Am 16. 1. war im ZDF die Talkshow von Markus Lanz zu sehen. Diesmal war u. a. Sahra Wagenknecht zu Gast, und was sich dann in dieser Sendung entwickelte, darf getrost als Tiefpunkt des deutschen Fernsehens bezeichnet werden. Lanz legte Wagenknecht gegenüber eine Gesprächsführung an den Tag, die nicht nur ausgesprochen unhöflich war, sondern auch massiv parteiisch. Unterstützt wurde er dabei von Hans-Ulrich Jörges aus der Chefredaktion des Stern. Wer die Sendung nicht gesehen hat, der kann sich hier bei Youtube ein Bild von dem Geschehen machen.
Dass ein Moderator in erster Linie für einen reibungslosen Ablauf seiner Sendung sorgen sollte, dass er verhindern sollte, dass die Gäste sich im Ton vergreifen, das alles scheint Lanz an diesem Abend nicht im Ansatz beherzigt zu haben: Er stelle Wagenknecht Fragen, bei deren Beantwortung er ihr selbst sofort wieder ins Wort fällt und eine neue Frage hinterherschießt, die mit der ersten nicht unbedingt inhaltlich etwas zu tun haben muss, er lässt es zu, dass Jörges sich in inakzeptabler Weise im Ton vergreift, und verhöhnt sogar noch sein eigenes Studiopublikum, als dieses es wagt, Wagenknecht zu applaudieren. Stefan Niggemeier hat dieses Desaster recht gut beschrieben und kommentiert in seinem Blog (Eintrag vom 17. Januar 2014, man muss ein wenig runterscrollen).
Die Reaktionen auf diese Sendung ließen dann auch nicht lange auf sich warten, und eigentlich habe ich persönlich auch nur Äußerungen wie „Geht gar nicht, was der Lanz da abgezogen hat“ gehört. Sogar eine Onlinepetition Raus mit Markus Lanz aus meiner Rundfunkgebühr wurde eiligst initiiert. Wer nun allerdings erwartet hat, dass vonseiten der Protagonisten ein wenig Demut an den Tag gelegt wird und vielleicht sogar noch krawalliger Stil als nicht gerade diskussionsfördernd medial gebrandmarkt würde, der sah sich schnell getäuscht. Zwar gab es kritische Stimmen wie die oben verlinkte von Niggemeier oder auch von Albrecht Müller auf den Nachdenkseiten und Felix Werdermann von Der Freitag, die nicht bei den Angriffen auf Wagenknecht in der Lanz-Sendung stehen blieben, sondern ein generelles Problem vieler Medien mit der Linkspartei ausmachten. Doch schon bald mehrten sich die Stellungnahmen aus dem medialen Mainstream, die Markus Lanz beisprangen. Als Erster war Jörges als direkt an der Sendung beteiligter mit einem Video auf der Webseite vom Stern zu dem Thema am Start, in dem er noch einmal in unerträglicher Weise gegen Wagenknecht nachtrat (und sich dabei nicht zu blöd war, einen Pappaufsteller der Linken-Politikerin neben sich zu postieren) und damit seinen Niveau-Limbo aus der Lanz-Sendung noch einmal massiv unterbot (ein trefflicher Kommentar dazu findet sich in dem Blog von G. Pagel, Beitrag vom 23. Januar).
Als Nächstes bemerkte ich dann, wie Lanz‘ öffentlich-rechtlicher Kollege Dieter Nuhr sich meldete und eine Petition gegen die Anti-Lanz-Petition anstrebte. Dies zeigt natürlich bei vielen Menschen erst mal Wirkung, die Nuhr tatsächlich im Kabarett verorten – was dieser allerdings nicht im Geringsten ist, wie dieser Der-Freitag-Artikel recht gut beschreibt. Zudem: Wer öfter von einer rechtsextremen Seite wie Politically Incorrect Lob einheimsen darf, wenn er mal wieder verbal auf Minderheiten eingedroschen hat, die anscheinend seiner Meinung nach von der BILD noch nicht genug ihr Fett wegbekommen haben, der sollte nicht mit Kabarettisten wie Volker Pispers, Georg Schramm, Urban Priol usw. auf eine Stufe gestellt werden. Und die Stimmen mehrten sich, die nun pro Lanz argumentierten, wie man anhand eines weiteren Artikels von Stefan Niggemeier vom 27. Januar (So mögen sie Gulaschsuppe essen: Eine Kritik der Kritik an der Lanz-Petition) gut nachvollziehen kann. Es scheint sich hier also nicht um einen Ausrutscher von Lanz gehandelt zu haben, sondern vielmehr um das, was Jens Berger von den Nachdenkseiten wie folgt beschrieb:
… eigentlich müsste man Lanz dankbar sein, da sein geckenhafter Versuch, die Agenda seiner Kollegen mit weitaus bescheideneren geistigen Mitteln zu kopieren, dem einen oder anderen Zuschauer vielleicht die Augen geöffnet hat.
In diesem Fall müssen natürlich die Kollegen aus dem medialen Mainstream ihrem gescholtenen Kollegen, der doch nur genau das unters Volk bringen wollte (wenn auch auf reichlich plumpe Art), was sie selbst auch stets den Zuschauern/Lesern/Hörern einzuimpfen versuchen, beispringen, damit die Kritik an Lanz nicht zu einer generellen Kritik an der deutschen Medienlandschaft wird (wie sie Müller und Werdermann in den oben verlinkten Artikeln ja schon formuliert haben).
Nun sind mir bei der Sendung von Lanz noch ein paar andere Dinge aufgefallen, die nicht so sehr den Weg in die bisher geschilderte Diskussion darum fanden.
Zum einen ist es das erschreckend niedrige Bildungs- und Verständnisniveau von Markus Lanz. Ich hatte die ganze Zeit über den Eindruck, dass er Wagenknechts Ausführungen einfach überhaupt nicht folgen konnte. Oder hat er sich absichtlich so dumm gestellt und sich einfach nicht auf die Themen, die er mit seinen Gästen diskutieren will, vorbereitet? Ich glaube kaum, dazu ist er schließlich schon zu lange im Geschäft. Ein guter Beleg für die intellektuelle Beschränktheit von Lanz findet sich auch in diesem Artikel im Tagesspiegel, in dem es darum geht, dass Lanz sich bei Wagenknecht entschuldigt. Wie man feststellen kann, ist er nicht in der Lage, die Begriffe undemokratisch (so bezeichnet die Linkspartei in ihrem Programmentwurf die derzeitige EU) und diktatorisch (dieser Begriff kommt dort nicht vor) zu differenzieren, das ist für ihn anscheinend alles ein und dasselbe. Und so einer wird tatsächlich vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen, das ja immer gern darauf besteht, doch noch ein besseres Niveau zu präsentieren als das Privatfernsehen, als Moderator einer Talkshow, in der es auch durchaus um Politik geht, eingesetzt? Vor diesem Hintergrund ist es vielleicht auch so, dass seine penetrante Art (gemeinsam mit Jörges, dem ich allerdings hier reine unlautere Argumentation und Bosheit unterstelle, denn so richtig dumm scheint der zumindest nicht zu sein), Wagenknecht Aussagen unterzujubeln, die sie so gar nicht gemacht hat (beispielsweise bezüglich des Euro-Exit von einigen südeuropäischen Ländern), gar nicht taktierend war, sondern einfach nur auf Unverständnis beruhte. Ich weiß nicht, was ich erschreckender finden soll …
Dieses Unwissen und Nichtverstehen zog sich dann auch wie ein roter Faden durch die Äußerungen der anderen drei verbliebenen Gäste der Sendung (Moritz Bleibtreu, Christian Kahrmann und Philipp Möller). Ich fand es schon befremdlich, dass keiner von denen mal die Traute hatte, Wagenknecht wenigstens ein bisschen beizuspringen, als Jörges und Lanz verbal Amok liefen und die Gesprächskultur auf ein unterirdisches Level brachten, als dann allerdings jeder von den dreien, als er selbst an der Reihe war, meinte, dass er gar nicht so richtig verstehen würde, worum es denn da zuvor überhaupt genau gegangen sei, wandelte sich meine Befremdlichkeit in Erschrecken. Immerhin war es ja nicht so, dass zwei Wirtschaftswissenschaftler sich mit Fachtermini beschmissen hätten, die kein Laie nachvollziehen kann, sondern Wagenknecht hat Dinge, die uns wirklich alle betreffen, anschaulich dargestellt. Man kann da nun andere Standpunkte vertreten, aber wieso ein erwachsener Mensch hier inhaltlich nicht folgen können sollte, erschließt sich mir nicht. Oder sollte hier auch wieder eine Botschaft vermittelt werden an den Zuschauer? So in dem Sinne: Puh, das ist aber alles kompliziert, beschäftige dich lieber nicht damit, das verstehen noch nicht mal die Promis im Fernsehen … In dem Fall würde ich sagen: Zuschauer trefflich vom Denken abgehalten, Verblödungsmission erfolgreich!
Ein guter Kommentar von Andrea Wierich zum weiteren Verlauf der mittlerweile beendeten Petition und deren Auswirkungen findet sich auf Der Freitag. Lesenswert!
Maren Müller, die Initiatorin der Lanz-Petition hat ein Begleitschreiben zur Einreichung der Petition an das ZDF verfasst, dass es sich durchaus lohnt zu lesen.