Es wird Zeit, dass die/wir Alten die Leviten gelesen bekommen!

Ende der 60er, 1967 genau, mit neun Jahren begann ich mich für Politik zu interessieren. Nicht direkt wegen Willy Brandt, eher indirekt, weil ich eine Lehrerin hatte, die Adenauer verehrte und uns schon in der Grundschule indoktrinierte, was meinen Eltern gar nicht gefiel, zu Recht nicht gefiel.

Ein Gastbeitrag von Heinz Peglau

Mit 14 trat ich der SPD bei, eine richtige Entscheidung damals, die 70er waren, gerade weil die SPD vieles veränderte, dem Druck der Straße gehorchend, wie ich behaupte, in meiner Erinnerung eine goldene Dekade, obwohl schon bald zu spüren war, dass das nicht so bleiben wird. Geißlers Rote-Socke-Kampange und viele andere kleine Hinweise deuteten mir die dann folgende geistig-moralische Wende unter Kohl schon an, den ersten Schritt zum Schlechteren, viele weitere sollten folgen. Deshalb wollte ich auch eigentlich das Land verlassen, hatte schon feste Pläne, trat u. a. aus der SPD aus und informierte mich über Kanada, denn da wollte ich hin.

Pläne hat ich, aber der Mut, den Schritt dann auch zu tun, den hatte ich nicht. Ausflüchte, Vorwände allerdings hatte ich viele, dann doch zu bleiben. Erst wurde aus Kanada dann Italien, um dann am Ende mich doch hier am Ort zu halten.

Wenn mich etwas ärgert, wenn ich etwas ändern könnte an meiner Vergangenheit, dann nur dies. Ich hätte meine Pläne durchziehen sollen; meine heutige Frau wäre sicher mitgekommen, das weiß ich heute, und meine Kinder wären in einem menschlicheren Umfeld geboren worden, mit anderen Werten als nur den hier vorherschenden ökonomischen, auf die sich nämlich alles hier reduziert, auch der Mensch.

Ich hätte diesem Land den Rücken kehren sollen und damit den Menschen hier, die dieses Land wieder zu einem haben werden lassen, in dem Reiche über Arme urteilen dürfen, sich einen Spaß mit ihnen machen dürfen und dabei von der Politik, auch der der SPD, gerade der SPD, unterstützt werden – der ich mittlerweile wieder beigetreten bin, weiß der Hannes, was mich dazu trieb, aber nun bleibe ich erst mal -, ja, hoffiert werden.

Ich hätte einem Land, in dem das Kind eines Monarchen mehr Beachtung findet als die vielen Millionen Kinder am Rande des Existenzminimums, den Rücken kehren sollen. Einem Land, in dem der Rentner, die Rentnerin ihre Wohnung verlassen müssen, damit reiche, neureiche Yuppies sich eine Geldanlage schaffen und unter sich bleiben können. Einem Land so voller Ungerechtigkeit, Ungleichheit und Missgunst, wie ich es nie erwartet hätte, dass dies wieder deutsche Wirklichkeit werden könnte. Einem Land, in dem selbst sich links nennende Parteien dem neuen Feudalismus des Geldadels den roten Teppich auslegen. Einem Land, in dem Patriarchen wie Fürsten regieren und die Masse nur noch abnickt, was diese Patriarchen tun, was sie sagen, was sie getan haben und noch tun werden.

Nun bin ich zu alt dafür. Aber meinen Kindern empfehle ich diesen Schritt, das wissen sie. Ob sie es tun werden, liegt ganz bei ihnen. Da mische ich mich nicht mehr ein. Aber einen Rat gebe ich ihnen, wenn sie denn bleiben wollen, und auch denen, die noch jung genug sind im Kopf: Wehrt Euch, verändert das, was meine Generation hier geschaffen hat, worauf sie auch noch stolz ist.

Es wird Zeit für ein neues 68, für ein soziales Aufbegehren, für eine Generation, die meiner Generation endlich die Leviten ließt. Meine Generation, die meiner Eltern hat versagt, hat die Ökonomie über die Menschlichkeit gestellt, ist in ihrer Mehrheit unmenschlich geworden.

So sehe ich das und nicht anders!

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Ein Gedanke zu „Es wird Zeit, dass die/wir Alten die Leviten gelesen bekommen!“

  1. Das sehe ich auch als meine Aufgabe: Meinen Kindern den Mut, die Kraft und den Weitblick mit auf den Weg zu geben, um sich zumindest ihr direktes Umfeld sozial gestalten zu können. Und wenn es ihnen im Blut liegt, dann auch gern für schwächere Menschen … damit meine ich die, die es bereits aufgegeben haben zu kämpfen oder nie einen solchen Antrieb hatten. Auch wenn unsere Politiker in Spitzenpositionen alle nur noch Marionetten sind (siehe aktuell hier), so bleibt uns doch hoffentlich noch der demokratische Weg, etwas zu bewegen, denn die Alternativen sind blutig, und die Revolution frisst ja bekanntlich ihre eigenen Kinder. So denn auch meine.

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