„Wir dürfen das!“ – aber müssen wir deswegen?

Kürzlich hatte ich ein Erlebnis, was zum aktuellen politischen und journalistischen Treiben passt: Ich erhielt ein Schreiben, dass mein Telefonie- und Internetanbieter (o2) mich auf Glasfaser umstellen möchte. „Ein anderes Kabel wird ja nicht schaden.“, dachte ich so bei mir und freute mich wieder einmal, dass ich ja noch einen schönen Universalanschluss (ISDN) habe (anstatt eines unzuverlässigeren VoIP-/Internettelefonie-Anschlusses). Als dann kein Techniker erschien, aber mein Telefon tot war, rief ich beim Support an. Auf meine Nachfragen ergab sich, dass ich auf diese von mir ungeliebte VoIP/Internettelefonie umgestellt wurden bin! Ich äußerte also, dass davon im Anschreiben keine Rede war und ich das so nicht wollte. Wie aus der Kanone schnellte mir vonseiten des Telefonsupports entgegen: „Wir dürfen das!“ Na dann …

Ich bitte diese lange Einleitung zu entschuldigen. Worum es mir bei der Sache geht, ist die Tatsache, dass moralische und ethische Bedenken dem reinen Umstand, „es zu dürfen“, weichen müssen … wieder und immer wieder. Auf allen Ebenen scheinen die Menschen, Gruppierungen, Staaten und Konzerne auf ihrem „Dürfen“ zu beharren. Das kann man in der heutigen Zeit beliebig von unten nach oben oder von links nach rechts brechen:

  • Der Fußgänger, der einem keinen Platz macht, weil ein Hindernis auf unserer Seite steht. Er oder Sie hat ja schließlich „das Recht“ den halben Bürgersteig zu nutzen und dann müssen andere eben warten oder weichen. [Beispielquelle: Geh mal nach draußen.]
  • Der Karikaturist, der gerade eine offene Wunde in der aktuellen Religionsdebatte sieht und sich darauf stürzt wie ein Jäger auf die Beute. Das „Recht auf Meinungsäußerung“ ist ja wohl Grundrecht, da sind ethische Bedenken (z. B. kein Abbild Gottes zu zeigen) ja wohl fehl am Platz! Und je mehr „Recht“ sich herausgenommen wird, desto freier scheint sich der Zeichner zu fühlen. [Beispielquelle: Charlie Hebdo, Titanic …]
  • Die Tierschutzorganisation, die den Vergleich von Massentierhaltung zum Holocaust zieht. Da haben „die Nazis“ ca. sechs Millionen Menschen getötet, da kann man doch mal alle Opfer in einen Topf werfen! Das wird man ja noch dürfen, ohne dass sich die Opfer herabgesetzt fühlen, oder? [Beispielquelle: taz]
  • Das gemeine Volk stimmt gegen die Privatisierung der Krankenhäuser (Renten, teilweise Bundesbahn/Post, Wasserversorgung …)? Die haben doch keine Ahnung, was da rausspringt (zumindest für mich und meine Karriere nach dem Ausscheiden aus der Politik).  [Beispielquelle: Die Welt]
  • Da macht sich ein Unternehmen „die Mühe“, Wasser aus der Erde zu pumpen, um es dann, in praktische Flaschen abgefüllt, der Bevölkerung (gegen ein geringes Entgelt) zur Verfügung zu stellen – und wer dankt es dem Konzern? Okay, dass die privaten Brunnen nun alle brach liegen und Menschen für ehemals kostenloses Wasser nun zahlen … aber „rechtlich“ ist das okay! [Beispielquelle: RESET]
  • Mit „chirurgischer Präzision“ schaltet die US-Armee durch Drohnenangriffe die Terroristen dieser Erde aus. Ganz ohne störende Gerichtsverhandlung und mit einem Mindestmaß an Kollateralschäden (auf ein Ziel eben mal 20 bis 40 weitere Opfer). Und wer sich nicht pulverisieren lässt, der wird dann eben ohne störende Verhandlung eingesperrt (Guantanamo)! Als Weltmacht „darf man das“! [Beispielquelle: faz]

 

Ich möchte das hier noch einmal ausdrücklich erwähnen, auch wenn es bei einem Blog mit Untertitel „Meinung statt Mainstream“ klar sein sollte: Ich bin für die Pressefreiheit und das Recht, sich frei entfalten zu können. Aber nur weil das Furzen in Fahrstühlen nicht verboten ist, muss ich mich da nicht hinstellen und genüsslich eine brummende Geräuschkulisse schaffen, die anderen ihre Freiheit und Würde nimmt. Und wenn ich andere beleidige, stark in ihrer Freiheit einschränke oder sogar diffamiere, dann habe ich keinen Spaß an dieser Freiheit.

Lasse ich alle Ideologien beiseite und richte mich nach einem einfachen Grundsatz, so kann ich friedlich und in Einklang mit meiner Umwelt leben. Ein einfacher Ausspruch, den ich meinen drei Söhnen jeden Tag vorlebe: „Was Du nicht willst, das man Dir tu, dass füg auch keinem anderen zu.“ Das funktioniert im Umkehrschluss sogar noch besser: So wie Du gern behandelt werden möchtest, genau so solltest Du anderen gegenüber agieren (Stichwort: „ungefragt helfen“). Und das Beste: „Du darfst das!“

 

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Dirk

Jahrgang 1974, in erster Linie Teil dieser Welt und bewusst nicht fragmentiert und kategorisiert in Hamburger, Deutscher, Mann oder gar Mensch. Als selbstständiger IT-Dienstleister (Rechen-Leistung) immer an dem Inhalt und der Struktur von Informationen interessiert und leidenschaftlich gerne Spiegel für sich selbst und andere (als Vater von drei Kindern kommt dies auch familiär häufig zum Einsatz). Seit vielen Jahren überzeugter Vegetarier und trotzdem der Meinung: „Alles hat zwei Seiten, auch die Wurst hat zwei!“

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