Corona-Protokolle des RKI

Das Online-Magazin Multipolar hat vor Gericht erstritten, die Corona-Protokolle des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom Februar 2020 bis April 2021 einsehen zu können (s. hier). Und nicht nur das, was dort steht, ist recht interessant, sondern auch die mediale Reaktion darauf.

Zunächst einmal ist festzustellen, dass sehr viele Passagen in den rund 1000 Seiten geschwärzt wurden – warum auch immer man offenbar der Ansicht ist, dass es hier etwas vor der Öffentlichkeit zu verheimlich gibt. Das finde ich schon mal reichlich suspekt, wenn man bedenkt, dass die Aussagen des RKI ja während der Pandemie die Grundlage dafür waren, dass erhebliche einschränkende Eingriffe in den Alltag der Bindesbürger vorgenommen wurden.

So wurde beispielsweise der Name einer Person geschwärzt, auf deren Ansage hin dann die Bedrohungslage von „mäßig“ auf „hoch“ geändert werden sollte. Die Vermutung von Multipolar ist nun, dass es sich hierbei um einen Politiker, beispielsweise den damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, handeln könnte, was dann einen politischen Einfluss auf die wissenschaftliche Beurteilung aufzeigen würde. Das Bundesgesundheitsministerium weist diese Vermutung zurück und sagt, dass es sich bei dieser Person um einen RKI-Mitarbeiter handeln würde.

Wobei ich mich dann frage: Warum wurde dessen Name dann überhaupt geschwärzt? Das wäre ja nun wirklich nichts, was unbedingt geheim gehalten werden müsste. Ganz im Gegenteil: Sollte es tatsächlich dabei um einen RKI-Mitarbeiter gehen, würde doch das Schwärzen von dessen Namen erst recht Anlass zu Spekulationen geben, finde ich.

Ein weiterer interessanter Punkt ist, dass offenbar vonseiten des RKI FFP2-Masken nicht als sinnvoll für eine Verwendung außerhalb von direktem Arbeitsschutz angesehen wurden. Zitat hierzu aus einem Artikel von ntv zu dem Thema:

In einer Besprechung am 30. Oktober 2020 beschäftigte sich das RKI mit FFP2-Masken. Der Krisenstab stellte klar: „… es gibt keine Evidenz für die Nutzung von FFP2-Masken außerhalb des Arbeitsschutzes, dies könnte auch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.“ Die Öffentlichkeit erfuhr von dieser Position nichts. Im Winter 2020 galt bereits eine strengere Maskenpflicht, auch die FFP2-Maske wurde in verschiedenen Bundesländern verpflichtend.

Na so was … Und wenn man dann noch berücksichtigt, dass sich ja einige Abgeordnete (vor allem von der CDU/CSU) und ihre Buddies genau an diesen Masken selbst schamlos bereichert haben, dann bekommt das Ignorieren dieser RKI-Aussage doch schon ein reichlich schales Geschmäckle. Und wirft erneut die Frage auf, ob da tatsächlich wissenschaftsbasiert oder nicht doch eher aufgrund von (politischen) Partikularinteressen gehandelt wurde.

Immerhin wird auf diese Weise nun das Thema Krisenpolitik der damaligen Bundesregierung ein bisschen in die Öffentlichkeit gebracht. Denn dabei gibt es ja mit Sicherheit einiges aufzuarbeiten, da die beschlossenen Maßnahmen sich einige Male nicht nur als untauglich erwiesen haben, sondern sogar noch ausgesprochen schädliche Langzeitwirkungen zur Folge hatten, so zum Beispiel bei jungen Menschen, die sehr häufig nun unter psychischen Problemen leiden aufgrund der durch die Corona-Politik angeordneten Einschränkungen. Davor haben damals ja auch schon beispielsweise Pädagogen, Psychologen und Soziologen gewarnt, aber man beschloss vonseiten der Regierung, ja in erster Linie (um nicht zu sagen: nahezu ausschließlich) nur Virologen als Ratgeber zu konsultieren – und selbst Epidemiologen kaum zu Wort kommen zu lassen.

Dass das RKI vor allem im Sinne der Politik und nicht der Wissenschaft agieren könnte, habe ich ja 2021 (hier) und 2022 (hier) schon mal vermutet. Sollte sich das nun durch die Corona-Protokolle des RKI bestätigen, wäre das natürlich fatal für die damals federführenden Politiker, aber auch fürs RKI selbst, denn dann würden sich ja einige als „Verschwörungstheorie“ abgetane Fragestellungen tatsächlich als wahr herausstellen.

Insofern verwundert es mich nun auch nicht, dass neben der Berichterstattung über dieses Protokolle auch zugleich Multipolar zu diskreditieren versucht wird. So findet sich beispielsweise im oben verlinkten ntv-Artikel am Ende folgender Satz, und das ohne einen direkten inhaltlichen Zusammenhang zum vorher Geschriebenen:

„Multipolar“ wird unter anderem von dem Autor Paul Schreyer herausgegeben, der mehrere Bücher mit Verschwörungserzählungen veröffentlicht hat.

Aha. Ist ja interessant. Und was soll uns das nun sagen? Nur weil einer der Herausgeber einer Seite Bücher geschrieben hat, die vermeintlich als „Verschwörungserzählungen“ gelten, ist nun alles, was auf der Seite steht, Humbug – auch Primärquellen wie diese Protokolle?

Noch weiter geht dabei der Spiegel, der laut einem Artikel auf Multipolar, wo man sich natürlich auch damit auseinandersetzt, nachträglich in einem Artikel zu dem Thema folgende Änderung vornahm, und zwar, ohne das als Ergänzung kenntlich zu machen, wie es eigentlich journalistischer Standard sein sollte. Aus

Das Online-Magazin ‚Multipolar‘, das auf diesen Schritt geklagt hatte, veröffentlichte die Unterlagen.

wurde dann:

Das rechte Onlinemagazin ‚Multipolar‘, das auf diesen Schritt geklagt hatte, veröffentlichte die Unterlagen.

Ich hab mich auch daraufhin mal ein bisschen auf Multipolar umgeschaut. Dort bezieht man sich teilweise auf Quellen, die ich nicht verwenden würde, aber eine eindeutig rechte Schlagseite konnte ich zumindest so nicht ausmachen. Soll hier etwa auch wieder der Bote einer unliebsamen Nachricht verunglimpft werden, um so vom eigentlichen Inhalt abzulenken?

Und auch das ZDF hat in seiner Berichterstattung nachträglich Änderungen vorgenommen, ohne diese kenntlich zu machen. So wurde laut Multipolar aus

Auf welcher wissenschaftlichen Grundlage die Hochstufung erfolgt, bleibt unklar.

nachträglich

Die Passage in den Protokollen legt allerdings nahe, dass das RKI die Risikobewertung selbst gemacht und nach dieser das Risiko als ‚hoch‘ einstuft hat. Einzig die Veröffentlichung der Risikobewertung hing demnach von der Freigabe der nicht namentlich genannten Person ab.

Es spricht ja nichts dagegen, wenn Journalisten ihre anfänglichen Recherchen ergänzen oder auch revidieren, wenn sich weitere oder neue Erkenntnisse ergeben. Nur muss das dann eben auch entsprechend hervorgehoben werden, damit diese Entwicklung für den Leser nachvollziehbar ist. Wenn das nicht gemacht wird, dann ergibt sich für mich daraus der Schluss, dass da etwas verheimlicht oder vertuscht werden soll – denn sonst könnte man ja transparent agieren.

Dass während der Covid-19-Pandemie die Berichterstattung weiter Teile der deutschen Medienlandschaft sehr einseitig und ausgesprochen unkritisch war (s. hier) und vonseiten der Regierung sowohl Journalisten (s. hier) als auch wissenschaftliche Experten (s. hier) doch recht einseitig herangezogen wurden, wurde zwar m. E. nicht ausreichend, aber immerhin ab und an mal medial thematisiert. Nun bekomme ich den Eindruck, dass hier schon wieder ähnlich vorgegangen wird, indem unerwünschte Informationen durch Diskreditierung entkräftet oder schlichtweg „übertüncht“ werden sollen.

Ich hoffe daher, dass das RKI vom Gericht dazu verdonnert wird, die Protokolle ungeschwärzt rauszugeben – nur dann wird sich wohl auflösen lassen, ob da etwas verschleiert werden soll und ob eben doch politisches Kalkül statt wissenschaftlich fundierten Bevölkerungsschutzes handlungsführend gewesen sein könnte.

An so einer Aufklärung und Schaffung von Transparenz sollten Journalisten nur generell mitarbeiten und nicht dem entgegenwirken, wie es gerade schon ein Stück weit den Anschein hat.

Es dürfte also spannend bleiben …

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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