Facebook und die Zensur

Dass Facebook ein ziemlich ekliger Laden ist, ist nichts ganz Neues. Und ich bin da auch nur noch mehr oder weniger als „Pflichtübung“ zugange, um beispielsweise die Beiträge von unterströmt oder von meinem Videoblog Schaukelstuhl-Gedanken dort zu teilen oder um eine von mir betreute Gruppe zu administrieren. Das liegt nicht nur daran, dass die Gesprächskultur gerade bei politischen Diskussionen ziemlich den Bach runtergegangen ist, sondern dass von Facebook selbst auch viel dazu beigetragen wird, durch fragwürdige Zensurmaßnahmen und Einschränkung von Administratortätigkeiten genau das zu fördern.

Zunächst mal etwas Selbstverständliches vornweg: Konzerne sind nicht demokratisch organisiert, sondern eher wie streng hierarchische Diktaturen. Wer nicht spurt, fliegt, und wer die Konzernleitung oder seinen Vorgesetzten kritisiert (auch wenn das noch so sachlich vorgetragen wird), muss mit Konsequenzen rechnen, die ebenfalls bis zum Jobverlust reichen können. Das ist leider ein allgemein akzeptierter Zustand heutzutage, wenngleich es da auch bereits andere Ansätze gibt, wie Hans-Jürgen Urban in einem Artikel über Wirtschaftsdemokratie in den Blättern für deutschen und internationale Politik ausführt. Aber so was scheint politisch ja eher nicht erwünscht zu sein …

Und insofern sind solche Konzerne auch vor allem ihrem eigenen Profit verpflichtet, dem alles andere untergeordnet wird, beispielsweise Menschenrechte, Umweltschutz oder eben auch, wenn es um ein Unternehmen geht, dass eine Kommunikationsplattform anbietet, die Interessen der Nutzer. Zumal wenn es sich wie bei Facebook um einen Quasi-Monopolisten handelt, denn eine ähnliche Plattform mit ansatzweise der gleichen Reichweite gibt es ja nun mal nicht.

So spielt man sich dann eben auch auf, wenn es um unliebsame Äußerungen von Nutzern geht. Hab ich selbst schon erlebt: Da wurde ein Kommentar von mir einfach so entfernt, indem ich allgemein vom „dummen deutschen Untertan“ schrieb, ohne damit eine konkrete Person zu meinen, sondern eher in Anspielung auf Heinrich Manns literarische Figur des Diederich Heßling aus dem Roman „Der Untertan“. Man kann dann zwar zuweilen noch per Klick gegen die Löschung Einspruch erheben, was aber in der Regel nichts bringt. Nachfragen, warum denn nun etwas gelöscht wurde, werden ohnehin nicht beantwortet, da gibt es nur Allgemeinplätze wie „verstößt gegen unsere Gemeinschaftsstandards“.

Und diese Gemeinschaftsstandards sind dann auch wenig nachvollziehbar, was man erfährt, wenn man selbst mal einen menschenverachtenden Kommentar meldet und dann als Antwort bekommt, dass damit schon alles in Ordnung wäre. So war das zum Beispiel vor einiger Zeit mal, als ich diese wahrhaft scheußlich Aussage von einem Rechtsextremisten meldete, der seine unverhohlene Freude darüber zum Ausdruck brachte, dass im Mittelmeer gerade mal wieder Geflüchtete ertrunken sind:

So was fällt dann für Facebook nicht unter Hassrede – warum auch immer!

Vor allem dann wiederum interessant, wenn man als Administrator einer Diskussionsgruppe solche Meldungen von Facebook zugeschickt bekommt:

Vermutlich gibt es da irgendeinen Algorithmus, der die Kombination von „dumm“ und „deutsch“ grundsätzlich als Hassrede qualifiziert. Oder auf den Philippinen (oder sonst einem Land, in dem Arbeitskraft so gut wie nichts kostet) sitzen Billiglöhner, die eine Liste von Begriffen haben, nach denen sie dann Kommentare als Hassrede qualifizieren, ohne überhaupt aufgrund von fehlenden sprachlichen Kenntnissen den Inhalt zu verstehen.

Was mir vor allem aufgefallen ist dabei: Es ist oftmals rechte Hetze und Menschenverachtung, die als o. k. klassifiziert wird, wohingegen Äußerungen von eher links denkenden Menschen (wie die beiden obigen) dann schnell mal zensiert werden.

Doch es geht noch ein bisschen intransparenter und nicht nachvollziehbarer:

Dazu eine Anmerkung: Der User, dessen Beitrag da angeblich gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen, ist sehr aktiv in der Gruppe und auch schon länger dabei, sodass ich dessen Beiträge eigentlich immer schnell genehmige, wenn sie mir angezeigt werden. Das ist nämlich eine Einstellung, die wir für die Gruppe vorgenommen haben, um da nicht irgendwelche rechte Hetze reinzubekommen: Mitglieder müssen sich erst anmelden, dann von uns zugelassen werden, und auch die Beiträge werden immer erst von uns Admins freigeschaltet.

Um welchen Beitrag dieses Users es sich dann nun handelt, ist dann allerdings nicht nachvollziehbar. Und da wird es dann komplette Willkür. Wie soll ich als Admin nun also beurteilen, ob zukünftige Beiträge eventuell den kruden Gemeinschaftsstandards von Facebook entsprechen oder nicht, wenn ich nicht mal weiß, welche Beiträge da zensiert werden?

Denn dass dies wichtig ist, sieht man dann hieran:

Da steht dann zwar schön „Details ansehen“ zum Anklicken, wenn man da dann aber raufklickt, wird einem nicht angezeigt, um welchen Beitrag es geht. Wie soll ich so also vermeiden, zukünftig einen Beitrag zu genehmigen, der eventuell nicht nach Facebooks Gusto ist? Und das gleich kombiniert mit der Androhung, die Gruppe zu deaktivieren, was ja schon ein ziemlich schweres Geschütz ist, wie ich finde. Immerhin hat diese Gruppe über 1700 Mitglieder und besteht auch schon einige Jahre lang.

Das ist also reine und vollkommen intransparente Willkür, die dort praktiziert wird. So was sollte in (sozialen) Medien von demokratischen Staaten eigentlich nichts verloren haben, oder? Aber da sind wir dann wieder bei dem oben bereits angesprochenen Problem der nicht demokratisch strukturierten (und auch so agierenden) Konzerne …

Um das Ganze dann noch zu toppen: Ich habe bis vor knapp einem Jahr mit ein paar Facebook-Freunden eine politische Seite betrieben. Dort konnten dann nur wir Beiträge posten, die dann aber generell von allen Facebook-Usern kommentiert werden konnten. Diese Seite ist nicht ganz klein und hat über 100.000 Follower, was zu entsprechendem Traffic geführt hat. Zurzeit ist allerdings nur noch einer von uns dabei und postet ab und zu mal einen Beitrag, da uns der Aufwand, diese Seite in unserer Freizeit zu verwalten, einfach zu groß wurde.

Wenn nämlich alle dort öffentlich kommentieren können, dann lockt das natürlich auch immer wieder Rechtsextreme an, die dort hetzen und menschenverachtende Kommentare loslassen (so wie oben bei dem Beitrag mit den Geflüchteten). Solche Kommentare haben wir dann regelmäßig entfernt und die User blockiert, da wir solchen Leuten keine Plattform bieten wollten. Und das war auch immer ein ziemlicher Aufwand, denn die Rechten sind leider sehr fleißig dabei, wenn es darum geht, Facebook mit Hetze zu fluten – und teilweise sind die ja auch recht gut organisiert (s. hier).

Nun ist es allerdings seit einiger Zeit so, dass man als Administrator einer solchen Seite zwar User-Kommentare löschen, aber die User dann nicht mehr für die Seite sperren kann. Die können also immer wieder ihre Menschenverachtung dort rausposaunen, und man kann nicht wirklich dagegen vorgehen. Was es dann eigentlich unmöglich macht, die Kommentare auf so einer Seite im manierlichen Rahmen zu halten, wenn man das in seiner Freizeit betreibt.

Einerseits werden also willkürlich Beiträge in Gruppen zensiert und Drohungen ausgesprochen gegen die Administratoren, andererseits werden ebendiesen Admins dann die Möglichkeiten genommen, die Kommentarspalten auf ihren Seiten entsprechend zu pflegen.

Damit spielt Facebook dann der Verbreitung von Hetze und Menschenverachtung sehr in die Karten, obwohl man sich ja andererseits so gern als tugendhafter Wächter von moralisch einwandfreier Kommunikation aufspielt. Und hat somit auch einen großen Anteil an der überall beklagten Verrohung des öffentlichen Diskurse. Aber klar: Die Rechten und Rechtsextremen sind sehr aktiv bei Facebook, und vermutlich will man es sich mit diesen Usern nicht verscherzen. Denn viel Traffic, den diese Leute dort verursachen, bedeutet ja auch viele Werbeeinnahmen für Facebook.

Die Folge davon: Politische Diskussionen auf Facebook werden mittlerweile immer öfter von Rechtsaußen dominiert, die so den Eindruck erwecken, dass ihre ätzende Weltsicht keine Randposition wäre, sondern gesellschaftlicher Konsens.

Jetzt kann man natürlich sagen: „Dann benutz doch den Mistladen Facebook nicht mehr!“ Klar, wäre eine Möglichkeit, allerdings gibt es auch keine Möglichkeit, da auf ein anderes soziales Netzwerk umzusteigen. Und das würde bedeuten, dass etliche Leute, die sonst Artikel wie diesen lesen, das nicht mehr mitbekommen würden.

Davon abgesehen: Dass ich nun seit vielen Jahren nicht mehr bei Amazon kaufe, hat ja auch nicht gerade dazu geführt, dass der Konzern pleitegegangen ist, oder?

Soll heißen: Solche Missstände müssen politisch angegangen werden. Und da drängt sich dann m. E. vor allem eine Lösung auf: Derartig relevante Kommunikationswege wie Facebook gehören in öffentliche Hände, wo sie demokratisch kontrolliert werden, wo man als Nutzer die Möglichkeit hat, Einspruch gegen Entscheidungen zu erheben, wo man nicht der Willkür von irgendwelchen Managementwürsten und Unternehmerspackos ausgesetzt ist, die nur auf den Konzernprofit schielen und sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung in keiner Weise bewusst sind.

Bleibt nur die Frage, wie man das den neoliberalen Privatisierungsjüngern klarmachen kann …

 

Ergänzung vom 16. Juli 2021:

Heute bekam ich als Gruppen-Admin wieder eine Meldung von Facebook, dass da angeblich falsche Informationen verbreitet würden in der Gruppe:

Da postet also ein User ein Zitat, an dem absolut nichts Anstößiges auszumachen ist, und weil diese Aussage wohl nicht von Thomas Mann ist (wobei ja schon Zehntausende andere auch darauf reingefallen sind), wird das dann als Falschinfo ausgelegt.

Echt jetzt? Ob sich da irgendeiner von diesen Facebook-Kaspern mal überlegt, wie man denn bitte so eine Gruppe in seiner Freizeit administrieren soll, wenn man nun auch noch selbst Recherchen anstellen muss ob der Korrektheit von Zitaten, die User ja immerhin unter ihrem eigenen Namen und somit als persönliche Meinungsäußerung posten?

Aber vielleicht sollen ja auf diese Weise auch alle nicht professionellen Anbieter von Gruppen und Seiten aus dem Verkehr gezogen werden, damit die professionellen, die eben auch mal für Werbung und Reichweite ihrer Facebook-Angebote zahlen, dann gestärkt werden. Zuzutrauen wäre es einem solchen fiesen Laden wie Facebook allemal …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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