Daniel Baumann und Stephan Hebel: Gute-Macht-Geschichten

„Politische Propaganda und wie wir sie durchschauen können“ – so lautet der Untertitel dieses Buchs von den beiden Journalisten Daniel Baumann und Stephan Hebel. Das klingt erst mal nach einem etwas vollmundigen Versprechen, aber dies kann doch in der Tat recht gut eingelöst werden. Die Autoren nehmen sich nämlich in lexikalischer Form typische neoliberale Floskeln und (teils verzerrt verwendete) Begriffe vor, die sie dann in ihrer Verwendung beschreiben und dabei deren manipulativen Charakter entlarven. Das klingt zunächst mal trockener, als es sich dann liest.

Es gelingt Baumann und Hebel nämlich, auf sehr kurzweilige und gut verständliche Art und Weise aufzuzeigen, wie Begriffe in der gängigen Sprache politischer und medialer Eliten ihre Bedeutung verändern oder bewusst verschleiernd verwendet werden. Beispiel: Unterprivilegierte. Das ist wohl den meisten so geläufig, aber wenn man mal etwas genauer darüber nachdenkt (und das machen die Autoren des Buches eben auf sehr einleuchtende Art und Weise), dann kommt man darauf, dass das Gegenteil von „Privilegierten“ nicht „Unterprivilegierte“, sondern eher „Diskriminierte“ wäre. Wer allerdings diskriminiert wird, der erfährt dies eher passiv, es gibt also jemanden, der diskriminiert und auf den man seinen Fokus richten sollte. Wie viel praktischer ist es da doch, von Unterprivilegierten zu sprechen, denn das klingt eher so, als hätte diejenigen eher selbst schuld an ihrem Los oder eben ein bisschen Pech gehabt – denn schließlich gibt es niemanden, der sie unterprivilegiert hat.

Auf derart oftmals subtile Art haben sich etliche Begriffe und Wendungen in unserer alltäglichen (politischen) Sprache etabliert, die so eine manipulierende Wirkung und Funktion haben. Der Begriff „Reform“ beispielsweise wurde derart verdreht, dass heute so ziemlich das Gegenteil davon verstanden wird, was dieses Wort ursprünglich bezeichnete, nämlich eine friedliche Verbesserung der sozialen Verhältnisse, die eben kein (gewaltsamer) revolutionärer Umsturz ist. Aus dieser eher linken Bedeutung wurde mittlerweile ein Terminus, der vor allem für Sozialstaatsabbau und Umverteilung von unten nach oben steht – da muss man sich ja nur mal die immer wieder angemahnten und auch durchgesetzten sogenannten Reformen im Zuge der Austeritätspolitik, die vor allem südeuropäischen Ländern aufoktroyiert wurde, vor Augen führen.

Und so finden sich haufenweise Begriffe in diesem Buch, die teilweise als schlichte Lügen (Fachkräftemangel, sozial Schwache, Zinsenteignung), teils als manipulativ verwendete Alltagsbegriffe (Chancen, Neid, Märkte, sparen, Fleiß) enttarnt werden.

Das Ganze kann man entweder recht gut von vorn bis hinten durchlesen, oder man nutzt es als Nachschlagewerk, wenn einem in einer politischen Diskussion oder Aussage einer der hier vorzufindenden Begriffe über den Weg läuft. Baumann und Hebel haben dabei sauber und gründlich recherchiert, was an fast 400 Quellenangaben ersichtlich wird. So kann man die Inhalte der Gute-Macht-Geschichten auch hervorragend nutzen, um neoliberalen Blendern ein Stück weit den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Eine Leseprobe und alle formalen Infos zum Buch finden sich auf der Website des Westend-Verlags, wo man das Buch auch ordern kann, wenn man gerade keinen Buchhändler in der Nähe hat. Eignet sich auch super als Weihnachtsgeschenk!

 

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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