Warum die FDP für mich eine rechte, wenn nicht gar rechtsextreme Partei ist

Nach meinem Artikel zum Ergebnis der Bundestagswahl von letzter Woche wurde ich einige Male darauf angesprochen, wie ich denn darauf käme, die FDP mit der AfD in einen Topf zu werfen und auch als rechtspopulistisch zu bezeichnen. Schließlich findet sich doch in den meisten Medien und im öffentlichen Diskurs die FDP immer auf der Seite der „guten“ Parteien, quasi als Abgrenzung zur „bösen“ AfD. Warum sie meines Erachtens dort nicht hingehört, sondern eben ein genauso rechter Verein wie die AfD, nur eben in etwas stylisherem Gewand, ist, möchte ich im Folgenden ausführen.

Ein vorweg: Die AfD ist nicht vom Himmel gefallen und wurde auch nicht in irgendwelchen braunen Bierstubenhinterzimmern erdacht, sondern wurde vor allem von ehemaligen CDUlern und FDPlern gegründet, denen ihre alten Parteien nicht marktfundamentalistisch und damit auch menschenverachtend genug waren. Die gemeinsame DNA dieser drei Parteien ist also seit jeher vorhanden gewesen. Der Unterschied ist, dass die AfD schon recht schnell erkannt hat, dass mit dem Anheizen von nationalistischer Stimmung und der Beförderung von fremdenfeindlichen Ressentiments viele Stimmen von Wählern zu holen sind, die sonst eher weniger mit Marktradikalismus am Hut haben. Also wurden entsprechende Positionen immer lauter und öffentlicher vonseiten der AfD in den öffentlichen Diskurs eingebracht, womit auch gleichzeitig deren steigende Beliebtheit bei den Wählern einherging.

Da bei den Parteien in Deutschland der Marktfundamentalismus bei der FDP als leitende Ideologie am deutlichsten ausgeprägt ist, ergeben sich somit schon mal in weiten Teilen die meisten programmatischen Parallelen zu den Rechtspopulisten von der AfD. Aber auch ohne den dort vorhandenen offenen Rassismus ist das Weltbild, dass hinter dem politischen Ansinnen der FDP stellt, ein ausgesprochen rechtes, das nur eben andere Begrifflichkeiten und Identitäten beinhaltet.

Die FDP ist elitär

Es ist wohl kein Geheimnis, dass die FDP vor allem Klientelpolitik für die Reichsten im Land macht (man denke nur an die treffende Bezeichnung Möwenpick-Partei). Wer bezahlt, bestimmt die Musik, und das gilt bei der FDP in allergrößtem Maße – weshalb die Partei sich auch im Verhältnis zu ihrem Anteil an Wählerstimmen über überproportional hohe Großspenden freuen konnte. Und wer kann sich solche Großspenden leisten? Eben …

Ein derartiges elitäres Denken liegt auch dem Nationalismus zugrunde: Nicht die materiell Bessergestellten, sondern das eigene Volk, die eigenen Nation, die eigenen Landsleute sind es, die wie selbstverständlich bevorzugt behandelt werden und an deren Bedürfnissen sich die Politik zu orientieren hat. Auch hier wird die Welt in eine hochstehende Elite und den minderwertigen Rest eingeteilt – elitäres Denken ist also immer auch rechtes Denken.

Die FDP ist rassistisch

Mit dem vorherigen Punkt hängt auch der Rassismus ab, der dem FDP-Weltbild innewohnt, auch wenn dieser nicht so explizit geäußert wird, wie es bei der AfD und anderen Rechtsparteien der Fall ist. Dazu muss man sich nur mal vor Augen halten, wem die FDP eine privilegierte Stellung in der Gesellschaft (sowohl innerhalb eines Landes als auch global gesehen) einräumt: nämlich den eben schon erwähnte Reichen und Vermögenden.

Nun hängt es heute mehr denn je von der Geburt ab, ob man reich ist oder arm – sowohl im familiären als auch im geografischen Sinne, da der überwiegende Teil der Vermögen heute nicht mehr erarbeitet, sondern vererbt wird. Wer also das Pech hat, im globalen Süden geboren zu werden, der gehört damit leider in den allermeisten Fällen nicht zu den Besitzenden – und damit auch nicht zu denen, für die die FDP sich einsetzt. Denen geht es nämlich vor allem um die Verteidigung der Privilegien derer, denen es ohnehin schon (mehr als) gut geht.

Deutlich ausgesprochen hat FDP-Chef Christian Linder dies kürzlich, als er meinte, dass es kein Menschenrecht gäbe, sich seinen Standort auf der Welt selbst auszusuchen (s. hier). Na ja, für Menschen mit genügend Geld gilt das natürlich nicht, die können reisen, wohin sie wollen, sondern eben nur für diejenigen, die in Lindners Weltbild „falsch geboren“ wurden, nämlich in Armut. Das ist Rassismus in Reinkultur, würde ich sagen, wenn man Menschen aufgrund ihrer Herkunft Rechte abspricht, die für die eigene Klientel selbstverständlich zu gelten haben.

Die FDP hat ein streng hierarchisches Weltbild

Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen linkem und rechtem Denken ist, dass Linke von einer egalitären (alle Menschen sind gleich) und Rechte von einer hierarchischen (einige Menschen sind von Grund auf besser als andere) Gesellschaftsstruktur als Ideal ausgehen. Aus den zuvor genannten zwei Punkten geht wohl deutlich hervor, wo die FDP hier einzuordnen ist, oder?

Dass bei offen Rechtsextremen die Hierarchisierung der Menschen aufgrund von feststehenden und vom Einzelnen kaum zu beeinflussenden Merkmalen (Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, Religion, sexuelle Orientierung usw.) vorgenommen wird, bei der FDP hingegen auf dem vermeintlich veränderbaren Wert des Wohlstandes basiert, ist dabei eher eine spezifische Ausprägung. Zumal ja, wie schon gesagt, der Wohlstand auch in großem Maße von der Herkunft abhängt. Auch hier ist die FDP also tief im rechten Denken verwurzelt.

Die FDP ist menschenverachtend

Menschenverachtung drückt sich nicht nur in Form von Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Antisemitismus usw. aus, sondern auch als Sozialdarwinismus – und diesen pflegt die FDP wie kaum eine andere Partei. Das liegt auch darin begründet, dass laut FDP ja jeder komplett selbst für sein Schicksal verantwortlich sei, sodass beispielsweise Empfänger von Transferleistungen eben auch selbst schuld seien an ihrer finanziellen Misere.

Das gipfelt dann auch schon mal in Aussagen wie der berühmten Diffamierung eines funktionierenden Sozialstaates als „spätrömische Dekadenz“ vom damaligen FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle. Darin schwingt ja bereits der widerliche Begriff der „sozialen Hängematte“ mit, in der es sich Transferleistungsempfänger im Weltbild vieler FDPler ja nur allzu gern bequem machen – und davon ist es dann auch nicht weit bis zum „arbeitsscheuen Gesindel“, einer beliebten Diffamierung von Rechtsextremen, die auch im Dritten Reich Hochkonjunktur hatte und in der Einrichtung von Arbeitslagern gipfelte. Sozialdarwinismus ist eben auch schon immer ein Merkmal rechtsextremer Ideologien gewesen.

Vor allem richtet sich das politische Handeln der FDP ja nun auch darauf, denjenigen, die sowieso schon wenig haben, noch weniger zuzugestehen, sodass die Gruppe von Menschen, auf der FDPler herabsieht, stetig wächst. Dass auf diese Weise in einem reichen Land wie Deutschland zunehmend mehr Menschen Existenzängste erfahren müssen, kann dabei ignoriert werden, wenn man diese Menschen eben verachtet, da sie nicht hinreichend leistungsverwertbar sind – eine logische Konsequenz aus der marktfundamentalistischen Ideologie der FDP.

Die FDP ist populistisch

Populismus in Form von vereinfachenden Erklärungen für komplexe Zusammenhänge findet sich bei der FDP reichlich, und diese folgen auch immer schön dem gleichen Muster: Privat ist besser als staatlich. Dass diese Aussage durch die Realität schon vielfach widerlegt wurde (s. dazu hier), interessiert dabei nicht im Geringsten, denn es geht ja nicht um die Diskussion realistischer Handlungsmöglichkeiten, sondern um die Verbreitung und das Manifestieren eines ideologischen Mantras.

„Jeder ist sich selbst der Nächste.“ „Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht.“ Diese Aussagen, die das weit verbreitet sind und das neoliberale Weltbild, für das die FDP wie keine andere Partei steht, verfestigen, sind Populismus pur. Genauso wie die Mär von der sogenannten Leistungsgesellschaft (die mittlerweile ja in erster Linie eine Erbengesellschaft ist, wenn es um die Verteilung von Reichtum geht) – vor allem wenn diese von Menschen verbreitet wird, die zu einem großen Teil selbst nichts geleistet haben, außer Sohn/Tochter zu sein und dann Berufspolitiker zu werden, also nichts anderes als Karrieristen sind. Diese Betonung des Egoismus als treibende Kraft für soziales Zusammenleben widerspricht zudem auch allem, was einem anthropologisch den Erfolg der menschlichen Spezies erklärt – nämlich die Fähigkeit zu solidarischem Handeln. Hier werden also simple ökonomische Modelle (die zudem auch in der Ökonomie nicht unumstritten sind) auf die Komplexität der gesamtgesellschaftlichen Struktur übertragen – wenn das keine unsachgemäße Vereinfachung im populistischen Sinne ist, dann weiß ich auch nicht mehr weiter …

Auch Sündenbockmodelle, für die bei der FDP immer wieder Arme, Sozialleistungsempfänger oder auch gern mal die „faulen Griechen“ (die man am liebsten aus der Eurozone kegeln würde) bemüht, werden immer wieder gern von Populisten verwendet, da diese die eigene Mitschuld an komplexen Problemen verschleiern und stattdessen „andere“ (s. dazu hier) liefern, auf die sich dann der Zorn entladen kann. Da geht die FDP genauso vor wie die AfD, nur dass eben die Sündenböcke teilweise ein bisschen anders gewählt werden.

Die FDP ist antidemokratisch

Einen der zentralen Aspekte des FDP-Weltbildes habe ich ja bereits weiter oben erwähnt: Es soll möglichst alles in private Hände gelangen, was noch von Bund, Ländern oder Gemeinden verwaltet und betrieben wird. Und das bedeutet letztlich nicht anderes: Es sollen wichtige Bereiche der gesellschaftlichen Infrastruktur der öffentlichen, demokratisch legitimierten Kontrolle entzogen und privater Kontrolle unterstellt werden.

Die umfassenden Privatisierungen der letzten Jahrzehnte und die damit einhergehende mediale Manipulation (ganz im Sinne der FDP, aber viele Alpha-Journalisten sind eben auch FDP-Anhänger), dass diese notwendig und effektiver seien, haben dazu geführt, dass es eine gewisse gesellschaftliche Akzeptanz dieses Prozesse oder zumindest eine Gewöhnung daran gibt. Nichtsdestotrotz muss man sich immer vor Augen halten: Öffentliche Verwaltung ist in einer funktionierenden Demokratie auch der Allgemeinheit verpflichtet, private Investoren sind nur ihrem Profit und ihren Shareholdern verpflichtet – und das ist eben nicht gerade sehr demokratisch.

Der von der FDP vertretene Marktextremismus ist gewalttätig und mörderisch

Jean Ziegler hat es mal auf den Punkt gebracht, als er meinte, dass jedes Kind, was verhungern würden, im Grund ermordet würde. Damit wollte er sagen, dass im Prinzip genug Nahrung für alle Menschen auf der Welt vorhanden sei, diese eben nur aufgrund von Marktmechanismen, die wiederum die FDP ja als supertolles Allheilmittel vergöttert, nicht gerecht verteilt werden. Das lässt sich auch noch auf den Zugang zu sauberem Wasser oder Medikamenten gegen Epidemien ausweiten, und so kommt man dann auf etwa 50 Millionen Menschen, die jedes Jahr nur deswegen sterben müssen, weil „der Markt“ es eben so will.

Dazu kommen dann noch die direkten Opfer, die uns manchmal dann vor Augen führen, dass wir doch in recht gewalttätigen Zeiten leben, auch wenn die meiste Gewalt weit weg irgendwo im Elend auf der südlichen Halbkugel stattfindet. Aktuelles Beispiel: Der Todesschütze von Las Vegas, der mehr als 50 Besucher eines Country-Festivals ermordet hat. Ohne die beständige Lobbyarbeit der National Rifle Association (NRA), die sich seit viele Jahren erfolgreich gegen eine Beschränkung des Waffenrechts in den USA einsetzt, wäre es zu einem solchen Massaker (und auch zu den allermeisten der zahlreichen anderen Toten durch privaten Schusswaffengebrauch in den USA) vermutlich nicht gekommen. Man kann hier also durchaus von Terror im Namen des Marktes sprechen – und damit im Namen der von der FDP in extremer Weise vertretenen Ideologie.

Passend dazu: Die Aktienkurse der US-Waffenhändler sind nach diesem Anschlag erst mal schön in die Höhe geschossen (s. dazu hier).

Und von den Toten durch die Rüstungsindustrie, bei der sich die FDP ja auch gern andienert, wie vor nicht langer Zeit das Beispiel von Dirk Niebel allzu deutlich zeigte, hab ich nun noch nicht mal angefangen …

Die FDP ist insgesamt gesehen eine rechte bis rechtsextreme Partei

Ein anderes Fazit kann es nach den zuvor aufgelisteten Punkten nicht geben. Auch wenn die AfD als zurzeit in Deutschland populärste Rechtsaußenpartei vor allem durch ihre ausländerfeindlichen, rassistischen, frauenfeindlichen und homophoben Aussagen auffällt, so darf man nicht vergessen, dass es eben auch noch andere Sachen gibt, die ein rechtes Weltbild ausmachen und die sich zur Genüge bei der FDP finden.

Refeudalisierung im Sinne der Förderung eines immer mehr Einfluss gewinnenden und reicher werdenden Geldadels, Neokolonialismus in der Wirtschaftspolitik, bei dem der globale Süden durch freien Handel ausgebeutet wird, wobei die offenen Grenzen nur für Waren und nicht für die Menschen von dort gelten, und das Recht des Stärkeren, das sich in der Sozialstaatsfeindlichkeit der FDP manifestiert, sind typische Merkmale rechter Ideologie, die eben nicht erst beim Nationalsozialismus begonnen hat, sondern auch schon vorher, zum Beispiel im Absolutismus, präsent und politikprägend war.

Da kann sich die FDP ein noch so modernistisches Image von einer PR-Agentur verpassen lassen – sie ist und bleibt eine rechte, rückwärtsgewandte Partei, um die progressiv denkende Menschen und auch Politiker einen sehr großen Bogen machen sollten.

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Karl

Jahrgang 1969, ist nach einem Lehramtsstudium und diversen beruflichen Tätigkeiten seit 2002 freiberuflicher Lektor (Auf den Punkt). Nach vielen Jahren in Hamburg, lebt er nun seit November 2019 in Rendsburg. Neben dem Interesse für politische Themen ist er ein absoluter Musikfreak und hört den ganzen Tag Tonträger. An den Wochenenden ist er bevorzugt in Norgaardholz an der Ostsee und genießt dort die Natur.

2 Gedanken zu „Warum die FDP für mich eine rechte, wenn nicht gar rechtsextreme Partei ist“

  1. Zu diesem Artikel erhielten wir folgenden Leserbrief:

    Grundsätzliche Zustimmung zu dieser deutlichen, aber in Wesentlichen völlig richtigen, Einschätzung dieser Partei der Vermögenden und Erbenden und Leistungsverweigerer, der Appartheit, denn rassistisch im engeren Sinne, würde ich sie nicht nennen, noch nicht, sozialdarwinistisch aber sind sie sicher. Einer alleinerziehenden Frau, die mit den hohen Mieten Probleme hat, den Vorschlag zu machen, sich doch zu freuen, dass sie nun bald vielleicht in den Genuss der steuerlichen Vorzüge beim Erwerb einer Immobilie kommen könnte, ist nichts anderes als Ausdruck puren Sozialdarwismusses.

    „Wir müssen ein System schaffen, das die wenigen Vermögenden vor den vielen Besitzlosen beschützt“, schrieb und sagte der Gründervater der USA Madison und hier, bei der FDP, ist genau dies als Partei manifestiert.

    Chapeau für diesen Artikel

    Viele Grüße
    Heinz Peglau

  2. Nachdem nun FDP-Chef Lindner die Sondierungsgespräche zur Bildung einer neuen Bundesregierung (sogenannte Jamaika-Koalition) hat platzen lassen, kommt auch Stefan Reinecke in einem Kommentar in der taz zu dem Schluss, dass die FDP mittlerweile eine rechtspopulisitsche Partei ist:

    Die FDP ist dabei, jene Kompromissfähigkeit einzubüßen, über die sie früher im Übermaß verfügte. Die neue FDP, das ist eine Kombination aus schneidigem Marktliberalismus und einem Sammelbecken für Affekte gegen die da oben. Mit dieser kalkulierten Explosion hat sich die Lindner-Partei endgültig von der alten, behäbigen, staatsfixierten Genscher-Partei entfernt und in eine Spieler-Partei mit rechtspopulistischem Drive verwandelt.

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