… und diesmal ist der noch nicht mal männlich. Aber da ich mit „alter weißer Mann“ ja eben eine Geisteshaltung und nicht die physiognomischen Merkmale meine, kann das eben auch mal vorkommen.
Das Ganze trug sich zu, nachdem ich das hervorragende Video von Rayk Anders, das sich mit den Immobiliengeschäften von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn beschäftigt, auf meiner Facebook-Wall gepostet habe.
Daraufhin kam dann recht schnell eine Antwort von einer Facebook-Freundin, die ich allerdings auch nur virtuell kenne. Als ich mich vor einigen Jahren mal für ein paar Monate bei der Partei „Demokratie in Bewegung“ (DiB) engagiert habe, war sie auch dort. Was bedeutet, dass sie eigentlich eher dem linken, progressiven politischen Lager zuzurechen ist. Aber auch dort breitet sich ja zurzeit der Alte-weiße-Mann-Typus zunehmend aus.
Sie schrieb also:
Nach ein bisschen Verbalgeplänkel, bei dem ich sie auch auf den Artikel, den ich vor einiger Zeit zur Ablehnung von Kritik an Jens Spahn durch die braven Untertanen geschrieben habe, aufmerksam machte und mein Bedauern äußerte, dass sie sich dort nun offensichtlich auch einreihen würde, und sich mich dann als „blind vor der Realität“ bezeichnete (fehlte eigentlich nur noch der Begriff „Schlafschaf“, um die Rechtsaußen-Tonalität noch besser zu treffen), schien es mir dann allerdings doch angebracht, auf ihre Aussagen ein bisschen im Detail einzugehen. Zwar hat ja Rayk Anders in seinem Video schon einiges davon gut begründet dargelegt hat, beispielsweise warum durchaus ein öffentliches Interesse daran besteht, wenn ein Bundesminister eine teure Immobilie nach der anderen erwirbt, aber da sie sich immer mehr auf ein Diskussionsniveau herabsinken ließ, das man sonst eher von AfD-Jüngern (o. k., und von alten weißen Untertanen, die geben sich da mittlerweile nicht mehr viel) kennt, wollte ich aufzeigen, dass ihre Aussagen eben nicht so fundiert sind, wie sie vielleicht meint, sondern eher dazu dienen, einen Diskurs zu unterbinden.
Und da das Ganze ja nun auch auf meiner eigenen Facebook-Wall stand, fand ich es eine gute Gelegenheit, gleich mal auf destruktive Diskussionspraktiken hinzuweisen, die eben nicht immer nur durch offensichtliches Gepöble und Gebölke gekennzeichnet sein müssen.
Ich schrieb also Folgendes, wobei ich immer einzelne Passagen ihres Postings kommentierte:
„Millionenminister?“
Ja, wer einige Millionen in Immobilien investiert, bei dem kann man wohl davon ausgehen, dass er Millionär ist. Einfach so als Vollfinanzierung kriegt man so was nämlich sonst nicht so mal eben hin.
„Der Spahn ist auch nicht mein bester Freund, aber geht das nicht zu weit? Sein Ehegatte verdient auch gutes Geld.“
Spahn hat aber zumindest den Löwenanteil an besagter Villa gezahlt. Ansonsten kenne ich diese einleitenden Relativierungen vor allem von „Ich bin ja kein Rassist, aber …“ und ähnlichem rechten Gesabbel.
„Andere Politiker*innen wohnen auch in stattlichen Häuser.“
Was andere machen, ist in diesem Fall erst mal egal. Außerdem geht es ja nicht nur um Spahns feudalen Wohnsitz, sondern auch noch um die anderen Immobilien, die er hat. Oder braucht der nun mehrere Wohnungen und Villen zum Wohnen?
„Als Justizbeamtin a.D. kann ich mit Sicherheit behaupten, dass Journalisten keine Einsicht ins Grundbuch erhalten. Um Einsicht ins Grundbuch zu erhalten, muss man ein berechtigtes Interesse nachweisen bzw. eine Vollmacht des Eigentümers vorlegen. Eine Einsicht in den Kaufvertrag durch die Journalisten beim Grundbuchamt bezweifle ich deshalb, ansonsten hat sich der/die zuständige Beamte/in strafbar gemacht.“
Ein typischer rhetorischer Kniff, um vom Thema abzulenken: Erst mal wird die eigene Expertise in den Vordergrund gestellt, um sich dann auf das damit verbundene Terrain zu begeben, wo man dann natürlich als Expertin keinen Widerspruch duldet. Damit schiebst Du nun dem Überbringer der Nachricht den Schwarzen Peter zu, indem Du suggerierst, dass das ja alles nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann – und schon hoffst Du, vom eigentlichen Thema weg zu sein.
Mal abgesehen davon, dass diese Diskursführung nicht dazu dient, einen konstruktiven Austausch zu führen, sondern sich selbst mit dem „Ich hab recht“-Signet zu versehen, indem man sich eine mögliche nebensächliche Schwachstelle oder eine kleine Ungenauigkeit raussucht, um sich dann nur noch darauf zu kaprizieren, begibst Du Dich da nun auch in die Nähe von denjenigen, die Menschen wie Edward Snowden, Chelsea Manning oder Julian Assange vorwerfen, unrechtmäßig gehandelt zu haben. Deren Argumentation ist da nämlich letztlich genau die gleiche, die Du hier vorbringst.
„Seit 1978 bin ich Inhaberin eines Kontos bei meiner Bank/Sparkasse, deshalb habe auch ich bei meinem letzten Kredit ebenfalls ausnahmsweise Sonderkonditionen erhalten. Bin ich jetzt auch korrupt?“
Bist Du Bundesministerin? Hast Du im Verwaltungsrat Deiner Bank/Sparkasse gesessen? Wenn nicht, dann ist das reichlich plumper Whataboutism.
„Man sollte nicht alles glauben, was so mancher Journalist erzählt.
Ein Beispiel:
Ich kannte den verstorbenen Vater von Claudia Schiffer.
Anfangs war er hell auf begeistert und sehr stolz auf seine Tochter (am Ende natürlich immer noch).
Er erzählte mal, dass Claudia jeden Morgen beim Aufstehen überlegen würde, was die Presse an diesem Tag über sie erfinden würde.“
Rayk Anders ist ein sehr profilierter Videoblogger, zudem bezieht er sich da auf seriöse Quellen, und auch reichlich andere Medien haben darüber schon berichtet. Durch den Vergleich mit Claudia Schiffer ziehst Du also politische Berichterstattung runter in den Bereich von Klatsch und Tratsch, schürst damit auch sehr unverblümt allgemeines Medienmisstrauen und diskreditierst Journalisten per se. Weil einmal (oder auch öfter) jemand sich da was ausgedacht hat, muss ja alles (zumindest, wenn es Dir nicht in den Kram passt) erfunden sein und ist nicht glaubwürdig. Das ist, wie schon geschrieben, nichts anderes als das Lügenpresse-Geschwafel von Rechtsaußen.
„Ich bin auch extreme Gegnerin des Lobbyismus in den Parteien und bin für das Lobbyregister, vielleicht sogar für den lobbyistischen Fußabdruck bei der Abstimmung von Gesetzen und die wahre Offenlegung von Nebeneinkommen der Abgeordneten, aber dies sehe ich als Eingriff ins Privatleben an. Kein Mensch hat das Recht, zu erfahren, was eine Immobilie kostet, die ich gekauft habe.“
Und noch mal die Frage: Bist Du Bundesministerin? Denn an so einem öffentlichen Amt mit Bezahlung aus öffentlichen Geldern besteht nun mal ein anderes Interesse als an Dir als Privatperson. Das erläutert Rayk Anders in dem Video ja auch. Zumal ja Jens Spahn auch gezielt die Öffentlichkeit sucht und sich dort präsentiert, um so seine karrierefördernde Beliebtheit zu steigern. Wer sich ins Licht der Öffentlichkeit drängt, der sollte sich nicht beschweren, wenn er dann auch von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.
Insgesamt also ein ausgesprochen schwaches Statement von Dir, das nur auf Rechthaberei, Quellenverneinung und Ablenkung vom eigentlichen Thema basiert. Sechs, setzen!
Gelesen hatte sie das allerdings nicht mehr, denn nach meiner Ankündigung, ihre Aussagen mal ein bisschen genauer zu kommentieren, hat sie sich flugs von mir entfreundet und mich blockiert.
Na ja, irgendwie auch nicht überraschend, denn mit Widerworten können alte weiße Männer ja nun auch so gar nicht gut zurechtkommen …