Rechts, links, progressiv, konservativ, liberal, scheißegal – darüber zu diskutieren lohnt sich kaum noch

Die meisten wissen sowieso nicht, was sie wirklich darunter verstehen sollen; dazu ist diese Gesellschaft viel zu heterogen geworden. Jeder Hans und jede Franziska versteht etwas anderes darunter, je nach eigenem Gusto und Interessen. Scheißegal also!

Im Grunde geht es doch nur darum, jedem Menschen geht es nur darum, als Mensch wertgeschätzt zu werden. Beachten wir dies, können wir auch gern über die Wege dorthin diskutieren, von mir aus auch in Schemata, in Lagern. Aber solange wir die Wertschätzung nicht beachten, und wir beachten sie nicht einmal ansatzweise, bringen alle anderen Diskussionen nur eines: verschwendete Lebenszeit. Zum Ziel führen sie nicht. Streit des Streites wegen, Streit vielleicht noch um Posten und Pöstchen, aber viel mehr kommt nicht dabei heraus als ein beständiges Warten auf Godot.

Wird der Mensch wertgeschätzt, so kann er wertschätzen. Wird er nicht wertgeschätzt, so hat auch er damit Probleme wertzuschätzen. Das ist wie bei der Liebe. Wer nicht geliebt worden ist, wer nicht geliebt wird, der kann auch meist nicht lieben.

Mehr noch: Wer nicht geliebt worden ist, ist meist auch nicht zu der notwendigen Liebe seines Selbst fähig. Sodass man auch schlussfolgern kann, dass der, dem Wertschätzung vorenthalten wird, sich auf Dauer auch selbst nicht mehr wertzuschätzen weiß und damit auch nicht die anderen, wenn sie sich allzu sehr von dem, was er sich einredet, sich hat einreden lassen zu sein, unterscheiden.

Die Enttäuschung über sich selbst, die Enttäuschung über andere führt dann zu Zorn, zu Wut sogar, zum Hass am Ende dieser Spirale. Der Hass, projiziert auf andere, ist deshalb auch oft ein Selbsthass, weshalb auch die selbstzerstörerischen Eigenschaften oft genug bewusst in Kauf genommen werden.

Diese Gesellschaft hat den Hass selbst produziert, er ist hausgemacht. Sie sollte sich weniger beschweren, als die Ursachen zu beseitigen, die sie selbst dafür geschaffen hat.

Institutionelle Maßnahmen zur Senkung der Wertschätzung, mediale Maßnahmen zur Senkung der Wertschätzung in Vorbereitung dieser Maßnahmen und zum Erhalt dieser Maßnahmen, immer auf bestimmte Gruppen bezogen, immer auf Gruppen bezogen, welche dem Bruttoinlandsprodukt nicht mehr ausreichend dienlich sein konnten und dennoch einen Anteil daran einfordern. Dies alles hat dazu beigetragen, ja es sogar ursächlich erzeugt, dass die Wertschätzung des Menschen, wenn er sich allzu sehr vom Ideal wegbewegt, zerstört wurde. Anders zu sein, als die Norm es verlangt, führt bei uns zu Wertschätzungsdefiziten, zu gewollten, wie ich behaupte. Denn die Norm, das Ideal muss erreicht werden, unter allen Umständen muss es gelten. Wehe denen, die von der Norm abweichen, ob aus eigener Schwäche oder bewusst, ist dabei vollkommen egal geworden. Die Norm heißt, der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu dienen, und dieser Norm sind wir alle unterworfen, entmenschlicht damit worden.

Schuld wurde erzeugt, medial und dann in Folge institutionell, rechtsstaatlich durch die Sozialgesetzgebung in der Gesellschaft verankert. Schuld der Gesellschaft gegenüber, selbst zu tun, ausschließlich noch selbst tun zu müssen, immer und ständig verpflichtet zu sein und dann auch immer und ständig selbst Schuld zu sein, wenn es nicht so läuft wie gewünscht.

Schuldig ist der Mensch dieser Gesellschaft, immer wieder ist er es, der die Schuld trägt, so als ob der Mensch im Vakuum leben würde. In allen Lebensbereichen begegnet ihm die eigene Schuld und die Schuldvermutung der Gesellschaft.

Die Politik ist fein raus, sie hat im Grunde nur noch die Funktion, die Schuld auch „richtig“ zuzuweisen, die Medien sind ihr dabei gern behilflich, denn auch sie leben längst von der Schuld und den Schuldzuweisungen.

Schuld zu diskutieren, sie dem Menschen zu nehmen, zur Unschuldsvermutung zurückzukehren wäre deshalb der erste Schritt, diesem Hass entgegentreten zu können, den wir alle ja beklagen, den wir aber gesellschaftlich erst erzeugt haben. Gelte die Unschuldsvermutung wieder, würde der Mensch dann auch wieder wertgeschätzt, rein als Mensch und nicht ausschließlich wie heutzutage als Produktionsfaktor, als Mittel zum Zweck, so wäre es leicht, die notwendige Wertschätzung wiederherzustellen, die den Hass dann verringern würde.

Bleibt es bei der Schuldvermutung, so bleibt es beim Hass, so wird er sogar größer, denn die Wertschätzung, die eigene, aber auch die gegenseitige, ginge immer mehr verloren.

Bleiben wir dabei, alles ökonomisch denken zu müssen, Mangel zu verwalten, anstatt ihn gesellschaftlich und damit gemeinsam zu verringern, so werden wir der Schuldvermutung nur weitere Nahrung geben.

Wir haben es in der Hand, wohin die Reise geht. Zu noch mehr Schuld und damit immer weniger Wertschätzung und immer mehr Hass – oder verringern wir die Schuld, die Schulden, die aufgehäuft worden sind, und senken wir damit den Hass, weil wir die Wertschätzung in der Gesellschaft erhöhen, dem Einzelnen auch wieder die Möglichkeit geben, sich wertgeschätzt zu fühlen, ja sich selbst wertzuschätzen.

Hier stehen wir, und zwar wir alle, in der Schuld, in der Handlungsschuld. Ich bin gespannt, wie wir uns entscheiden werden als Gesellschaft. Meine Entscheidung ist lange schon gefallen, gegen den Hass, gegen die Wut, gegen den Zorn, sogar gegen die Enttäuschung, auch wenn mir, zugegeben, mich gegen Letzteres zu wappnen immer noch am schwersten fällt.

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Heinz

Jahrgang 1958, am Leben interessiert, auch an dem anderer Menschen, von Rückschlägen geprägt. Nach diversen Tätigkeiten im Außendienst für mehrere Finanzdienstleister und zuletzt als Lehrkraft auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Ökonomie und Gesellschaft, den Kapitalismus in all seinen Formen zu verstehen und seit Jahren zu erklären ist meine Motivation. Denn ich glaube, nur wer versteht, wird auch Mittel finden, die Welt zu einer besseren Welt zu machen. Leid und Elend haben ihre Ursache im Unverständnis.

3 Gedanken zu „Rechts, links, progressiv, konservativ, liberal, scheißegal – darüber zu diskutieren lohnt sich kaum noch“

  1. Leider muss ich der Erkenntnis zustimmen, dass diskutieren kaum noch etwas bringt. Ich finde auch, dass Du absolut Recht damit hast, dass es uns an Wertschätzung fehlt. Wertschätzung unseren Mitmenschen gegenüber, aber auch der Natur und allem, was wir nicht nur als selbstverständlich hinnehmen, sondern als Recht einfordern: Wenn jemand anderes etwas hat, dann will ich das auch haben (dürfen)!
    Allerdings ist aus meiner Sicht das „Gegen“ einer der Hauptgründe, warum die Gesellschaft sich so entwickelt hat und noch immer diesen Kurs hält. Wir sind nicht „für ein Miteinander“, sondern „gegen ein Gegeneinander“. Auch so wird mangelnde Wertschätzung ein Thema: Anstatt die Meinung des Gegenübers zu akzeptieren und von dort aus zu argumentieren, sich zu treffen, knallt man wie die Rammböcke mit den Argumenten und Köpfen frontal gegeneinander. Auch die Ellenbogengesellschaft ein Anzeichen dafür. Auf facebook und Co geht es darum den anderen zu zeigen, wie viel geiler man so ist und nicht um soziale Teilhabe (Neid produziert auch ein Gegeneinander).
    Es wird Zeit sein Gegenüber für voll zu nehmen, seine Ängste und Wünsche zu respektieren und dann erst einmal über Gemeinsamkeiten zu reden, anstatt über Unterschiede. Es gibt einen Teil der Bevölkerung, von denen man dies verlangen, aber nicht wirklich erwarten kann. Aber auch dieser Teil gehört zu uns, wie wir zu ihm und auch hier gilt der Grundsatz der Wertschätzung und des Miteinander, so schwer es auch manchmal ist.

    1. Das „Dagegen sein“ und nicht mehr „Das dafür sein“ ist ein sehr wichtiger Hinweis, Dirk. Sehe ich auch so und kann es mir auch erklären.
      Visionen sind verpönt, gerade in der Politik, denn wer Visionen hat, muss sich dem Ganzen stellen und kann nicht ausschließlich sich Projekten widmen. Projekte sind jedoch das Poppersche Denken in Falsifizerung und Verifizierung, seit Schmidt politische Räson in Politik und Medien. Genau diesen „Sieg“ Poppers über die Vernunft mache ich für die Visionsdefizite verantwortlich, welche dann immer nur ein sehr begrenztes „Dafür sein“ hervorbringt und schier unbegrenztes „Dagegen sein“ zur Folge hat.

  2. Ja, natürlich muss auch die Natur in die Wertschätzung mit hinein gedacht werden. Wertschätzung ist universell. Erst, wenn man wertschätzt, begreift man auch den Wert ansich. Wobei genau das allerdings nicht meint, das auch alles von Wert einen Preis haben sollte.
    Preise bewerten, relativieren und werten damit das eine auf und das andere ab, sind immer auch subjektiv damit, sodass das neue smartphone einen höheren Preis bekommen kann, subjektiv höher bewertet wird, als die dafür zu opfernde Natur und Zukunft.
    Deshalb steht für mich die Wertschätzung auch im Zentrum meiner Philosophie, auch weil wir sie über Preise pervertieren, vor allem aber weil sie universell gedacht werden muss. Sie ist zur Selbstverständlichkeit verkommen, jeder fordert sie, erwartet sie, aber in der Oberflächlichkeit ist sie dem gefolgt, was der Oberflächlichkeit immer folgt, sie ist unwichtig geworden, im Wert gesunken quasi, auch weil sie keinen Preis hat.

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