Das Zauberwort heißt Wertschätzung

Der Hass im Netz, aber auch analog ist gewaltig geworden. Kaum ein Tag, an dem der Hass nicht zu erleben wäre. Kaum ein Tag, an dem sich nicht Menschen in Politik, Medien und Gesellschaft über den Hass beklagen, beklagen müssen. Oft, viel zu oft, wo Hass auch Taten zur Folge hat. Von Drohungen bis hin zu tatsächlichen körperlichen Angriffen. Nicht nur in den USA, lange schon bei uns.

Karl schrieb einen sehr bemerkenswerten und gut recherchierten Artikel über die Instrumentalisierung des Hasses: Die Alltäglichkeit rechten Terrors . Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Er ist eineindeutig in seiner Richtigkeit. Mir geht es heute und hier deshalb auch nicht um diese Instrumentalisierung, sondern um die Ursachen des Hasses, wenn sie nicht im Hass auf die Menschen, im Rassismus und Antisemitismus, generell begründet sind. Gegen Rassisten und Antisemiten hilft keine Medizin, gegen deren Hass hilft nur der Chirurg am Ende, der die Krebszelle herausschneidet, sodass wir sie isolieren, wegsperren können, am Wachsen hindern können.

Mir geht es um die Ursachen, warum dieser Hass – den es immer gab und geben wird – auf so fruchtbaren Boden wieder fallen kann, sodass er wieder instrumentalisiert werden kann, warum wir das beklagen müssen, was Karl so trefflich darlegte.

Dass wir diesen Hass beklagen, ertragen müssen, auch weit unter der terroristischen Schwelle, hat für mich eine wesentliche Ursache. Es mangelt an Wertschätzung in dieser Gesellschaft; sie ist nicht mehr wertschätzend genug; sie zerstört sogar das bisschen Wertschätzung, welches noch übrig geblieben ist. Es liegt also am Umgang, am Miteinander, am Immer-mehr-Gegeneinander, welches letztendlich zum Hass und zu vielen Taten aus Hass geführt hatte und, ich fürchte, weiterhin führen wird.

Fehlt die Wertschätzung – und sie fehlt, gerade durch den Kotau der SPD vor dem Neoliberalismus durch die Hartz-Gesetzgebung – in der Gesellschaft, so wird sie vermisst. Es entsteht Zorn bei denen, die sie vermissen müssen, bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger, aber Zorn entsteht immer. Sloterdijk hat hier völlig recht gehabt, diesen Zusammenhang zwischen mangelnder Wertschätzung und Zorn ausdrücklich zu benennen.

Aus Zorn wird schnell Wut, gerade dann, wenn er auf Ignoranz und Ignoranten trifft, wobei auch hier die SPD „geglänzt“ hatte und immer noch „glänzt“. Allerdings nicht allein, Grüne, Gelbe, Schwarze sind nicht frei von Schuld. Im Gegenteil, sie haben einen gehörigen Anteil am berechtigten Zorn großer Teile der Gesellschaft. Auch sie sind verantwortlich dafür, dass schon Kinder aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden, wie eine Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes aufzeigt. Die mitausgegrenzten Elternteile sollte man dabei ebenfalls bedenken.

Schwarze, Grüne, Gelbe sind vielleicht sogar noch viel verantwortlicher als die SPD, die wenigstens versucht, ein wenig dagegen anzugehen, mehr schlecht als recht zwar, weil notwendige Einsichten immer noch fehlen, aber immerhin. Die Haushalter, auch der Grünen, der Schwarzen, der Gelben, auch die der SPD, verhindern aber wirklich wertschätzende Maßnahmen. Auch hier wirkt die Schuldenbremse, wird die Wertschätzung unserer Zukunft, die für mich immer noch im Kinde liegt, mit Füßen getreten. Sonntagsgelabere, Wahlgeschwafel, Versprechungen aller Art nehme ich deshalb schon lange nicht mehr ernst, diese Wertschätzung versage ich den Parteien. Mögen sie ruhig zornig auf mich sein. Ich bin es längst auf sie.

Wut, aus Zorn entstanden, gebiert schnell Hass. Man kann nicht dauerhaft wütend bleiben, ohne irgendwann Hass zu empfinden, auf die zu empfinden, die man als ursächlich ansieht für die eigene Wut. Es wäre unmenschlich dies zu verlangen und dennoch tun wir es, weil wir dem Zorn, der sich immer öfter daran anschließenden Wut nicht die Gründe nehmen, nicht einmal dann, wenn der Zorn offensichtlich berechtigt ist, wenn nämlich Menschen unter dem Entzug von Wertschätzung leiden, weil andere Dinge wichtiger scheinen, als den Menschen wertzuschätzen, als alle Menschen wertzuschätzen.

Es wird also Zeit, endlich an die Wurzeln des Zorns zu gehen, vielleicht wird dann der Hass einsamer und legt sich dadurch, verschwinden wird er lange nicht, aber kleiner können wir ihn machen. Zu viel ist geschehen, was den Hass in die Gesellschaft getragen hatte, und zu viel geschieht noch, was den Zorn schürt und damit am Ende den Hass.

Ich sehe allerdings derzeit nichts und niemanden, der hierzu bereit wäre, sodass ich fürchte, dass wir noch lange mit dem Hass zu leben haben werden, weil wir noch lange die Wertschätzung vieler Menschen den Ökonomisten zuliebe mit Füßen treten werden. Es fehlt einfach an den richtigen Einsichten in Zeiten der Null. Es gibt halt kein richtiges Leben im Falschen, wie Adorno schon vor fast 80 Jahren zu Recht feststellte.

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Heinz

Jahrgang 1958, am Leben interessiert, auch an dem anderer Menschen, von Rückschlägen geprägt. Nach diversen Tätigkeiten im Außendienst für mehrere Finanzdienstleister und zuletzt als Lehrkraft auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Ökonomie und Gesellschaft, den Kapitalismus in all seinen Formen zu verstehen und seit Jahren zu erklären ist meine Motivation. Denn ich glaube, nur wer versteht, wird auch Mittel finden, die Welt zu einer besseren Welt zu machen. Leid und Elend haben ihre Ursache im Unverständnis.

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