Albernheiten des EuGH

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat gerade in der letzten Woche entschieden, dass rein pflanzliche Produkte, die keine Bestandteile von tierischer Milch enthalten (beispielsweise Soja- oder Hafermilch, Tofubutter oder Pflanzenkäse), auch nicht als „Käse“ oder „Milch“ bezeichnet werden dürfen (dazu ein treffender Kommentar von Hilal Sezgin in der taz). Ein Urteil, das meines Erachtens gleich aus mehrerlei Hinsicht reichlich unsinnig ist.

Zum einen drängt sich mir dabei die Frage auf, wie es denn dann mit anderen „irreführenden“ Produktbezeichnungen ausschaut:

Muss in Teewurst Tee enthalten sein – und wenn nein, warum nicht?

Wie melkt man Kokosnüsse für Kokosmilch? Und erst die Sonne für Sonnenmilch? Und kann man Letztere dann trinken? Was ich mich auch bei Scheuermilch oder Kosmetikprodukten, die als „Milch“ oder „Butter“ bezeichnet werden, frage …

Wieso ist denn im Fleischsalat kein Blatt Salat zu finden, genauso wie im Eier-, Krabben- oder Geflügelsalat?

Ist vom Bierschinken schon mal jemand betrunken geworden? Mal davon abgesehen, dass das Zeug eher an gröbere Augenwurst als an Schinken erinnert …

Müssten diese Dinge dann nicht streng genommen auch anders bezeichnet werden, damit der „dumme“ Verbraucher nicht auf eine falsche Fährte gelockt wird?

Und wie schaut es mit irreführenden Produktabbildungen aus? Die NGO foodwatch beispielsweise kämpft ja schon seit Jahren darum, dass auf Produktverpackungen auch nur die Sachen abgebildet werden dürfen, die in dem Produkt dann auch tatsächlich enthalten sind – und rennt damit bei Bundesregierung und EU nicht gerade offene Türen ein. Es dürfen also weiterhin beispielsweise auf Joghurtbechern oder Teekartons Früchte abgebildet werden, von denen sich dann gar nichts im Joghurt oder Tee findet, da dafür nur Aromen verwendet werden, um den entsprechenden Geschmack zu suggerieren. Ist das nicht eine viel größere Täuschung der Verbraucher? Anscheinend nicht …

Aber um solche Transparenz für den Verbraucher zu schaffen, dafür engagiert sich eben auch keine Lobby, wie es nun im Fall des EuGH-Urteils die Lobby der Milchproduktehersteller gewesen sein dürfte. Ein ähnliches Ansinnen verfolgte die Fleischindustrie ja auch vor nicht allzu langer Zeit, als sie meinte, dass vegetarische Schnitzel und Würstchen ja im Grunde nicht Schnitzel und Würstchen heißen dürften.

Was ich mich darüber hinaus noch frage: Soll mit derartig bekloppten Urteilen eventuell ganz bewusst EU-Verdruss geschürt werden? Schließlich ist so was ja Wasser auf die Mühlen derjenigen, die die EU immer nur als Verbots- und Regulierungsinstitution ohne Sinn und Verstand betrachten und dabei die sinnvollen Aspekte der Union ausblenden. So kann man schön Stimmung machen – wobei sich die Frage stellt, warum das dann ausgerechnet vom EuGH ausgeht …

Natürlich soll ein Gericht nicht unbedingt nach politischen Maßstäben seine Urteile fällen, aber mögliche Konsequenzen mitzudenken kann m. E. nicht ganz verkehrt sein – gerade wenn es eh schon eine steigende Unzufriedenheit mit dem Projekt EU in den Mitgliedsstaaten gibt. Und wenn eben auch auf politischer Ebene Entscheidungen blockiert werden, die in eine ähnliche Richtung zielen und dabei sinnvoller wären im Sinne des Verbraucherschutzes.

So bleibt neben der inhaltlichen Albernheit vor allem auch der Beigeschmack eines Bärendienstes an diesem Urteil haften.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

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