung und die dreisteste Lüge geglaubt, wenn diese eben mit dem eigenen Weltbild konform gehen und es bestätigen. Wenn dann eine solche Fälschung eindeutig als Lüge entlarvt wird (beispielsweise durch Originalbildmaterial, was von rechten Hetzern gern mit Photoshop bearbeitet und/oder in einen falschen Zusammenhang gestellt wird), dann werden die Lügner und Fälscher auch noch in jämmerlicher Weise verteidigt: Die hätten ja immerhin den Mumm, mal was Unbequemes zu sagen.

Beleidigungen

Da AfD-Jünger für ihre absurden Ansichten in der Regel keinen argumentativen Unterbau haben und zudem oftmals auch nicht die hellsten Kerzen auf der Torte sind, wird gern sofort beleidigt und die eigene Filterblase aggressiv verteidigt, wenn sich dort mal eine von der eigenen Weltsicht abweichende Meinung findet. Es besteht dann auch in der Regel keine Möglichkeit mehr, auf die Ebene einer sachlichen Diskussion zurückzukommen: Der AfD-Fan fühlt sich so geborgen in seiner kleine AfD-Welt, in der er seinen rassistischen Müll einfach so absondern darf, ohne dafür gemaßregelt zu werden, dass er diese Komfortzone, in der er sich endlich mal ernst genommen fühlt, eben mit Klauen und Zähnen verteidigt.

Verantwortung – nein, danke!

Mit eigener Verantwortung haben AfDler grundsätzlich nicht so viel am Hut. Klimawandel? „Ist nicht vom Menschen gemacht!“ Neokolonialismus in Afrika? „Was kann ich dafür?“ Ausbeutung in asiatischen Textilfabriken? „Ich beute niemanden aus!“ So lebt es sich natürlich schön bequem, man kann einfach so weitermachen wie bisher und muss sich um die Konsequenzen der eigenen Gedankenlosigkeit keine Sorgen machen. Passend dazu auch der nächste Punkt, der damit Hand in Hand geht:

Feigheit

AfD-Jünger sind grundsätzlich feige Memmen, die sich immer nur in der Opferrolle sehen (darin werden sie von ihren jammerlappigen Parteigötzen ja vortrefflich unterstützt). Es wird immer ein Schuldiger gesucht, der am besten auch irgendwie greifbar sein muss („die da oben“, „die Politiker der Altparteien“, „die Flüchtlinge“, „der Islam“), anstatt mal systemische Ursachen in Betracht zu ziehen oder sich eventuell auch mal an die eigene Nase zu packen: Wer beispielsweise nicht in der Lage ist, auch nur einen einfachsten Satz ohne gröbste Fehler zu schreiben, der sollte sich vielleicht auch nicht wundern, wenn Firmen, bei denen er sich bewirbt, nicht gerade in Jubelorgien ausbrechen. Und wie es sich für Feiglinge gehört, wird immer nur dorthin getreten, wo man wenig Widerstand erwartet, nach oben wird ausgiebig gebuckelt. Darüber sollte auch nicht Eliten- oder Politikerschelte hinwegtäuschen, denn diese ist bei AfDlern grundsätzlich substanzlos, mit dem Herrschenden identifiziert man sich sehr gern, da ist man ganz Untertan im Sinne von Heinrich Manns Diederich Heßling.

„Ich bin nicht rechts!“

Da selbst AfD-Fans mittlerweile mitbekommen haben, dass es nicht eben ein Lob ist, wenn man als rechts bezeichnet wird, verwehren sie sich häufig vehement dagegen, wenn man ihnen ihre rechte Gesinnung vorhält. Das hat natürlich auch wieder was mit der eben schon beschriebenen Feigheit zu tun, nämlich nicht einmal für seine eigene menschenverachtende Weltsicht einstehen zu wollen. Ein weiteres Phänomen: AfD-Jünger werfen anderen gern vor, sie als „Nazi“ zu bezeichnen – auch wenn das Wort „Nazi“ zuvor in der Diskussion gar nicht gefallen ist und von ihnen selbst überhaupt erst ins Gespräch eingebracht wurde. Da wird dann auch gern das Wort „Nazikeule“ bemüht, da man so einem anderen Diskutanten ja Undifferenziertheit vorwerfen kann. Wenn man sich allerdings beispielsweise die Facebook-Profile von solchen „Ich bin nicht rechts!“-Blökern mal anschaut, dann findet man da in der Regel bei den Likes die ganze rechte Freakshow von prominenten AfDler, FPÖ-Kapeiken, Merine Le Pen, Geert Wilders und wie sie alle heißen – sowie natürlich haufenweise rechte Hetzseiten und entsprechende Postings.

Whataboutism

Auch immer wieder anzutreffen bei AfD-Jüngern, wenn man die auf Verfehlungen ihrer Götzen aufmerksam macht: Whataboutism. So wird versucht, Dinge, die man einfach nicht schönreden kann, zu relativieren, indem man darauf hinweist, dass andere ja auch so was Ähnliches machen würden. Mal abgesehen davon, dass diese Vergleiche meistens arg hinken, so macht es eine mistige Sache ja nicht besser, wenn man nicht der Einzige ist, der sie verzapft. Aber auch hier ist eben die Flucht vor einer inhaltlichen Diskussion der Hauptaspekt. „Selber doof!“ – im Prinzip der Versuch einer Legitimation, die schon bei Kindern, die älter als fünf Jahre sind, eher etwas peinlich und unangebracht wirkt.

Nun stellt sich die Frage, wieso Menschen so drauf sein können und sich dermaßen irrational in Diskussionen verhalten.

Ursachen

Angst

Vor allem ist das erst mal Angst zu nennen, und diese ist teilweise auch durchaus berechtigt, nämlich die Angst vor Armut und sozialem Abstieg. Diese wird nun allerdings in falsche Bahnen gelenkt und so auf Sündenböcke umgelenkt (dieses Phänomen habe ich vor etwa eineinhalb Jahren schon mal in einem Artikel beschrieben), die aber mit den Ursachen der Befürchtungen nichts zu tun haben.

Angst macht irrational und empfänglich für Personen, die einem vermeintliche Sicherheit versprechen. Deswegen sehen sich ängstliche Menschen auch eher nach politischen Führerfiguren. Wenn solche Menschen nun das Gefühl haben, in einer Gruppe eine gewisse Sicherheit zu bekommen, dann werden sie diese Gruppe auch mit großer Aggressivität verteidigen – was man eben an der vollkommen unkritischen Haltung zur AfD bei deren Jüngern sehen kann, die schnell mit Pöbeleien und Beleidigungen reagieren, wenn jemand auch sachlich etwas gegen ihren Hort der Sicherheit vorbringt.

Und gerade im Schüren von diffusen Ängsten tun sich AfD-Politiker und rechte Hetzseiten ja besonders hervor: Alle Flüchtlinge sind da dann Vergewaltiger und Verbrecher, man kann sich nachts nicht mehr auf die Straße trauen, Frauen müssen sowieso immer und überall Angst haben, vom „schwarzen Mann“ vergewaltigt zu werden – dieses substanzlose Gelaber kennt jeder. Da werden dann eben einzelne Delikte zu einer Allgemeingültigkeit aufgeblasen oder auch schlichtweg erfunden – Hauptsache, der Ängstliche bekommt das vorgesetzt, was ihn noch ängstlicher und damit empfänglicher macht für diejenigen, die ihm ihr Weltbild einflüstern wollen.

Hieraus resultieren auch die oben beschriebenen Tendenzen zur Feigheit und Verantwortungslosigkeit – beides Dinge, die für den Ängstlichen typisch sind, da er so seine Ohnmachtsgefühle ausleben kann und bestätigt bekommt: „Ich kann ja eh nichts machen“ wird dann zu „Ich hab damit nichts zu schaffen und kann nicht dafür“.

Mangelndes Selbstbewusstsein/Selbstwertgefühl

Hand in Hand damit geht ein Mangel an Selbstbewusstsein. Wer ein gutes Selbstwertgefühl hat, kann unterschiedlichen Situationen offen begegnen und gesteht sich eben auch Fehler ein, die er dabei möglicherweise macht. Der AfD-Jünger ist wenig selbstbewusst und braucht daher jemandem, der ihm sagt, wo’s langgeht (die eben schon bei der Angst erwähnte Führerfigur), auch ein stabiler und einfach erkennbarer Rahmen wie der Patriotismus ist dafür gut geeignet: Gut ist, was Deutsch ist – da muss man nicht viel denken und kann nicht ins Zweifeln kommen. Blöderweise resultiert daraus dann auch immer eine Ausgrenzung von Dingen, die dann nicht gut sind …

Wer also kein besonders ausgeprägtes Selbstbewusstsein hat, der freut sich, wenn ihm ein Weltbild vorgesetzt wird, was er einfach so übernehmen kann – das wird dann schon das Richtige sein. Hieran orientiert sich dann auch wieder der eigene gefühlte Selbstwert: Zweifel (die ein wenig Selbstbewusster nicht gut aushalten kann) gibt es nicht, man gehört dazu, und dieses Zugehörigkeitsgefühl steigert dann auch das Selbstbewusstsein des Einzelnen ein Stück weit. Daran wäre nun nichts Schlechtes, allerdings basiert die Zugehörigkeit zu einer solchen rechten Gruppe immer auf der Ausgrenzung anderer, denen dann mit Hass begegnet wird – schließlich wollen die ja an die Wurzel des eigenen gerade erst als zartes Pflänzchen aufkeimenden Selbstbewusstseins Hand anlegen.

So wird dann also in übertriebener Weise ein Scheinselbstbewusstsein zur Schau getragen, das aber eher wie das Rufen eines ängstlichen Kindes im Dunkeln oder das Kläffen eines Hundes, der sich vor irgendwas gerade richtig fürchtet, ähnelt: Man ist laut, wenn man sich der Unterstützung Gleichgesinnter sicher sein kann, und lässt sich von Argumenten, die der eigenen Ansicht entgegenstehen, nicht aus der Ruhe bringen – oder nimmt diese vielmehr gar nicht erst war, um nicht aus der Ruhe gebracht zu werden, was ja das eigene Selbstbewusstsein gleich wieder ein bisschen dezimieren würde.

Aus diesem Grund wird auch auf AfD-Seiten in sozialen Medien grundsätzlich jeder noch so sachliche Einwand oder argumentative Kritik an den eigenen Positionen schnell entfernt, da man die so erzeugten Filterblasen benötigt, um den wenig Selbstbewussten zumindest so viel Selbstbewusstsein zu ermöglichen, dass sie einem bedingungslos hinterherlaufen.

Neoliberale Indoktinierung

Und zu diesen beiden persönlichen Dispositionen kommt nun eine mittlerweile jahrelange neoliberale Indoktrinierung hinzu, die genau diese beiden geschilderten Eigenschaften verstärkt. Solidarität und Gemeinschaftssinn sind ja beispielsweise Dinge, die Angst und geringem Selbstbewusstsein entgegenwirken, und genau diese sind ja im Neoliberalismus mehr und mehr dezimiert worden.

„Jeder ist seines Glückes Schmied!“ – „Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht!“ Diese und ähnliche neoliberale Mantras, die von der Politik, vielen Medien und auch der Werbung immer wieder den Menschen eingebläut werden, führen dazu, dass jeder, dem Unbill widerfährt, sich erst mal selbst dafür verantwortlich macht. Systemische Ursachen werden gar nicht in Erwägung gezogen, also muss man selbst ja ein Versager sein, wenn irgendwas im eigenen Leben schlechter läuft als bei anderen.

Dazu kommt dann noch die zunehmende existenzielle Verunsicherung durch das Schleifen des Sozialstaats (Stichworte Hartz IV und Altersarmut, nur mal als Beispiele) – und schon werden vor allem Ängste ausgebildet und Selbstbewusstsein verkleinert.

 

Solche Leute müssten sich also vor allem mal mit sich selbst und ihren wirklichen psychischen Problemen beschäftigen, stattdessen bekommen sie nun von einer Partei andauernd andere vorgesetzt, die an allem Möglichen schuld sein sollen. Das schafft zwar ein Gefühl der Erleichterung, und wenn sich diese Menschen dann auch noch als Gewinner fühlen dürfen, weil ihre Partei AfD im Aufwind ist, dann wird das Ganze zusätzlich verstärkt (und kann sogar in eine Hybris münden) – aber letztendlich werden die AfD-Jünger so von den eigentlichen Wurzeln ihres Unbehagens abgelenkt, nämlich ihrer eigenen Angst und ihrem fehlenden Selbstbewusstsein.

Da man als Privatperson solche Menschen nicht therapieren kann, schon gar nicht über einen rein virtuellen Kontakt, sollte man sie besser links liegen lassen und ihnen deutlich zeigen, dass sie sich in einer inakzeptablen Weise verhalten – vielleicht kommt ja so der eine oder andere doch noch zur Besinnung. Bei einer derart verfestigten pathologischen Störung, wie man sie allerdings bei den allermeisten AfD-Jüngern vorfindet, kann jedoch nur professionelle Hilfe wirklich sinnvoll sein. Das Fiese an der Sache ist nur, dass diese Menschen einen solchen Rat (auch wenn er aufrichtig gut gemeint ist) garantiert vehement ablehnen würden – denn das ist ja gerade eine Ausprägung ihrer psychischen Disposition.

So bleibt – frustrierend genug – nur die Analyse, ohne einen wirklichen Lösungsvorschlag anbieten zu können …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

Ein Gedanke zu „Die Pathologie des AfD-Wählers“

  1. Ein anschauliches Beispiel, wie absolut vernagelt AfD-Jünger sind und dass man auf einer rationalen Ebene mit diesen überhaupt nicht mehr kommunizieren kann, habe ich heute auf Facebook erlebt.

    Dort wurde ein Beitrag geteilt, in dem es darum ging, dass die rechte Hetzerin Erika Steinbach einen offensichtlichen Satirebeitrag einfach als ernsthafte Meldung teilte und auf diese Weise mal wieder Stimmung machte und aufwiegelte. Und genau dieses Verhalten wurde dann im Anrisstext dazu auch kritisiert, versehen mit der Anmerkung, dass es schlimm sei, dass es wieder genug Steinbach-Fans geben wird, die so was dann einfach glauben und weiterverbreiten.

    Eigentlich sollte da ja alles klar sein, aber ein nicht unerheblicher Teil der Kommentatoren hat einfach nur das Bild angeschaut und komplett ignoriert, was an Text dazu steht – und damit genau so reagiert, wie es darin den Steinbach-Fans vorgeworfen wird. Man gibt also quasi selbst ein belegendes Beispiel (auch für die eigene Blödheit) ab und bestätigt so das im Anrisstext Geschriebene – obwohl die AfD-Fans ja eigentlich eher eine genau entgegengesetzte Intention bei ihren Antworten gehabt haben dürften.

    Diese Menschen sind in der Tat so schwerwiegend krank, dass es da schon professioneller Hilfe braucht bei derartigen verzerrten Realitätswahrnehmungen, die einfach alles ausblenden, was nicht in den eigenen Kram passt. Erschreckend!

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