Konsumverzicht! Wie klingt Konsumfreiheit?

Nachdem kürzlich bei scobel (3sat) das Thema „Macht der Lobbyisten“ meine Aversion gegen den blinden Konsum der Menschen schürte, hatte ich mal wieder den Gedanken, dieses Verhalten ins Bewusstsein der Leute/Leser zu holen. Gibt es eigentlich schon einen internationalen Tag des Konsumverzichts? Und ist der Name nicht irgendwie unpassend, da „Verzicht“ nicht gerade einen positiven Anreiz verspricht? Gerade habe ich das Buch „Gute-Macht-Geschichten“ durchgelesen, das sich mit der Umdeutung von Begriffen durch politische Akteure beschäftigt (danke fürs ausleihen, Karl). Ein klassisches Beispiel (welches mir schräg im Magen liegt) wäre „sozial Schwache“: Menschen, die kaum finanzielle Möglichkeiten haben, die sind „wirtschaftlich schwach“. Sozial schwach sind Leute wie Jens Spahn, die sich asozial und soziopathisch verhalten.

Um mit dem Wort „Verzicht“ nicht gleich eine Abwehrhaltung bei den Leuten zu erzeugen, hatte ich dann eher an „Tag der Konsumfreiheit“ gedacht (oder wie wäre „Tag der Produktsparsamkeit“?). Eine kurze Suche ergab dann aber, dass es einen solchen Tag schon seit fast 20 Jahren in Deutschland gibt und dieser Tag sogar in bereits 60 Ländern zelebriert wird: Kauf-nix-Tag. In diesem Jahr wird es der 23. November sein (in Deutschland immer der letzte Samstag im November, in den USA der letzte Freitag), kurz bevor Weihnachten die Leute wieder dazu bringt, unnütze Dinge zu kaufen, um nicht mit leeren Händen dazustehen. Auch mir passierte das schon mit meiner Frau, denn „eigentlich“ wollen wir uns nichts mehr schenken …

Warum denn eigentlich auf den blinden Konsum aufmerksam machen (siehe hier in einem zehnminütigen Video)? Bin ich einfach nur neidisch, dass ich nicht das neuste iPhone, die freshesten Snipes Hoody oder die überdimensionierteste Glotze in der Wohnküche habe? Gönne ich den kapitalistischen Investoren die satten Gewinne nicht, die auf Kosten der ärmsten Menschen und ohne Rücksichtnahme auf die Umwelt gemacht werden? Vielleicht spielen diese Argumente (unbemerkt) eine Rolle, aber in erster Linie sehe ich, was die Macht der großen Konzerne mit uns allen und der Umwelt anstellt. Und was ich da so sehe, das macht mir schon zu einem gewissen Maße Angst (wenn ich nicht gerade lauthals über die Blödheit der Menschheit an sich loslache).

Bereits 2007 hatten Forscher des Züricher Instituts für Systemgestaltung eine Studie veröffentlicht, die 147 Konzerne (mehrheitlich Finanzkonzerne) als Inhaber der meisten Unternehmen weltweit ausmachte (wahrscheinlich hat sich die Lage seit den vergangenen zehn Jahren auch noch weiter zugespitzt). Diese Konzerne kümmern sich folglich nicht um nationales Recht, denn durch die Ausnutzung von (sehr wahrscheinlich absichtlich durch die politischen Marionetten geschaffene) Steuerlücken können Gewinne maximiert und Handelsauflagen umgangen werden (wie gerade die „Paradise Papers“ wieder eindrucksvoll gezeigt haben). Eine solche Möglichkeit des Vorteils durch Steuervermeidung und -verschiebung hat der einzelne Konsument und Steuerzahler nicht.

Da wir also offensichtlich nicht auf die korrumpierten Politiker in Berlin zu hoffen brauchen, bleibt nur, das eigene Handeln zu hinterfragen und auf diese Weise seine politische, soziale und/oder ökologische Meinung kundzutun. Und eine gewichtige und wenig aufwendige Möglichkeit ist es, sich beim Konsum von den Großkonzerne abzuwenden. Einfach ist es bei unnötigen Käufen: Dinge, die wir bereits besitzen, von denen wir aber mehrere oder das neuste Modell meinen zu benötigen (Smartphone, Tablets, Fernseher …). Dann kommen die Dinge, die wir nur benötigen, weil andere sie auch haben: Quadrocopter, Mode, Handwerksgeräte (die nur einmal im Jahr benutzt werden und deshalb besser geliehen werden könnten). Als Nächstes habe ich die Abonnements im Auge, die nur anfangs intensiv genutzt werden und dann eigentlich wieder abbestellt gehören: Apple-Music, Spotify, Deezer, Netflix, Amazon Prima & Co. Am Ende kommen die Lebensmittel: Auch hier könnte man sich überlegen, ob unterwegs wirklich jeder Kaffee to go, jeder Energydrink, jede Backware oder jede Süßigkeit „sinnvoll“ sind (ökologisch, ökonomisch und für die eigene Figur).

Dann noch ein kleiner Nachtrag zur gerade genannten Aufstellung: was für viele ein unverzichtbarer Teil ist wegen seiner vermeintlichen Kostenlosigkeit (man zahlt mit seinen Daten und denen seiner Kontakte): (Un)Social Media wie Facebook, WhatsApp, Google und dergleichen. Das sind die größten und mächtigsten Firmen nach den Finanzdienstleistern. Und genau diese stehen nun am Ende meiner Aufzählung: Finanzprodukte und die Maximierung der sogenannten „Gewinne“ (angelegtes Geld bei Banken, was letzten Endes Geld ist, dass von den Ärmsten zu den reichen Industrienationen umgeschichtet wird). Auch mit der Anlage unseres Geldes finanzieren fast alle Banken die Geschäfte der „Big Player“ (Rüstungsgeschäfte, Pharmakonzerne, Nestlé …).

Ich habe den Kauf-nix-Tag zwar relativ spät entdeckt, allerdings ist bei mir fast immer Konsumfreiheit. Kein Produkt ist so umwelt- und portemonnaifreundlich wie ein nicht produziertes Produkt! Und kein Schnäppchen dieser Welt bringt den Konzernen weniger Gewinn (denn den Preisnachlass zahlt der Einzelhandel, nicht der Produzent). Und für alle, die es noch nicht wussten: Weniger Krempel bedeutet auch weniger Zeugs, um das man sich sorgen, es verstauen oder sonst wie kümmern muss (Reparaturen, Aufladen, Verleihen, im Auge behalten …). KonsumFREIHEIT eben! ;)

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Dirk

Jahrgang 1974, in erster Linie Teil dieser Welt und bewusst nicht fragmentiert und kategorisiert in Hamburger, Deutscher, Mann oder gar Mensch. Als selbstständiger IT-Dienstleister (Rechen-Leistung) immer an dem Inhalt und der Struktur von Informationen interessiert und leidenschaftlich gerne Spiegel für sich selbst und andere (als Vater von drei Kindern kommt dies auch familiär häufig zum Einsatz). Seit vielen Jahren überzeugter Vegetarier und trotzdem der Meinung: „Alles hat zwei Seiten, auch die Wurst hat zwei!“

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